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ANTIQUARIAT/050: "Clownfisch" von David Chauvel und Fred Simon (SB)


David Chauvel, Fred Simon


Clownfisch

Band 1 "Happy"



Henryetta, ein Kaff in Oklahoma in den 50er Jahren. Nach dem Tod seines Vaters macht sich Happy Wimbush auf den Weg nach Denver, Colorado, wo sein Bruder Chas lebt. Doch kaum in der großen Stadt angekommen, muß Happy mitansehen, wie Chas im Auftrag der Mafia kaltblütig einen Mord begeht. Schon bald gerät auch er in die Fänge des Syndikats ...

"Lieber Grandpa! Seit ich Henryetta verlassen habe, sind so viele seltsame Sachen passiert, daß ich gar nicht weiß, wo ich anfangen soll. Die Fahrt bis Oklahoma City war okay, außer, daß es irre heiß war und die neue Hose von Oma schauderhaft gekratzt hat. Die Stadt ist riesig, genau wie du gesagt hast. Mindestens zwanzigmal so groß wie Henryetta oder noch mehr ... Als wir nach Denver kamen, war es schon lange Nacht, und ich wurde langsam nervös. Ich fragte mich, ob Chas mich abholen käme und wie er nach all den Jahren aussehen würde ..."

In einem Brief an seinen Großvater schildert das "Landei" Happy Wimbush seinen Einstieg in die glitzernde Großstadtwelt von Denver, in die Chas ihn einführt. Happy ist beeindruckt: Sein Bruder fährt einen weißen Cadillac Eldorado - "das neueste Modell" - und sieht überhaupt aus wie ein Milliardär. "Ich wollte ihm von Dad erzählen, von der Farm und noch viel mehr, aber ich konnte nicht. Ich hatte einen dicken Kloß im Hals, und die Worte wollten nicht rauskommen. Irgendwie wußte ich, er würde das nicht mögen..." - Daß Chas hier ein anderes Leben führt als früher und mit seiner Vergangenheit nichts mehr zu tun haben will, kriegt Happy, obwohl er, wie er selber sagt, nicht der hellste ist, schnell mit.

Chas hat ihm ein Hotelzimmer besorgt, kommt aber nur kurz mit - "die Arbeit" ruft ihn fort. Doch Happy bleibt nur kurze Zeit allein, denn es klopft an der Zimmertür. Eine junge Frau, die sich als Sally vorstellt, kommt herein. Happy weiß nicht, was das bedeuten soll. "Der Chef schickt mich ... Zimmerservice, verstehst du?!" Doch Happy versteht überhaupt nichts, und blickt verwirrt auf den Joint, den Sally ihm "zur Entspannung" in die Hand drückt. Dann beginnt sie, sich auszuziehen ...

Sally kommt jedoch nicht mehr dazu, die nähere Bedeutung des "Zimmerservice" zu demonstrieren, denn mit einem lauten "Polizei! Keine Bewegung!!!" tritt ein Beamter die Tür ein, derselbe, der, wie der Leser weiß, vorher mit Sally zusammen war und die Ankunft von Chas und seinem Bruder heimlich beobachtet hat. Eine abgekartete Sache also? Nachdem er Sally hinausgeworfen hat, fängt er jedenfalls an, Happy auszuhorchen - was im übrigen nicht besonders schwierig ist, denn Happy ist mehr als naiv. Nachdem er sich seine Geschichte angehört hat, verabschiedet sich der Bulle ganz freundschaftlich: "Weißt du was, Kleiner? Für diesmal vergessen wir die Sache. Nach dieser Geschichte kann ich dich nicht in Handschellen abführen. Wir machen folgendes: Ich nehm dich nicht mit, und du erzählst deinem großen Bruder nichts, o.k.? ... Bis dann! Gib mir die Hand! Ich heiße Codikow, Aidan Codikow. Inspektor bei der Sittenpolizei von Denver."

Mit dieser Begegnung beginnt Happys Karriere als "Clownfisch". Nachdem er mitansehen mußte, wie sein Bruder kaltherzig einen Menschen umbrachte, was ihm überhaupt nichts auszumachen schien, und überhaupt reichlich tief in verschiedenste Arten von dunklen "Geschäften" verwickelt zu sein scheint, weiß Happy nicht mehr ein noch aus. "Ich war in einer komischen Lage. Mit dem Arsch zwischen zwei Stühlen gewissermaßen. Und das mußte aufhören. So oder so ..." Happy sucht Codikow auf. Sie treffen sich in einem Restaurant mit einem riesigen Aquarium, in dem neben vielen anderen auch bunte rotweiße Fische herumschwimmen. Codikow erklärt Happy, wie sie heißen: "Clownfische. Und das besondere an ihnen ist: Sie können durch Seeanemonen schwimmen, ohne gefressen zu werden. Die Anemonen haben Tentakel. Wirklich übel. Wenn du vorbeikommst, schnappen sie dich und lassen dich nicht mehr los. Und das gilt für alle kleinen Fische, bis auf Clownfische. Als ob sie immun wären." - "Und?!" - "Erinnert dich das nicht an was? oder an jemand? Du bist wie sie. Wo andere nicht hingehen können, ohne ihre Haut zu riskieren, kannst du dich frei bewegen. Kapiert?"

Ja, Happy hat kapiert. Und für's erste nichts verraten - jedenfalls nicht absichtlich. Doch Codikow ist nun auf seiner Fährte. Als Happy schon bald durch seinen Bruder beim "Paten" Ernesto Nicieza eingeführt wird, und sogar bei einem großen Coup mitmachen soll, steigert sich sein Unbehagen immer mehr ...


*


Mit diesem glänzend erzählten Serien-Auftakt gelang dem vielversprechenden Team David Chauvel und Fred Simon, die bereits mit den "Schienenmenschen" einen rundum gelungenen Comic-Thriller ablieferten, ein weiteres Highlight. Story und Gestaltung lassen keine Wünsche offen. Vor allem die bemerkenswert glaubwürdig dargestellten Personen sind es, die die Geschichte so lebendig machen. Der erste Band erschien 1998 bei Carlsen; ab 2002 wurde "Clownfish" bei Schreiber Lesen/Comic Kombinat fortgesetzt. Es lohnt sich, nach dieser sehr empfehlenswerten Serie Ausschau zu halten.

25. September 2007


Clownfisch (1) "Happy"
David Chauvel (Story), Fred Simon (Zeichnungen)
Carlsen Verlag, Hamburg, Juli 1998
48 S., Softcover, farbig
ISBN 3-551-73631-6