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MARVEL-BROKER/032: Justice Society of America - Kingdom Come II (SB)


Die Gerechtigkeitsgesellschaft im Mahlstrom der Zeit




"Während der Tage des 2. Weltkrieges schloss sich eine Gruppe kostümierter Mystery Men zusammen, um das erste und größte Superheldenteam aller Zeiten zu bilden. Nun wurde eine neue Generation von Helden geboren, die Seite an Seite mit den verbliebenen Ur-Mitgliedern kämpft, um das Vermächtnis ihrer Vorgänger fortzuführen und andere Helden überall auf der Welt zu inspirieren. Heute lebt die JUSTICE SOCIETY OF AMERICA wieder!"
(Justice Society of America: Kingdom Come II, S. 2)

Die beiden Gründungsmitglieder Green Lantern (Name seiner bürgerlichen Existenz: Alan Scott) und Flash (Jay Garrick) der ersten Justice Society of America (JSA) sowie Wildcat (Ted Grant), ein weiterer Repräsentant der ersten Stunde, sind fest entschlossen, die Gerechtigkeitsgesellschaft von Amerika zu neuem Ruhm und Ansehen zu verhelfen, und rekrutieren andere Helden wie Damage, Cyclone und Starman aus dem 31. Jahrhundert. Gleichzeitig will sich die JSA verjüngen und die Verantwortung für die Ausbildung des Superheldennachwuchses übernehmen. Doch während des Castings bekommt das Heldenteam unerwarteten Besuch von der Parallel-Erde-22, obwohl das Multiversum ja eigentlich schon vor langer Zeit zerstört wurde: Superman aus Kingdom Come! Und mit ihm kommen die Probleme ...

Doch neben den Problemen, die sowohl in der hier beschriebenen, aktuellen Ausgabe wie in den Folgeheften aufkommen werden, gibt es noch die alten, chronischen Probleme, mit denen sich der geneigte Leser konfrontiert sieht und die sich leider wie ein roter Faden durch die über 70jährige Geschichte der DC Comics ziehen. Das Gefüge des DC Universums erweist sich als ein heilloses Durcheinander und verläuft nach wie vor chaotisch, obwohl im Laufe der Zeit schon viele Versuche unternommen wurden, halbwegs übersichtliche Strukturen zu schaffen. Doch liefen die Bemühungen stets nach dem gleichen Muster ab, was bedeutete, daß der DC Verlag eher seine wirtschaftlichen und finanziellen Strukturen geordnet wissen wollte, als den Leserinnen und Lesern eine Kosmologie zu vermitteln, in der sich sowohl der unbeleckte Comic-Neuling als auch der eingefleischte Altleser gleichermaßen zurechtfindet.

Das Verkaufskonzept der vielen Crossover-Geschichten und Spin-off-Serien, so miteinander vernetzt und verwoben, daß man eigentlich kein einziges Heft aus dem DC-Superhelden-Genre verpassen darf, um zumindest ansatzweise durch das Dickicht einer Storyline namens "Infinite Crisis" zu kommen, diente einzig dem Zweck, den Comic-Freunden ungeniert in die Geldbörse zu greifen. Deshalb lag es auch gar nicht in der Absicht von DC, an dieser Konzeption wirklich etwas zu ändern, denn die Leserschaft sollte langfristig und eng an den Verlag gebunden werden. Je mehr Hefte über die verschiedenen Serien verteilt gelesen werden müssen, desto profitabler scheint das Geschäft für die DC-Macher. Daß die Leser womöglich in spannenden Erzählungen mit den Superhelden auf Reise gehen und mit ihnen Seite an Seite ihre Abenteuer bestehen wollen, ohne sich im Chaos zu verlieren und am Ende auch noch für die Zeche aufkommen zu müssen, ordnet sich dem Primäranliegen des Verlags selbstverständlich nach ...

Damit sich der interessierte Leser nicht notgedrungen durch alle Heft-Serien durcharbeiten muß, bevor er nur einen ersten Überblick über die Justice Society of America innerhalb des DC Universums bekommt, sondern sich ganz seinen Lieblingshelden widmen kann, wird ihm an dieser Stelle die Arbeit abgenommen. Im Folgenden wird ein kurzer Abriß der Geschichte der JSA im Kontext zur langjährigen Entwicklung von DC Comics aufgezeigt, der für ein erstes, allgemeines Verständnis empfehlenswert ist.

