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ANTIQUARIAT/064: "Gaston - Gesammelte Katastrophen" (SB)


André Franquin


Gaston - Gesammelte Katastrophen (Band 19)



Fundstück für Sammler ...

Da "Gaston" nicht nur in Frankreich zahlreiche Fans hat, löste die Nachricht auch hierzulande Begeisterung aus: Mehrere Jahre nach Abschluß der 18bändigen Gaston-Gesamtausgabe sichtete Marsu Productions noch einmal das vorhandene Material und stellte fest, daß wider Erwarten doch noch genügend Stoff vorlag, um ein weiteres Album damit zu bestücken. Mit über 600.000 verkauften Exemplaren wurde "Gaston 19" zu einem der überragenden Bestseller des französischen Buchmarktes 1999.

Mit leichter Verspätung - eigentlich sollte es schon im November auf den Markt kommen - erschien das Album im Jahr 2001 auch bei uns. Als zusätzliches Extra enthält die limitierte Hardcover- Ausgabe dieses nunmehr unwiderruflich letzten Gaston-Bandes 16 zusätzliche Seiten mit Bleistiftskizzen von André Franquin, die in Frankreich nur in einer wesentlich teureren Luxus-Ausgabe erhältlich waren.


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Da es sich bei den in diesem Band enthaltenen Comic-Strips, Cartoons, Skizzen und Werbeillustrationen nun wirklich um die Reste des Materials handelt, bekommt der Leser nicht gerade die zeichnerischen und vor witzigen Ideen nur so sprühenden Highlights von André Franquin zu sehen - sondern eben den Bodensatz. So werden beispielsweise über sieben Seiten ziemlich alberne Werbe-Illustrationen abgebildet, die Franquin 1973 für eine Firma, die Batterien produzierte, anfertigte. In diesen Cartoons geht Gaston u.a. mit einem Rudel junger Batterien Gassi, spielt mit kichernden Batterien Verstecken oder beobachtet zusammen mit Fräulein Trudel, wie ein Schwarm Batterien gen Süden zieht. Davon abgesehen, daß man von Franquin einfach besseres gewohnt ist, zeigt sich an diesem Album aber auch, daß selbst Franquins "Bodensatz" noch mehr hergibt ist als das, was so mancher Zeichner zu seinen Glanzzeiten zustande brachte.

Keine Frage, für Sammler und Fans stellt "Gaston 19" einen Schatz dar, den sie ihren Archiven mit großer Freude einverleiben werden. Wer sich hingegen ohne Anspruch auf Vollständigkeit eines oder mehrere Alben mit dem wohl bekanntesten Bürogehilfen der Welt zulegen möchte, sollte lieber unter den anderen 18 Bänden der "Gesammelten Katastrophen" wählen.


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Von seinen Anfängen als namenlose Randfigur, die lediglich für einige Gags gut sein sollte, mauserte sich der Bürobote Gaston im Verlauf seiner mehr als 40jährigen Karriere zu einer der populärsten europäischen Comic-Figuren. Der verkannte Erfinder, schusselige Bürobote, tierliebende Idealist und Faulpelz aus Leidenschaft ist eine Schöpfung des verstorbenen André Franquin, der auch das berühmte Marsupilami erfand.

Anfang 1957 hatte Gaston seinen ersten Auftritt bei der Zeitschrift "Spirou". Eigentlich sollte er eine Art Lückenbüßer werden, eine Figur, die in keiner der laufenden Serien mitspielte, im Gegensatz zu den bekannten Schemata keine besonderen Eigenschaften aufwies, außer, daß es sich um einen Dummkopf handelte, und der noch dazu arbeitslos und weder schön noch stark war. André Franquin, der zu dieser Zeit sehr erfolgreich "Spirou und Fantasio" zeichnete, hatte die Idee und Chefredakteur Yvan Delporte war begeistert.

Am Anfang wußte Franquin selbst noch nicht, was aus der Figur werden sollte. So sah denn auch der Anfang von Gastons Karriere bei Spirou aus. Wochenlang kam er einfach nur in die Redaktion - und machte alle wahnsinnig neugierig. Die Zeichnungen waren stets von blauen Fußabdrücken umgeben, die binnen kurzem sein Markenzeichen wurden. Erst dreizehn Wochen nach seinem ersten Erscheinen erhielt er (übrigens in Anlehnung an einen Freund Delportes, dem auch immer recht viele Mißgeschicke passierten), seinen Namen und begann kurz darauf zu sprechen: "Wer bist du?" - "Gaston." - "Was machst du hier?" - "Ich warte." - "Worauf wartest du?" - "Ich weiß nicht, ich warte eben ..." - "Wer hat dich denn geschickt?" - "Man hat mir gesagt, ich soll hierherkommen." - "Wer denn?" - "Weiß ich nicht mehr ..." - "Und wozu?" - "Zum Arbeiten ..." - "Als was denn?" - "Weiß ich nicht, ich bin eingestellt worden ..." - "Und du bist ganz sicher, daß du hierherkommen solltest?" - "Tja ..."

Etwa zehn Monate nach der Einführung der Figur hatten Franquin und Delporte den Eindruck, daß nunmehr alle Möglichkeiten ausgeschöpft waren, die Gaston als Randfigur zur Belebung des Magazins bot. Da der sympathische Lebenskünstler den Lesern aber mittlerweile ans Herz gewachsen war, entschlossen sie sich dazu, ihn - entgegen der ursprünglichen Idee - doch in den Mittelpunkt einer eigenen Serie zu stellen. Franquin maß der Figur jedoch nach wie vor nicht allzuviel Bedeutung bei. Man begann bescheiden mit zwei Strips, die sich unten im Heft gegenüberstanden, eine Form, die etwa zwei Jahre lang beibehalten wurde, ehe 1959 eine halbe und ab 1966 wöchentlich eine ganze Seite erschien. Später bekam der verkannte Erfinder, der mit seiner liebenswürdigen Schusseligkeit die Leser mehr und mehr begeisterte, auch eine eigene Albenreihe.

Die Redaktionsräume in den Strips sind übrigens nicht, wie man wahrscheinlich vermuten würde, der echten Spirou-Redaktion nachempfunden, sondern reine Fiktion. Franquin, der zu jener Zeit selten in der Redaktion war, zeichnete alles bei sich zuhause aus dem Gefühl heraus. Auch die Angestellten sind, bis auf eine winzige Ausnahme, frei erfunden. Lediglich Demels Bart ähnelt dem eines Mitarbeiters aus der flämischen Redaktion von Spirou.

24. Dezember 2007


Gaston - Gesammelte Katastrophen (19)
von André Franquin
Carlsen Verlag, Hamburg, Februar 2001
48 S., farbig
Softcover ISBN 3-551-73179-9
Hardcover ISBN 3-551-71049-X