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BERICHT/026: Tagung - Vergleich der Künste (JOGU Uni Mainz)


JOGU Nr. 199, Februar 2007
Das Magazin der Johannes Gutenberg-Universität Mainz

Vergleich der Künste
Ein "erhellender" Reigen

Von Frank Wittmer


Gibt es vergleichs-taugliche Gemeinsamkeiten zwischen dem Tanz und der Poesie? Vermag die Tanzkunst Begriffe, Ideen, Erkenntnisse zu liefern, die dem Verständnis von Literatur dienlich sein können? Diese Frage lotete Prof. Winfried Eckel, geschäftsführender Leiter des hiesigen Instituts für Komparatistik, in seinem Vortrag "Ballett der Zeichen" anhand der Schriften Stéphane Mallarmés aus und fesselte damit seine Zuhörer, ein überschaubares, aber interessiertes Tagungspublikum. Denn Eckels Referat war eines unter anderen, die Einstiegsmöglichkeiten in einen "intermedialen Diskurs" eröffneten.

Interdisziplinarität ist in den letzten Jahren allenthalben sehr gefragt; weitblickende Wissenschaftler sehen in diesem Austausch zwischen verschiedenen Fächern wichtige Impulse für den Weg in die Zukunft von Forschung und Lehre. Findet der Dialog nun nicht nur zwischen verschiedenen wissenschaftlichen Disziplinen statt, sondern zwischen den verschiedenen Künsten als Gegenstände der Geistes- und Kulturwissenschaften, so spricht man von "Intermedialität". Diesem Phänomen widmete sich im November 2006 ein Internationales Symposion, federführend ausgerichtet vom Institut für Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft der Johannes Gutenberg-Universität, unter dem Titel "Literarische Medienreflexion".


"Inzwischen ist der Künstevergleich ein blühender Zweig der Komparatistik"

Wie der Veranstalter und der Titel nahe legen, galt der Fokus hauptsächlich der Spiegelung der anderen Künste in der Literatur. Unter den Kulturwissenschaften hat sich schließlich auch "die Komparatistik als erstes dem Mediendiskurs geöffnet", wie Prof. Dieter Lamping mit Verweis auf Ulrich Weissteins Akzentsetzung zur "wechselseitigen Erhellung der Künste" anno 1968 betonte: "Inzwischen ist der Künstevergleich ein blühender Zweig der Komparatistik". Lamping, der nach freundlichen Grußworten des Prodekans Alfred Hornung die Begrüßung und Einführung in die Tagung übernahm, stellte sich selbst augenzwinkernd als Symposiarch vor, als "Senior in der Rolle des Juniorpartners", womit er zugleich den "wissenschaftlichen Nachwuchs" in sein Recht setzte, der zusammen mit ihm die Konszeption der Tagung erarbeitet hatte. Unter dem Titel "Literarische Medienreflexion: Eine Einführung" kam denn auch die Nachwuchswissenschaftlerin Sandra Poppe, die zur Zeit zu einem medientheoretischen Thema promoviert, im Grundsatzreferat zum Zuge. Ihr Kollege Dr. Sascha Seiler hielt den Abschlussvortrag des zweiten Symposientages zum Thema "Pop-Lyrik als Ort der Medienreflexion".

Ausgehend von Lampings Begründung der "Literatur als Ausgangspunkt der Betrachtung intermedialer Beziehungen" entwickelte Poppe eine umfassende systematische Definition von literarischer Medienreflexion, betonte, dass Literatur schon immer ein Intermedium gewesen, welches bisher oft vernachlässigt worden sei. Sandra Poppe stellte Beispiele von Thomas Mann und Virginia Woolf bis Julio Cortazar und Paul Auster vor, erläuterte direkte und indirekte, Einzel- und Systemreferenz, so dass man für weitere Erörterungen ein handhabbares Begriffsinstrumentarium vor sich hatte, auf das man sich - zustimmend oder widersprechend - beziehen konnte.

Der erste Tag bot dann konkrete Beschäftigungen mit den Bildenden Künsten in der Literatur, exemplifiziert an Rilke. Der zweite Tag gehörte in der ersten Hälfte der Theaterwissenschaft, in der zweiten der Musik. Film, Fernsehen und Medien waren dann Thema am Abschlusstag.

Exemplarisch mag Eckels Vortrag die Herangehensweise dieses intermedialen Diskurses verdeutlichen. Vor allem aus Mallarmès Briefen sind seine großen Leidenschaften belegt: die Orgel und der Tanz. Eckels Auswertung der Briefstellen zeigte, wie der große Dichter des fanzösischen Symbolismus seine "Poetik abstrakter Figuration" aus der Betrachtung von Ballett und Tanz - etwa auch der damals "skandalösen" Schleiertänzerin Loie Fuller - gewonnen hat. So sieht Mallarmé den Tanz als "Verkörperung" und "Vergeistigung" einer Idee zugleich, empfindet den Tanz als eine Art "ècriture" und "die Tänzerin als Metapher in einem Gedicht, das ohne Feder und Tinte auskommt". Das von Eckel hierbei aufgezeigte Spannungsfeld von Figuration und Repräsentation ist valent durch alle intermedialen Diskurse.

Vielleicht lässt sich aus diesem interdisziplinären Symposion - gerade mit Blick auf die wissenschaftliche Nachwuchsförderung - ja tatsächlich ein längerfristiges Forschungsprojekt entwickeln, wie Prodekan Hornung in seinem Grußwort die Hoffnung geäußert hatte.


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Quelle:
JOGU - Magazin der Johannes Gutenberg-Universität Mainz
Nr. 199, Februar 2007, Seite 23
Herausgeber: Der Präsident der Johannes Gutenberg-Universität Mainz,
Univ.-Prof. Dr. Jörg Michaelis
Tel.: 06131/39-223 69, -205 93; Fax: 06131/39-241 39
E-Mail: Annette.Spohn@verwaltung.uni-mainz.de

Die Zeitschrift erscheint viermal im Jahr.
Sie wird kostenlos an Studierende und Angehörige
der Johannes Gutenberg-Universität sowie an die
Mitglieder der Vereinigung "Freunde der Universität
Mainz e.V." verteilt.


veröffentlicht im Schattenblick zum 18. April 2007