Geschichtlicher Abriß der Justice Society of America

Kehren wir also nicht nur für den Neueinsteiger, der das Licht im DC Universum (DCU) das erste Mal erblickt, zu den Anfängen des "Goldenen Zeitalters" der US-amerikanischen Comics zurück, welches von DC Comics, einem der heute größten Comicverlage der USA mit Sitz in New York, eingeleitet wurde. Die Initialen DC stammen von einer der ersten Serien, den Detective Comics, ab, die seit 1937 bis zum heutigen Tage erscheinen und in der auch Batman 1939 erstmals auftrat. Ende der 30er, Anfang der 40er Jahre erzielte der Verlag als erster mit den "Mystery Men", wie damals die Superhelden noch hießen - als da waren Superman, Batman, Flash, Green Lantern, Wonder Woman und das erste Superhelden-Team, die Justice Society of America -, große Erfolge.

Die Gründung der JSA aus der Feder der Comicautoren Gardner Fox und Sheldon Mayer erschien im Winter 1940 in `All Star Comics #3' und war der erste Entwurf eines "Superteams", das den Beginn des "DC Universums der Superhelden" markierte. Bis zum heutigen Tag bildet es die Grundlage des Superhelden-Genres. Bis zur Entstehung der Justice Society agierten die einzelnen DC-Helden unabhängig voneinander jeweils in ihrer eigenen Welt, doch die Gründung der JSA bedurfte der Schöpfung eines gemeinsamen fiktiven Universums, in dem sämtliche Helden von DC Comics ihre Heimat besaßen, das DC Universum.

Noch vor dem Eintritt der USA in den Zweiten Weltkrieg und auch während seines Verlaufs wurden viele Superhelden, wie zum Beispiel auch Superman selbst, für die amerikanische Propaganda eingespannt. So kämpften einige der ersten Mystery Men im Auftrag von Präsident Franklin Delano Roosevelt, um die Invasion der britischen Inseln durch die Nazis zu verhindern, um damit letztendlich auch Amerika zu schützen.

Nach erfolgreichem Abschluß ihrer Mission trafen sich - im `All-Star Comics #3' beschrieben - einige der Superhelden, darunter Green Lantern, Flash, Hawkman, Atom, Doctor Fate, Sandman, Spectre und Hourman (wobei nur die ersten drei noch existieren) in ihrem Clubraum und gründeten die Justice Society of America, um gemeinsam das Verbrechen effektiver bekämpfen zu können. Im Laufe der Zeit bekamen sie immer mehr Mitglieder, darunter die zeitreisende Wonder Woman, Wildcat, Starman und Black Canary. Superman und Batman blieben ehrenamtliche Mitglieder, da aufgrund einer DC-internen Verordnung nur Helden zum Vollmitglied werden durften, denen noch keine eigene Comicserie gewidmet war. Dadurch wollte man ihre Publicity wahren. Auch an ihren Gegnern wuchs die JSA und wurde populär, denn zu den gefährlichsten Widersachern jener Zeit gehörten Ian Karkull, der Ultra-Humanite, Brainwave und der unsterbliche Vandal Savage - der auch in der Gegenwart wieder eine wichtige Rolle spielt.

Nach gut einem Jahrzehnt verlor sich das Interesse an Superhelden dramatisch, deutlich abzulesen an den rückläufigen Verkaufszahlen, und so wandte sich der Verlag in den 50er Jahren anderen Comicbereichen zu. Die JSA verlor immer mehr an Präsenz, Flash alias Jay Garrick erschien 1949 zum letzten Mal, und bis zum Jahr 1955 wurden bei DC die meisten Superhelden-Serien wieder eingestellt. Nur die populärsten Figuren wie Superman, Batman und Wonder Woman - die erste Superheldin, 1941 in `All-Star Comics #8' eingeführt und 1942 mit einer eigenen Serie gestartet -, überstanden diese Zeit erfolgreich.

Mit dem Titel `Showcase #4' vom Oktober 1956 war es wieder Gardner Fox, der den Golden-Age-Helden zur Wiederauferstehung verhalf und sie diesmal zeitgemäßer und science-fiction-orientierter gestaltete. Als erstes schickte DC die Figur des Flash ins Rennen, "modernisierte" ihn, indem der Charakter, das gesamte Umfeld, ebenso wie seine Herkunft verändert wurde, so daß er abgesehen von dem Namen keine Gemeinsamkeit mehr mit dem Original besaß. Nun verkörperte nicht mehr Jay Garrick, der erste Flash, sondern Barry Allen die neue und bis heute populäre Version des "Roten Blitz". Der Erfolg bestätigte Fox' neues Konzept und läutete damit das "Silberne Zeitalter der Comics" ein, welches sich von den späten 50ern bis Anfang der 70er Jahre erstreckte. Als nächstes wurde der ebenfalls neue Green Lantern (Hal Jordan) in `Showcase' vorgestellt; nach und nach folgten weitere Neu-Versionen von Hawkman, Atom und anderen Helden.

