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INTERNATIONAL/003: Jemen - Studentinnen 2011 zwischen Tradition und Wunsch nach Unabhängigkeit (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 2. Mai 2011

Jemen: Studentinnen 2011: Zwischen Tradition und Wunsch nach mehr Unabhängigkeit

Von Mehru Jaffer


Wien, 2. Mai (IPS) - Im Jemen demonstrieren seit Beginn der Unruhen im Januar auch Frauen für den Wandel. Obwohl sich gerade die Gebildeten unter ihnen mehr Unabhängigkeit in vielen Lebensbereichen wünschen, stellen sie die meisten traditionellen gesellschaftlichen Einschränkungen vor allem im Familienleben nicht in Frage. Zu diesem Ergebnis kommt eine Umfrage unter 600 Studierenden der Universität in Saana.

Auch wenn gut die Hälfte der interviewten jungen Männer Einwände gegen eine Berufsarbeit von Frauen äußerte, erkannten die meisten Studentinnen und Studenten eine Veränderung der Geschlechterrollen als Chance im weltweiten Globalisierungstempo. Ihr Wunsch nach Gleichberechtigung der Geschlechter sei unübersehbar, so die Studie der Frauen ohne Grenzen (Women Without Borders - WWB) mit Sitz in Wien. Jemens junge Generation sei bereit für den Wandel und blicke optimistisch in die Zukunft.

Dabei lassen sich im Jemen wie auch in vielen anderen Entwicklungsländern zwei Trends erkennen, stellt die vom internationalen Entwicklungsfonds der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) finanzierte Umfrage fest. Zum einen verbessert sich für das nachrückende Heer der jungen Leute der Zugang zu den lokalen Bildungseinrichtungen. Zum anderen gefährden fehlende Arbeitsplätze die politische und wirtschaftliche Stabilität.

Das Recht auf eine kostenlose Schulbildung wird durch die Kosten wie Lernmaterial und Schuluniform ausgehöhlt, die die meisten Familien nicht aufbringen können. So räumte fast die Hälfte der im Februar von WWB befragten Studenten ein, es sei für ihre Familien schwierig, ihnen das Studium zu bezahlen.

Frauen wird der Weg zur Bildung durch die konservativen, männlich dominierten Normen zusätzlich erschwert. Dennoch scheint ihr Weg eine positivere Richtung einzuschlagen. Die Mehrheit der Studentinnen zeigte sich überzeugt, einen Beruf als Lehrerin oder Universitätsprofessorin zu finden. Vorerst besteht das Personal im gesamten Bildungsbereich des Landes nur zu knapp einem Viertel aus Frauen.

Die meisten interviewten Studentinnen kommen aus Familien, in denen die traditionellen jemenitischen Werte geachtet werden. Sie befürchten stärker als ihre männlichen Kommilitonen, dass die Familie ihre Entscheidungen wesentlich beeinflusst. Es zeigte sich, dass mehr Mädchen der Besuch der Schule oder eine sportliche Betätigung verwehrt wird. Weil ihr Auftreten in der Öffentlichkeit unerwünscht ist, gehen die wenigsten Frauen einem Beruf nach oder beteiligen sich am politischen Leben.

Das im Jemen aus der öffentlichen Diskussion ausgeblendete Thema häusliche Gewalt, nach dem ebenfalls in den WWB-Interviews gefragt wurde, hatten 39 Prozent der Befragten beobachtet. Von eigenen Erfahrungen berichteten 27 Prozent.

Edit Schlaffer, die Gründerin und Vorsitzende der Organisation, die auch die umfassende Befragung jemenitischer Studierender initiiert hatte, betonte im Gespräch mit IPS, wie sehr sich im Jemen selbst die aus traditionellen Familien stammenden Studentinnen mehr Freizügigkeit wünschten.


"Westliche Vorurteile revidieren"

Die Aktivistin räumte ein, vor ihrem ersten Besuch im Jemen 2009 das Land aufgrund westlicher Vorurteile für ein hinterwäldlerisches Rückzugsgebiet für Terroristen gehalten zu haben. "Umso mehr hat mich die erstaunliche Arbeit von Frauen beeindruckt, denen ich dort begegnet bin", berichtete Schlaffer. "Ich lernte Journalistinnen, angehende Politikerinnen und großartige Mütter kennen."

Auch habe sie eine lebendige Zivilgesellschaft erlebt, so Schlaffer, die inzwischen eine jemenitische Tochterorganisation der von WWB gegründeten weltweiten Initiative SAVE ('Sisters Against Violent Extremism') etabliert hat. SAVE arbeitet mit Müttern zusammen, damit diese Alarm schlagen, wenn ihre Kinder den Weg des Extremismus einschlagen. (Ende/IPS/mp/2011)


Links:
http://www.women-without-borders.org/
http://www.ipsnews.net/news.asp?idnews=55440

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IPS-Tagesdienst vom 2. Mai 2011
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veröffentlicht im Schattenblick zum 3. Mai 2011