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FUNDGRUBE/106: Ein Strafzettel aus Entenhausen und anderes (SB)


Vermischte Fundstücke und Kuriositäten aus der Welt der Comics


Auf den Hund gekommen - Anekdote aus dem Leben eines
Comiczeichners

Dik Browne, der 1989 verstorbene Schöpfer des legendären "Hägar", zeichnete vorher schon eine andere, sehr populäre Serie, "Hi and Lois", die von den alltäglichen Erlebnissen einer amerikanischen Vorstadtfamilie handelt. Diese Serie stellte er in Zusammenarbeit mit dem bekannten Zeichner und Autor Mort Walker her, der die Texte schrieb, zugleich stets jedoch auch Skizzen zu seinen Ideen beisteuerte. Die beiden verfuhren eine Zeitlang so, daß Mort Walker seine Beiträge per Post an Dik Brownes Studio schickte, der dann aus den Vorschlägen den endgültigen Comic strip herstellte. Eines Morgens fingen Dik Brownes Söhne Bob und Chris besagten Umschlag vor dem Eintreffen des Vaters ab und machten sich an den Skizzen zu schaffen. Sie änderten das Gesicht des Familienvaters Hi von Bild zu Bild immer weiter ab, bis es nach und nach zu einem Hundegesicht wurde. Im letzten Bild hatte Hi lange Schlabberohren, eine dicke schwarze Nase und sagte "Wau, wau!". Dazu fälschten sie eine Notiz, in der in täuschend ähnlich nachgemachter Handschrift zu lesen stand:

Lieber Dik, ich habe mich ein bißchen mit den neuesten Comic-Entwicklungen beschäftigt. Dabei ist mir aufgefallen, daß Hunde-Comics immer mehr an Popularität gewinnen. ich habe mir gedacht, wir sollten das ausnutzen und die ganze Familie "Hi und Lois" in Hunde verwandeln. Was meinst Du dazu? Herzlichst, Mort.

Es muß wirklich komisch gewesen sein, Dik Browne dabei zu beobachten, wie er den Umschlag öffnete, den Inhalt durchsah, innehielt, die Blätter wieder zur Hand nahm und las, nachdachte, den Telefonhörer abhob um Mort Walker anzurufen, wieder innehielt, den Brief noch einmal durchlas, ein weiteres Mal den Hörer abhob, wieder überlegte ... bis seine Söhne sich schließlich durch ihr schallendes Lachen verrieten.

Glücklicherweise verfügte Dik Browne, der für seine Leichtgläubigkeit bekannt war und von daher schon öfter zum Opfer ähnlich gearteter Scherze seiner Söhne geworden war, nicht nur auf dem Zeichenpapier über einen ausgeprägten Sinn für Humor ...


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Ein Strafzettel aus Entenhausen und seine Folgen ...

VERWARNUNG

Sie haben gegen Paragraph 234/6 Absatz 12C der StVO verstoßen. Gemäß Artikel 4-B/1 der allgemeinen Verkehrsgesetzgebung sind wir daher verpflichtet, die von Ihnen begangene Ordnungswidrigkeit nach Paragraph 318-2A im Sinne des allgemeinen Interesses und des für Sie zuständigen Amtes für Öffentliche Unordnung der Stadt Entenhausen zivilrechtlich zu verfolgen und im Rahmen der gültigen Richtlinie 67-2/5 zu ahnden.

Diesen "Strafzettel" gab eines Tages ein wütender Toyota-Fahrer auf einer Polizeiwache in Rostock ab - zusammen mit seinem Führerschein, denn neben der Zahlung eines Verwarnungsgeldes von DM 60,- war der Fahrzeughalter aufgefordert worden, seinen Führerschein vorübergehend bei der nächsten Dienststelle abzugeben.