Da sich die Superhelden wieder im Aufwind befanden, belebte Gardner Fox 1960 im Comic `The Brave and the Bold #28' auch die Justice Society of America neu, nur in einer moderneren Form. Er stattete das Team mit jüngeren Versionen der JSA-Mitglieder aus, fügte ein paar Superhelden hinzu und gab ihm den Namen "Justice League of America" (JLA).

Vielleicht ging es ja auf Fox' Idee der parallelen Erden zurück, jedenfalls führte der DC Verlag im September 1961 in `Flash #123', das den Titel "Flash of Two Worlds" trug, das Konzept des Multiversums ein. Darin trafen zwei Generationen, der damals aktuelle Barry-Allen-Flash aus den 50ern von Erde-1 und Jay Garrick, der Flash der 40er Jahre von Erde-2, aufeinander. Auf Erde-1 waren die ganzen Neu-Interpretationen der Superhelden beheimatet, wie zum Beispiel die neue JLA, während die ersten, die "echten" Superhelden wie die der JSA, auf Erde-2 verfrachtet wurden. Flash, der erste Superheld, von dem es zwei unterschiedliche Versionen gab, war nicht nur maßgeblich an der Entstehung des Multiversums beteiligt, er spielte auch bei dessen Ende in der Miniserie "Crisis of Infinite Earths" - Krise der unendlich vielen beziehungsweise parallelen Erden - eine wesentliche Rolle. Dabei verstarb auch der Barry-Allen-Flash.

Der Erfolg bestätigte die Konzeption der parallelen Erden, und so wurden munter drauf los neue Welten erschaffen, denn immer wenn in einer Geschichte etwas vorkam, was mit den allgemein bekannten Eigenschaften und der Hintergrundgeschichte eines Superhelden nicht zusammenpaßte, mußte eine Parallel-Erde als Erklärung herhalten. Auf diese Weise entstanden laufend weitere Versionen verschiedener Erden und Planeten.

Auf einigen lebten Superhelden, die es auf den anderen Erden nicht gab, oder es traten auf den verschiedenen Erden unterschiedliche Versionen bestimmter Superhelden auf, die sich in ihrem Charakter, einigen ihrer Fähigkeiten, von ihrer Herkunft her oder einfach auch im Aussehen ihres Kostüms unterschieden. Das Multiversum wucherte in einem nicht mehr überschaubaren Ausmaß, und es entstanden mit der Zeit immer mehr parallele Welten, als da waren Erde-1, Erde-2, Erde-3, Erde-S und noch einige mehr. Zum Beispiel waren auf Erde-3 in einem Spiegeluniversum die Rollen der Helden und Schurken vertauscht, und Lex Luthor war ein aufrechter Kämpfer wider das Verbrechen. Erde-2 verkam später offenbar zu einem Experimentierplaneten, auf dem sich die Autoren nach Herzenslust austoben durften. Das Konzept der verschiedenen Erden war nicht nur für Neueinsteiger und DC-Laien verwirrend und schwer nachvollziehbar, auch mancher Altleser gewann den Eindruck, daß die DC-Macher selbst den Überblick verloren hatten.

In den 70ern und frühen 80ern vermochte DC nicht mehr genügend Leser langfristig an sich zu binden, so daß der Verlag seine marktführende Position an seinen Konkurrenten Marvel Comics verlor. Der feierte mit mutigen und "wirklichkeitsnahen" Superhelden-Konzepten wie die Spinne, Wolverine und den X-Men große Erfolge. Doch dann kam die Crisis ...

