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SPRACHE/533: Gemeinsamkeiten aller Sprachen auf der Spur (Portal - Uni Potsdam)


Portal - Die Potsdamer Universitätszeitung 4-6/2008

Grammatische Detektivarbeit
Den universellen Gemeinsamkeiten aller Sprachen auf der Spur

Von Bettina Micka


Vor vermutlich 100.000 Jahren entstand die Sprache. Durch sie verfügt der Mensch über ein einzigartiges Kommunikationssystem - und das in vielfältiger "Ausführung": Rund 6.500 Sprachen gibt es derzeit auf der Erde. Trotz ihrer Verschiedenartigkeit gibt es grundlegende Gemeinsamkeiten. So gibt es in jeder Sprache eine Methode, Wichtiges in einem Satz besonders hervorzuheben. Solche gemeinsamen Elemente in Sprachen aufzuspüren, hat sich Shinichiro Ishihara, Ph.D. vom Institut für Linguistik vorgenommen.


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Der Sprachwissenschaftler ist Postdoc in der Arbeitsgruppe von Prof. Caroline Féry und Prof. Gisbert Fanselow. Sein Forschungsprojekt gehört zum DFG-Sonderforschungsbereich "Informationsstruktur: Die sprachlichen Mittel der Gliederung von Äußerung, Satz und Text".

"Eine gemeinsame Eigenschaft aller Sprachen ist, dass es in jedem Satz einen sogenannten Fokus gibt, den wichtigsten Teil", erklärt Shinichiro Ishihara. Der Fokus wird durch Phonologie oder Syntax, also durch Betonung eines Wortes oder dessen Stellung innerhalb des Satzes, kenntlich gemacht oder durch Zusammenwirken beider. Zum Beispiel könnte auf die Frage "Was haben Sie gekauft?" die Antwort sein: "Ich habe einen Apfel gekauft." Der Fokus ist dann "Apfel". Hier liegt auch die Betonung. Bei der inhaltlich gleichen Aussage: "Einen Apfel habe ich gekauft". wird das Wort "Apfel" nicht nur betont, sondern auch zusätzlich durch die Stellung vorne im Satz hervorgehoben. Im Deutschen gibt es also beide Methoden der Fokussierung. Im Englischen wird dagegen, obwohl mit Deutsch eng verwandt, das Wichtige nur durch die Betonung im Satz gekennzeichnet.

Shinichiro Ishihara untersucht vor allem seine Muttersprache Japanisch sowie die deutsche Sprache. Auch im Japanischen können in bestimmten Fällen sowohl Satzstellung als auch Betonung den Fokus kennzeichnen. Für seine Untersuchungen arbeitet er mit japanischen Universitäten zusammen, insbesondere mit der Universität Tokio. Hier sammelt er Sprachproben um sie dann in Potsdam auszuwerten und mit deutschen Sprachproben gleichen Inhalts zu vergleichen. Sein Interesse gilt derzeit insbesondere den sogenannten WH-Fragen. Das sind Fragen, die sich nicht mit ja oder nein beantworten lassen, also beispielsweise Fragen, die mit "was", "wo" oder "wann" eingeleitet werden. Im Deutschen steht das Fragewort, dass der Fokus ist, immer am Anfang des Satzes, wie beispielsweise bei "Was haben Sie gekauft?" oder am Anfang des eingebetteten Satzes: "Sie wissen, was ich gekauft habe". Im japanischen kann es dagegen an fast jeder Stelle des Satzes stehen. Dafür wird es aber phonetisch ganz besonders hervorgehoben. Wie der Sprachwissenschaftler herausfand, wird nicht nur das Fokus-Wort betont, sondern zudem ist bei allen nachfolgenden Wörtern die Intonation, also die Satzmelodie, auffällig flach, "Wie Satzstruktur und Betonung sich wechselseitig beeinflussen ist ein Kernpunkt meiner Forschung", betont Ishihara.

Die grundlegenden und allen gemeinsamen Regeln von Sprache herauszufiltern, ist von großem praktischem Interesse. Diese Erkenntnisse können nicht nur das Erlernen von Fremdsprachen erleichtern. Auch für die Spracherkennung im Computer sind sie von großer Bedeutung. Die Forschungsergebnisse von Linguisten wie Ishihara können darüber hinaus dazu beitragen, eine grundlegende Frage zu klären, die die Experten bisher noch in zwei Lager teilt: Gibt es eine universelle Grammatik, die der Mensch nicht erst erwerben muss, sondern mit der er bereits auf die Welt kommt?


In allen Sprachen gibt es den Fokus, des wichtigstes Teil des Satzes. Im Deutschen erfolgt die Fokussierung durch Syntax oder Phonologie. So kann wichtiges hervorgehoben, Unwichtiges zurückgenommen werden. Zum Beispiel so:
Ich habe einen  A p f e l  gekauft.
E i n e n  A p f e l  habe ich gekauft.


Weitere Informationen zum Projekt unter:
www.sfb632.uni-potsdam.de


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Quelle:
Portal - Die Potsdamer Universitätszeitung Nr. 4-6/2008, Seite 26
Herausgeber:
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veröffentlicht im Schattenblick zum 10. Juni 2008