Schattenblick →INFOPOOL →BILDUNG UND KULTUR → COMIC

MARVEL-BROKER/009: Spider-Man 1


Brian K. Vaughan, J. Michael Straczynski, Staz Johnson, John Romita Jr.


Spider-Man 1



Dr. Octopus - Nicht mehr little big man

Der erste Spider-Man-Film brach im Mai 2002 viele Einspielrekorde, spielte praktisch schon am ersten Wochende die Kosten von 139 Millionen Dollar ein und füllte die Kinokassen weltweit mit über 820 Millionen Dollar. In Deutschland verfolgten über fünf Millionen Zuschauer die Verwandlung des schüchternen Schülers Peter Parker in den netzespinnenden Helden und seinen einsamen Kampf um die Liebe seiner Angebeteten Mary Jane, aber gegen den Superschurken Grüner Kobold. Von Anfang an war Spider- Man als ein Sequel von drei Filmen geplant, und nun steht der Kinostart des etwa 200 Millionen teuren zweiten Teils am achten Juli dieses Jahres kurz bevor. Auch der Dreh des dritten Teils wurde jetzt von den Columbia Studios angekündigt, dessen Kinopremiere für den 10. Mai 2007 geplant ist.

Um das anstehende glückliche Ereignis an Anfang der zweiten Juliwoche gebührend zu feiern, wird noch die Vorfreude für alle Fans, die Peter Parker und sein Alter-Ego, den Netzschwinger, bisher nur aus dem ersten Kinofilm kennen und sich nicht an die scheinbar komplexe Materie in Comic-Form heranwagten, gesteigert. Denn um auch den neuen Fans den Mund auf die dazugehörigen Comics wässrig zu machen, startet der Panini Verlag mit der vorliegenden Ausgabe die Reihe DER ERSTAUNLICHE SPIDER-MAN neu und zwar unter dem einfachen, schnörkellosen Titel SPIDER-MAN.

Damit unter den langjährigen Sammlern keine Verwirrung aufkommt, wird die alte Numerierung, in diesem Fall die Nr. 41, zusätzlich auf dem Cover beibehalten. Dieser Band ist ein guter Einstieg für alle neuen Leser, und es reicht das Vorwissen aus dem ersten Film vollkommen aus, um den Verlauf der Geschichte mühelos folgen zu können, die einen schon auf den Filmbösewicht des zweiten Films einstimmt. Wie der Grüne Kobold zählt Dr. Octopus, auch als Doc Ock bekannt, zu den ältesten Feinden des Netzspinners. Sein erster Auftritt im Heft "Amazing Spider-Man 3" fand im Jahre 1963 statt. Bei einem Laborunfall verschmolzen die mechanischen Metallarme des einstigen Atomphysikers und Erfinders Doktor Otto Octavius, die er entwickelt hatte, damit sie ihm bei der Handhabung mit gefährlichen Substanzen bei seiner Forschungen halfen, mit seinem Körper. Fortan konnte er die vier künstlichen Arme mental steuern. Die neugewonnene Macht veränderte den schüchternen Wissenschaftler und machte aus ihm einen größenwahnsinnigen Schurken, der mit seinen acht Extremitäten seitdem als Dr. Octopus immer wieder den Weg der Spinne kreuzte.

Dieses erste Heft präsentiert den Schurken nicht in altgewohntem Outfit, da Doc Ock wie auch vorher schon sein Kollege der Grüne Kobold im Zuge der Verfilmung eine gewisse Runderneuerung erfuhr. Die Fans der heutigen Generation werden die Veränderungen bestimmt begrüßen und auch mit der Marvel-Redaktion einer Meinung sein, die da sagt:

Aus dem ehemals eher kleinwüchsigen Choleriker wurde nun endlich auch optisch ein ernstzunehmender Gegner. Eine schmucke Sonnenbrille ersetzt das klobige Kassengestell aus alten Comic-Tagen, der ehemals recht unvorteilhafte grüne Spandex-Dreß auf dicklichem Körper machte einem modischen Mantel Platz. Da soll noch mal einer sagen, Comic- Verfilmungen würden nichts Gutes mit sich bringen!

Die Anhänger der modernen Körperkultur, die in ihrer Verstiegenheit den griechischen Athletenkörper - definierte Muskulatur, Waschbrettbauch - als Sinnbild von Vitalität, Gesundheit und Leistungsfähigkeit anbeten, haben wohl völlig vergessen, daß dies der Körperbau der griechischen Arbeiter und Sklaven war, die schwere physische Strapazen überstehen mußten und nicht selten an diesen frühzeitig zu Grunde gingen. Jene Apologeten sind weiterhin auf den Vormarsch und haben auch die letzten Bastionen ihrer Gegner, die der Comicwelt, erobert. Spiegelte der Comic schon in den 60er und 70er das damalige Schönheitsideal in den Superhelden wider, so hatten doch aber immer noch die normalen Gestalten ihren festen Sitz in den Heften und wurden meistens als ernsthafte Schurken dargestellt - geachtet und respektiert. Nicht wegzudenkende Gegner wie der Blob, der Maulwurf, Dr. Octopus, der Geier, der Sandman oder auch der Pinguin repräsentierten den nicht gerade supersportlichen und ahtletischen Menschentyp, der aber in der heutigen Zeit nicht einmal mehr als Bösewicht eine Überlebenschance hat. Selbst im Comic werden sie durch ein modernes zeitgemäßes Erscheinungsbild in ihrer ursprünglichen Form eliminiert. Auch hier spiegelt der Comic nur die Richtung innerhalb der sich verändernden Gesellschaft wider, wo dicke Menschen zunehmend pathologisiert werden. Bleibt dann nur die Frage, wann alte Leute, wie z.B. der Geier, im Comic der Euthanasie zum Opfer fallen. Daß der Geier, der sich gegen das Altsein gestellt hat und mit Hilfe seines Exoskeletts zu Kräften kam, die ihm ermöglichten, gegen den vorherrschenden Umgang mit alten Leuten zu rebellieren, als böse dargestellt wurde, wundert den Leser nicht, wenn man in der zweiten Geschichte dieses Heftes am Beispiel von Peter Parkers Tante May gezeigt bekommt, in welchen Rahmen sich der kritische Alte zu bewegen hat. Aber Tante May darf nun mal so sein, sonst wäre sie nicht Tante May.

Euer Marvel-Broker


Spider-Man 1
Autoren: Brian K. Vaughan, J. Michael Straczynski,
Bilder: Staz Johnson, John Romita Jr.
Panini, Stuttgart, Mai 2004
50 Seiten, farbig, Softcover-Album, Kleinformat, 3,65 Euro