Die "Crisis on Infinite Earths", eine 12-teilige Serie, 1985/1986 anläßlich des fünfzigjährigen Bestehens von DC Comics einmal pro Monat herausgegeben, wurde ein großer künstlerischer wie auch finanzieller Erfolg. In dieser Jubiläums-Serie ergriffen Marv Wolfman (Autor) und George Pérez (Autor und Zeichner) die Chance, die unüberschaubaren Verhältnisse des DC Universums zu vereinfachen, neu zu strukturieren und das Multiversum auf ein konstantes Universum ohne parallele Welten zu reduzieren. Dem Kahlschlag des Multiversums auf einen einzigen Stamm fielen zahlreiche Welten und verschiedenste Versionen der Superhelden zum Opfer und zwar nicht nur unbedeutende Charaktere, sondern auch Stars wie Supergirl oder Flash. Der von DC erwünschte Neustart all seiner Serien sollte den angeschlagenen Verlag wieder aus seiner ungünstigen Marktposition herausführen. Die Strategie ging zunächst auf, denn das neue DC Universum wurde für die Neuleser nachvollziehbar, was sich in steigenden Verkaufszahlen niederschlug.

Der Krise der parallelen Welten folgte die Geschichte des neuen Universums, die in `History of the DC Universe #1-2' erzählt wird. Wie im "wirklichen" Leben schrieben einmal mehr die Sieger die Geschichte, das heißt in diesem Fall die Autoren, die schon zuvor ihr Konzept erfolgreich bei DC Comics durchgesetzt hatten. Sie durften ihre Neu-Interpretation der Handlung verfassen, so daß die bekannten Entstehungsgeschichten der Helden aus den einzelnen Serien ein weiteres Mal überholt wurden. Damit tauchten die Probleme, die das Konzept des Multiversums mit sich brachte, früher oder später wieder auf: Im neuen Universum war Clark Kent noch immer Superman, doch im Unterschied zu vorher war er nie Superboy gewesen, denn dieser sollte erst später als selbständige Figur erschaffen werden.

Die geplante Vereinfachung und Neustrukturierung fand also nicht wirklich statt, und so nahm das Unglück seinen Lauf. Nun wurden Geschichten erzählt, die vor, und welche, die nach der Crisis spielten. Die Ereignisse und Lebensläufe der Helden vor der "Krise der Parallelen-Erden" erhielten häufig den Zusatz Pre-Crisis, während die danach mit dem Zusatz Post-Crisis versehen wurden. Dadurch fungierte die "Crisis on Infinite Earths" als Demarkationslinie zwischen Pre- und Post-Crisis-Versionen vieler Superhelden, womit das Multiversum durch die Hintertür wieder eingeführt wurde.

Um die verschiedenen Probleme in der Kontinuität des DC Universums und die weiterhin bestehenden Widersprüche und Unzulänglichkeiten, die sich aus der Crisis ergaben, zu egalisieren, erschien im Jahre 1994 die Miniserie "Zero Hour: Crisis in Time" als kurze Fortsetzung der ersten Crisis. Abermals wurde mit dem eisernen Besen gekehrt, viele Charaktere getötet, ältere Serien eingestellt und neue aus der Taufe gehoben. Doch konnte auch "Zero Hour" den Anspruch auf eine vollständige Neustrukturierung und Kontinuität im DCU nicht gerecht werden und erwies sich letztendlich doch nur als Provisorium. Die Justice Society of America fristete ein Schattendasein und konnte aus diesem erst im Jahre 1999 in einem relativ erfolgreichen Relaunch heraustreten.

Schließlich erschien im Jahre 2005 auf dem US-Markt die 7-teilige Miniserie "Identity Crisis", jene Geschichte um den Mord an Sue Dibny, der schwangeren Ehefrau von Elastoman. Sie war brutal ermordet worden, und lange standen die Helden der Justice League of America vor der Frage, wer der Mörder sei. Dessen Identität wurde gelüftet, wie auch viele Geheimnisse aus der Vergangenheit, die die Sprengkraft besaßen, das DC Universum aus den Angeln zu heben (siehe MARVEL-BROKER/016, /025, /029).

Die "Identitäts-Krise" bildete also nur den Grundstein für ein Großreinemachen im DCU, das in dem Mega-Event "Infinite Crisis" seinen vorläufigen Höhepunkt finden sollte. Das heißt, gut zwanzig Jahre nach der allerersten Krise, der "Crisis on Infinite Earths", die eine Krise für die unendlich vielen Erden war, kommen jetzt unendlich viele Krisen auf die eine, übriggebliebene Erde zu.

Erneut hört das bekannte Universum von DC auf zu existieren und abermals tritt eine neue Welt an dessen Stelle. Nochmals haben fast alle Figuren der vergangenen Zeit sowie die der aktuellen Serien ihren Auftritt - für manche ist es der letzte. Die verschiedenen Zeitlinien werden nachhaltig verändert, die Serien und ihre Wirklichkeiten zum x-ten Male neu geregelt, viele Charaktere anders interpretiert. Das gleiche alte Spiel, nur mit frisch gezinkten Karten beginnt in einer endlosen Schleife von vorne, und die Autoren eröffnen die nächste Erzählrunde ...

