Schattenblick →INFOPOOL →BILDUNG UND KULTUR → COMIC

ANTIQUARIAT/070: "Akte X" (1) von Roy Thomas und John van Fleet (SB)


Roy Thomas, John van Fleet


Akte X

Band 1 "Gezeichnet"

nach dem Drehbuch zum Pilotfilm von Chris Carter


"Die Wahrheit liegt irgendwo da draußen" - bzw. für "Akte X"-Fans im Antiquariat ...

Im März 1997 erschien bei Feest Comics der vorher schon länger angekündigte erste Band einer an die US-Fernsehserie "AKTE X - Die unheimlichen Fälle des FBI" angelehnten Comicreihe. Band 1 mit dem Titel "Gezeichnet" entstand nach dem Pilotfilm der Serie. Der 46seitige Band kam seinerzeit zu einem Preis von 14,80 DM in den Handel.

Bei Comic-Versionen von Fernsehproduktionen gerät man häufig in ein Dilemma: Entweder man kennt die Serie und hat die Folge gesehen, dann erlebt man zumeist einen mehr oder weniger mageren und gekürzten Aufguß des schon Bekannten. Im anderen Fall, also, wenn man die Serie nicht kennt oder auch nur die betreffende Folge nicht gesehen hat, versteht man zumeist nur Bahnhof. Das Problem wurde in "Gezeichnet" recht gut gelöst: Das Album, das, wie schon erwähnt, eine Nacherzählung des Pilotfilms zur Serie beeinhaltet, ist inhaltlich sehr gut geraten, und das, obwohl es gar nicht so einfach ist, 50 actionreiche Filmminuten schlüssig und ohne Auslassungen adäquat auf den nicht einmal 50 Seiten eines Comic-Albums unterzubringen, zumal in diesem Fall sämtliche Handlungsträger vorgestellt und eingeführt werden mußten, und die besondere Qualität und Dichte des Pilotfilms ihren Niederschlag finden sollte.

Erwähnenswert ist auch die formale Gestaltung des Comics, bei dem man sich, wenn man die eher konventionelle Ausrichtung von Ehapa/Feest bedenkt, vor nunmehr elf Jahren schon fast auf Experimental-Gebiet gewagt hat. Dem Titelbild, auf dem Mulder und Scully - trotz gezückter Pistolen in trauter Zweisamkeit - Schulter an Schulter vor einer von unheimlichem Licht beleuchteten Waldlichtung kauern, sieht man das allerdings nicht an. Hier fallen einem als ungewöhnlich nur die Nasen der beiden Protagonisten auf, die, in zartem Rosé mit dezentem Glanzlicht gehalten, unwillkürlich die Assoziation an Säufernasen aufkommen lassen, ob man will oder nicht. Oder ist es nur die nächtliche Kälte, die die Nasen gefrieren läßt? ...

Schlägt man das Album dann auf, ist man zunächt vielleicht etwas irritiert - die Bilder auf der ersten Seite entsprechen vom Stil her eher farbigen Linol- oder Holzschnitten, denn einem Comic. Doch man gewöhnt sich schnell an diese Machart. Besonders prägnant ist hier, daß die comictypischen Umrißlinien zugunsten von geometrischer Flächigkeit stark reduziert wurden und fast nur zur Konturierung der Gesichter Verwendung fanden - wodurch diese eine besondere Einprägsamkeit erhalten, was eine gelungene Umsetzung der vielen bedeutungsvollen Nahaufnahmen im Film ist. Konsequent durchgehalten wie er ist, bietet dieser Zeichenstil eine akzeptable Lösung, zumal bei der Überarbeitung von Standbildern aus dem Film - denen man in der starken Verfremdung ihre Herkunft nicht mehr ansieht. Eine weitere Stärke: Die enorme Ähnlichkeit der Gesichter, bei denen auch der jeweils typische Ausdruck (fast immer) gut getroffen wurde.

Zum Inhalt nur soviel zur Erinnerung: Die ausgesprochen korrekte Agent Scully erhält den Auftrag, Agent Mulder, der wegen seiner unbequemen Vorliebe für die sogenannten X-AKTEN - die unerklärbaren Fälle des FBI - vielerorts Mißfallen erregt, zu "helfen", sprich, ihn zu überwachen und Berichte über seine Arbeit zu schreiben. So eine Art von Spitzeltätigkeit liegt Scully überhaupt nicht. Und da sie sich trotz ihres sprichwörtlichen Skeptizismus - alles muß für sie eine rationale, wissenschaftliche Erklärung haben - auch noch eine gute Portion Offenheit und gesunden Menschenverstand bewahrt hat, erkennt sie schnell, daß hinter "Spooky" Mulders Arbeit mehr steckt, als nur Spinnerei. Gemeinsam arbeiten sie an ihrem ersten Fall, der unerklärlichen Ermordung von einigen Jugendlichen, und vor allem Scully muß schnell erkennen, daß es einige überaus mächtige Instanzen geben muß, die alles daransetzen, bestimmte Fakten zu vertuschen ...

Alles in allem stellt "Gezeichnet" einen gelungenen Auftakt zu einer vielversprechenden Serie dar. Empfehlenswert für AKTE X-Nostalgiker, die sich auf diese Weise gerne noch einmal an Scullys und Mulders Anfänge erinnern möchten.

7. Februar 2008


Akte X Band 1 "Gezeichnet"
nach dem Drehbuch zum Pilotfilm von Chris Carter
von Roy Thomas und John van Fleet
Feest Comics, März 1997
46 Seiten, farbig, Kleinformat, Softcover
ISBN 3-89343-646-4