Das Formular des "Amtes für Öffentliche Unordnung" der Stadt Entenhausen trug einen Stempel mit Micky-Maus-Kopf und der Aufschrift "Amtlicher Scherz-Zettel" - mehr kann man eigentlich nicht tun, um das ganze als Ulk kenntlich zu machen. Der (nie ermittelte) Urheber hat wahrscheinlich auch kaum damit gerechnet, daß sich sein Lausbubenstreich zu einem "echten" Fall entwickeln würde. Hoffentlich verfährt Kommissar Hunter nicht allzu streng mit dem Täter ...

Natürlich bekam der Autofahrer (der "vergessen" hatte, auf einem Parkplatz einen Parkschein zu lösen), seinen Führerschein umgehend zurückerstattet. Seinen nächsten Strafzettel wird er wahrscheinlich erst einmal aufmerksam durchlesen, bevor er damit auf der Polizeiwache erscheint. Denn, so kann man wohl in diesem Fall sagen, auch wer den Schaden nicht hatte, braucht für den Spott nicht zu sorgen.


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Unbeabsichtigte Folgen einer Persiflage ...

So kann's kommen: Das genaue Gegenteil seiner Absichten erreichte Manfred Schmidt mit seiner Detektivserie "Nick Knatterton", die er im Jahr 1950 schuf. Denn eigentlich wollte er mit der nur als kurzfristige Einlage geplanten Kunstfigur ("Der Humor-Redakteur gab dieser Ausgeburt meiner Phantasie eine Lebensdauer von acht Wochen, was ich für übertrieben hielt.") seine Abneigung gegen die "Blasenliteratur", wie er sie verächtlich nannte, zum Ausdruck bringen.

Wie es zur Entstehung des "deutschen Sherlock Holmes" kam, schildert Manfred Schmidt folgendermaßen:

Der Zufall ließ mir kurz nach dem Kriege ein buntes, aus den USA importiertes Heftchen mit dem Titel "Superman" in die Hände fallen. Das war eine Bildergeschichte, wo den handelnden Personen textgefüllte Blasen aus Mund, Nase, Ohren oder Stirn quollen, je nachdem, ob sie etwas sagten, hörten, rochen oder gar dachten. Spiralen um den Kopf deuteten schwindendes Bewußtsein an, Sternchen einen vorangegangenen Schlag aufs Kinn oder andere empfindliche Körperstellen. Ein Handlungsablauf, der in einem Roman viele Seiten füllen würde, war hier auf ein einziges kleines Bild komprimiert, so erzielte man eine fast 95prozentige Lesezeitersparnis. Ich nahm mir vor, diese primitivste aller Erzählformen so gründlich zu parodieren, daß den Leuten die Lust an der blasenreichen, auf Analphabeten zugeschnittenen Stumpfsinnsliteratur verging. Von "Superman" befruchtet kam ich in einer stürmischen Herbstnacht des Jahres 1950 und Rotwein-Anästhesie ziemlich schmerzfrei mit dem spitzköpfigen Meisterdetektiv Nick Knatterton nieder. "

(Comics und Film, Ullstein Verlag 1988)

Manfred Schmidt kam buchstäblich vom Regen in die Traufe, denn aus den zunächst für übertrieben gehaltenen acht Wochen wurden zehn Jahre. Schmidt war nun selbst zu einem ausgesprochen erfolgreichen Vertreter dieses von ihm so verachteten Genres geworden, nach dessen zeichnerischen Ergüssen die Leser der "Quick" Woche für Woche hartnäckig verlangten. Besonders gut gefiel, daß seine Parodie auf Comic und Krimi gleichzeitig eine Satire auf die Realität war, denn vieles von dem, was der Meisterdetektiv bei der Aufklärung seiner Fälle erlebte, fanden die Leser auf den redaktionellen Seiten ihres Blattes wieder. Ein regelrechter Nick-Knatterton-Boom setzte ein, der in Kartenspielen, Puppen, Masken, Malbüchern und verschiedenen weiteren Artikeln seinen Niederschlag fand. Neben einem abendfüllenden Spielfilm ("Der Raub der Gloria Nylon"), der auf dem Höhepunkt des Erfolges der Serie gedreht wurde, entstand in den 70er Jahren auch eine Reihe von Zeichentrickfilmen für das Fernsehen.

8. August 2007