Gegenwärtiger Neuanfang

Nach der Infinite Crisis kommen wir in das Jahr 2007, in dem am 18. Oktober DC Comics mit dem ersten Sonderband, "Eine neue Ära", abermals eine Neuformation der JSA vollzieht. Die ältesten Mitglieder Green Lantern (Alan Scott) und Flash (Jay Garrick), sowie Wildcat (Ted Grant) können einige neue "Erbhelden" für ihre Reihen gewinnen, denn die JSA ist in ihren Aufnahmebedingungen sehr traditionell und akzeptiert nur Mitglieder mit Verbindung zu alten Mitgliedern der Justice Society.

Der Stammkader der neuen Gerechtigkeitsgesellschaft setzt sich aus weniger bekannten, aber dennoch etablierten Helden zusammen. Neben den oben genannten drei alten Herren zählen jetzt Power Girl Kara (Kara Zor-L., Überlebende von Krypton eines Paralleluniversums), Mr. Terrific (Michael Holt), Stargirl (Courtney Whitmore), Obsidian (Todd Rice), Dr. Mid-Nite (Dr. Pieter Cross), Liberty Belle (Jesse Chambers) und ihr Ehemann Hourman (Rick Tyler) zur neuen JSA. Sie beginnen, zusätzliche Rekruten aufzunehmen, darunter Damage, ein neuer Starman aus dem 31. Jahrhundert und Cyclone, eine junge Frau namens Maxine Hunkel, Enkelin der ersten Red Tornado, sowie Wildcats Sohn Tommy Bronson. Das bedeutet, daß fast jedes Mitglied eine Verbindung zu den Superhelden des ersten Teams aus dem Jahre 1940 besitzt.

Auch die Schurken passen in das Konzept der traditionellen Verbindungen, und so wundert es nicht, daß sich die frisch gebackenen Mitglieder unter anderem im Kampf gegen einen Ur-Gegner der JSA behaupten müssen. Der unsterbliche Vandal Savage hat die Söldnertruppe "Das vierte Reich" - fünf Superschurken, die Namen tragen wie "Captain Nazi" und "Reichsmark" - engagiert und die Familien der Helden aus der Zeit des Zweiten Weltkriegs angegriffen, um deren Blutslinien und letztendlich auch die JSA selbst auszulöschen. In Folge dessen stoßen Citizen Steel (Nathan Heywood), Enkel des Weltkriegshelden Commander Steel, und auch Hawkman zur Justice Society.

Der erste Band widmet sich in erster Linie der Präsentation des Stammkaders. Neue Mitglieder werden, oft beleuchtet unter dem Aspekt der Belastungsanforderung, im Rahmen einer kämpferischen Auseinandersetzung eingeführt. Anders gesagt: während einer platten Hauerei. Doch kommen wir endlich ins Jahr 2008 und zu dem vorliegenden `Justice Society of America, Sonderband 02', der den Titel "Kingdom Come II" trägt. Die Ausgabe enthält den Auftakt und die ersten drei Teile von "Dein Königreich komme" (Thy Kingdom Come), eine Fortsetzung des Comic-Klassikers DC Ultimate Edition: Kingdom Come!

Auch in der aktuellen Ausgabe geht das Casting in die nächste Runde, und es wird wieder eine Vielzahl neuer Kandidaten vor- und eingestellt. Die Gerechtigkeitsgesellschaft wird als eine große Familie präsentiert, die sich berufen fühlt, viele ihrer Kinder und Enkel zu inspirieren, damit sie in die Fußstapfen ihrer Vorfahren treten. Neben der aufreibenden Tätigkeit als Held darf die Familie nicht zu kurz kommen. In Brooklyn findet ein großes öffentliches Zusammentreffen aller JSA-Mitglieder und ihrer Angehörigen statt, um dergestalt zu demonstrieren, das der Familie als Eckpfeiler der amerikanischen Gesellschaft ein hoher Wert zukommt, für den man sich im Kampf um eine gerechtere Welt einsetzt.

