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THEORIE/008: Teams - Zusammenarbeit in der Comic-Herstellung


Comic-Teams


Weitaus häufiger als von einer Person alleine werden Comics im Team hergestellt, wobei es verschiedene Formen der Zusammenarbeit gibt. Die in Europa wohl verbreitetste und erfolgreichste Form von Teamwork bei der Gestaltung eines Comics ist das Zweierteam aus Zeichner und Texter. Dieses Zweiergespann wird oftmals durch einen Koloristen und/oder einen Letterer (schreibt die Texte in die Sprechblasen) ergänzt, die aber bei der eigentlichen Entstehung des Comics nicht maßgeblich beteiligt sind. Zeichner und Texter bilden das Kernteam, das Ideen und Stories ausheckt und während der Entstehungsphasen den Comic in ständiger Zusammenarbeit und Rücksprache verändert, verbessert und korrigiert.

In Amerika und Japan finden sich häufig größere Teams, die die Arbeit in zahlreichen Einzelschritten unter sich aufgeteilt haben. Verlage, die wöchentlich erscheinende Heftchen-Comics herausbringen, haben zu dieser Produktionsform gefunden, weil sie sonst ihr Pensum nicht bewältigen können.


Zusammenarbeit von Zeichner und Texter

Ein erfolgreicher Texter arbeitet in der Regel mit mehreren Zeichnern zusammen, denn sein Zeitaufwand bei der Herstellung eines Comics ist wesentlich geringer. Trotzdem empfinden sich Zeichner und Texter als gleichwertig, was man auch daran erkennen kann, daß ihre Namen zusammen vorne auf den Alben genannt werden. Kein Wunder, denn besten Ideen - und ohne zündende Idee kein Comic - werden im gemeinsamen Austausch geboren. Die Entstehung von Asterix, dem Gallier, kann hier als beispielhaft gelten:

Auf der Suche nach einer neuen Comicfigur saßen René Goscinny und Albert Uderzo irgendwann im Jahr 1959 zusammen in Uderzos kleiner Wohnung und zerbrachen sich den Kopf. Ihr Comic sollte anders werden als die Flut amerikanischer Produkte, die seinerzeit begannen, den Markt zu überschwemmen. Irgendetwas aus der französischen Geschichte vielleicht ... Goscinny ließ Uderzo alle Abschnitte der französischen Geschichte aufzählen, angefangen bei der Steinzeit. Bei den Galliern angekommen, stoppte Goscinny Uderzo. Mühselig kramten sie ihre Erinnerungen aus dem Schulunterricht hervor. Und so kamen sie schließlich auf Vercingetorix, den, wie Uderzo meinte, vielleicht einzigen Gallier, der wirklich berühmt wurde. Damit stand fest, daß die Namen der Gallier-Figuren auf "-ix" enden sollten. Der Name der Hauptfigur sollte mit "A" beginnen, damit man, so Goscinny, den Comic bei alphabetischen Aufzählungen (in Lexika, Katalogen usw.) zuerst nennen würde. So entstand der Name "Asterix". Das war natürlich erst der Anfang, doch man kann sich vorstellen, wie auf diese Weise auch die weiteren Ideen entwickelt wurden.


Koloristen und Letterer - die "verkannten Künstler"

Bedauerlicherweise gilt die Kolorierung eines Comics, wenn sie nicht vom Zeichner persönlich ausgeführt wird, eher als minderes, weil nicht "kreatives" Handwerk, etwa im Sinne von "anmalen". Das kann man exemplarisch daran beobachten, daß die Namen der Koloristen so gut wie nie mit auf dem Titel erscheinen, sondern ihren Platz meist in kleiner Schrift am Ende eines Albums finden. Ein weiteres, ebenfalls recht bezeichnendes Phänomen ist die Tatsache, daß häufig Ehefrauen oder Freundinnen der Comic- Zeichner die Kolorierung anfertigen. Tugenden, die Frauen im allgemeinen zugeschrieben werden, wie die Fähigkeit zu geduldiger, sauberer Fleißarbeit, sich einfühlen zu können in andere, ohne sich mit seinen eigenen Ideen und Vorstellungen in den Vordergrund spielen zu wollen, kommen hier voll "zur Entfaltung". Eine gute Kolorierung fällt nicht auf. Bei näherer Betrachtung wird man allerdings schnell feststellen, daß sie auch nichts mit "anmalen" zu tun hat, sondern ein eigener Arbeitsbereich ist, der einem Comic oftmals erst seine besondere Atmosphäre und Stimmung verleiht oder sie zumindest verstärkt.

Während bei den teureren Comic-Alben die Kolorierung häufig von Hand (meist in Aquarelltechnik) oder - Tendenz steigend - per Computer angefertigt wird, verzichtet man bei wöchentlich erscheinenden Heftchen- und Billigproduktionen meist auf diesen Arbeitsgang und läßt die Farben als Teil des Druckvorganges aufbringen, wobei die jeweils zu druckende Farbe auf dem Reprofilm abgedeckt wird.

Auch für das Lettering gilt, daß gute Arbeit sich dadurch auszeichnet, das sie nicht weiter auffällt. Bei einem gut geletterten Album empfindet man Bild und Schrift als Einheit, was jedoch keineswegs eine Selbstverständlichkeit ist, wie man an Beispielen von nicht gelungener Arbeit sehen kann. Im Unterschied zu billigeren Produkten werden die meisten Alben-Comics handgelettert, was auf den qualitativen Unterschied von Hand- und Maschinensatz hinweist. Bei in Handarbeit gesetzten Texten hat man weitaus mehr gestalterische Möglichkeiten, die Schrift kann an den jeweiligen Zeichenstil angepaßt, Stimmungen, Emotionen usw. viel eindrücklicher in "Schriftbilder" umgesetzt werden, als es mit maschinellen Schrifttypen möglich wäre.


Größere Produktionsteams

Wie schon erwähnt, hat man vor allem auf dem amerikanischen und japanischen Markt zu einer Arbeitsweise in größeren Teams gefunden. Besonders in Japan zwang der ab den 50er Jahren sprunghaft angestiegene Comic-Konsum die Verlage zu rationelleren Herstellungsformen. Dazu gehört vor allem eine weitergehende Arbeitsteilung im Bereich der Zeichnungen. Scribbles und Vorzeichnungen werden von anderen Zeichnern erledigt als die Reinzeichnungen, deren Erstellung wiederum aufgeteilt ist. Da gibt es dann Spezialisten, die nur die Hintergründe bearbeiten und andere, die immer nur Hände oder Gesichter zeichnen. Auf diese Weise kann man zwar schneller produzieren, aber eines geht mit Sicherheit verloren: Eine spontane Idee, ein Verbesserungsvorschlag, ein weiterer Gag, kann in dieser Produktionsmaschinerie kaum mehr untergebracht werden. Das sieht man den fertigen Ergebnissen auch an, denn sie wirken sehr oft wie aus einer Schablone gestanzt und auch inhaltlich leb- und lieblos.

Man kann nur hoffen, daß die Erforderungen des Marktes nicht auch noch die verbliebenen Reste einer erfreulicheren Form von Teamarbeit schlucken werden.

den 9. Januar 2007