Zudem fehlt in der aktuellen Ausgabe nicht der Versuch zu beschreiben, daß die kleinen zwischenmenschlichen Probleme nicht weniger wichtig sind als die großen weltbewegenden. So rettet der Superman von Erde-22 eine lebensmüde Teenagerin vor dem Selbstmord und sagt zu ihr, die in seinen muskelbepackten Armen zu versinken scheint: "Aufgeben hilft niemandem, Miss, glauben Sie mir." Auch wenn das Leben einen "Riß" hat, wie vielleicht bei diesem 15jährigen Mädchen oder auch bei Superhelden wie Damage, lautet die zentrale Botschaft dieses Albums: "... nur weil etwas einen Riss hat, muß man es nicht wegwerfen." (S. 44)

Handelt es sich hier um eine bewußte Abkehr vom Klischee jenes Amerikaners, für den es nur Sieger und Verlierer gibt, hin zu mehr gegenseitiger Achtung und Menschlichkeit? Aus der Botschaft des Albums ließe sich dann womöglich der Wunsch zu einem vorsichtigeren Umgang des Menschen mit dem anderen herleiten, wobei der Widerspruch zwischen dem angestrebten Ideal der Vollkommenheit des Übermenschen und dem vermeintlich Schadhaften des Menschen, ins Bild gebracht durch den Begriff des Risses, nicht verschleiert, sondern sogar hervorgehoben würde. Erst wenn dann immer noch der Mensch den Menschen, ob Sieger oder Verlierer, ohne Wenn und Aber begegnen kann, könnte man von einer Abkehr früherer Werte sprechen.

Doch die wird nicht vollzogen. Eine Abkehr von den durch häufige Wiederholung schon lange überstrapazierten und sich deswegen allzu leicht ins genaue Gegenteil der intendierten Absicht verkehrenden Feindbildern wie dem der dumpfen Nazischläger mit ihrem blonden Anführer Captain Nazi oder der bösen Japaner, die in Form von Superschurken der Yakuza, aber gekleidet wie traditionelle Samurai, auftreten, und ebenfalls mit simplifizierenden Namen (Kamikaze, Seppuku, Kung und Samurai) versehen wurden, findet nicht statt. Von einem tatsächlichen Neuanfang der JSA kann nicht die Rede sein.

Vielmehr liefert der krampfhaft wirkende Versuch, eine Brücke zurück zu den Anfängen der JSA zu schlagen, um ausgerechnet auf eine Tradition aufzusetzen, die im Zweiten Weltkrieg wurzelt, den schalen Beigeschmack, daß die Autoren über siebzig Jahre Zeitgeschichte verpaßt haben und auf dem Stand von einst, als die Kriegspropaganda gegriffen hat, stehengeblieben sind. Oder sollten die Leserinnen und Leser etwa zu dem Schluß gelangen, daß sich die Zeiten nicht wirklich geändert haben und sie sich noch immer inmitten einer Auseinandersetzung befinden, die nicht auf der Ebene des Militärischen, wohl aber auf der des Kulturellen ausgetragen wird und sich folglich die Propaganda nur in ein zeitgemäßes Gewand gekleidet hat? Corporal Lance Reid, einer der neuen Rekruten der JSA, und Soldat in Afghanistan, also einer von den "Guten", wird dazu wohl seine eigene Meinung haben - die dürfte letzteres bestätigen, wie im vorliegenden Comic nachzulesen ist.

Wie dem auch sei. Dem nach knallharten marktwirtschaftlichen Kriterien arbeitenden Comicverlag fällt anscheinend nicht anderes ein, als auf längst vergangene Ereignisse zurückzugreifen und diese neu zu interpretieren. So dreht sich das Karussell weiter und weiter, eine Krise folgt der nächsten. Dabei halten die DC-Autoren offensichtlich an einem dauerhaft fest, nämlich an dem zu hinterfragenden Glauben, daß die erzählerischen Möglichkeiten mehrerer Welten größer sind als die innerhalb eines abgeschlossenen Universums. In diesem Fall bedeutet das - abgesehen vom Auftritt eines Supermans von Erde-22 -, daß die altbekannten Probleme des Multiversums ihre Schatten vorauswerfen: Ma(?) ... gog.

Euer Marvel-Broker


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Justice Society of America 02: Kingdom come II
Inhalt: JUSTICE SOCIETY OF AMERICA #7-12
PANINI Verlags GmbH
Story: Geoff Johns & Alex Ross
Autor: Geoff Johns
Zeichner: Dale Eaglesham, Fernando Pasarin
Titelbild: Alex Ross
Format: 144 Seiten, farbig, Sonderband, Softcover
Erscheinungstermin: Okt. 2008
Preis: 16,95 Euro


19. November 2008