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SPRACHE/733: Die Sprache Jugendlicher im SchülerVZ (uni'leben - Uni Freiburg)


uni'leben - 01/2011
Die Zeitung der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg

"Es heißt DIE und nicht DAS Nutella"
Aisha Hellberg analysiert die Sprache Jugendlicher im SchülerVZ

Von Annette K. Persch


"Digga ist cooler als alta." Oder sind wir nur dann "tait", wenn wir "digga und alta in einem Satz sagen"? Aber eigentlich ist das egal, denn "dann kam mein Atze und ich so tight man ... verstehste, Oma?" Nein - kaum ein Erwachsener versteht, was Jugendliche ihm damit sagen wollen.

Trotzdem gibt es keinen Grund, sich Sorgen um die Entwicklung der Jugendsprache zu machen. Zu diesem Ergebnis kommt die Germanistikstudentin Aisha Hellberg, die in einer Seminararbeit das Sprachbewusstsein Jugendlicher anhand des sozialen Netzwerks SchülerVZ untersucht hat. 111 Gruppen, denen die Mitglieder des Netzwerks beitreten können, hat die 24-Jährige durchgearbeitet. So hat sie einen guten Überblick über die Einstellung von Menschen zwischen 14 und 19 Jahren zur Sprache gewonnen.


Schön oder stylish?

Die angehende Lehrerin hat festgestellt, dass sich die jugendlichen Nutzer differenziert mit Sprache auseinandersetzen. Sie diskutieren nicht nur über Filme, Musik oder Mode, sondern tauschen sich intensiv über die deutsche Sprache aus. So fordern sie grammatikalische Korrektheit wie in den Gruppen "Verdammt noch mal, das heißt ISS und nicht ESS" sowie "Es heißt ALS und nicht WIE!" oder beziehen in der Gruppe "Es heißt DIE Nutella und nicht DAS Nutella!!" Stellung zu Streitfragen des Sprachgebrauchs. Darüber hinaus thematisieren sie die neuesten sprachlichen Entwicklungen ("Schön ist kein Wort mehr - man sagt jetzt stylish!!!") und diskutieren unterschiedliche Standpunkte: "Contra Anglizismen - Rettet die deutsche Sprache" versus die Gruppe "Überflüssige Anglizismen zu usen hat voll style".

Sorgen, dass ihre Forschungsergebnisse durch falsche Angaben der Jugendlichen verfälscht sind, hat Aisha Hellberg nicht: Denn anders als in sozialen Netzwerken wie StudiVZ oder Facebook sei die Selbstdarstellung der Mitglieder im SchülerVZ einer gewissen Kontrolle unterworfen, erklärt sie. Es könne davon ausgegangen werden, dass die jugendlichen Nutzer im SchülerVZ im Allgemeinen noch nicht allzu viele Bekannte haben, zu denen der Kontakt schon lange eingeschlafen ist. Daher liege die Annahme nahe, dass die Pflege von aktuellen, realen Freund- und Bekanntschaften das primäre Motiv für die Nutzung des sozialen Netzwerks ist. Und da sich die Personen in der Realität kennen, seien die Jugendlichen eher gezwungen, sich im virtuellen Netzwerk so zu geben, wie sie auch in der realen Welt sind.


Lehrer lernen, Schüler besser zu verstehen

Ein Linguistikseminar über Jugendsprachen bei Prof. Helga Kotthoff gab den Anstoß für die Forschungsarbeit. Von ihrer Professorin erhielt Aisha Hellberg das Angebot, im März ihre Arbeit auf der Internationalen Konferenz für Jugendsprachen vorzustellen. Für die Studentin ist das eine ungewohnte Situation: "Dort sind alle renommierten Forscher anwesend, aus deren theoretischen Werken ich zitiert habe." Viele Punkte, die sie interessieren, konnte Hellberg in ihrer Arbeit nicht berücksichtigen - das hätte den vorgegebenen Umfang gesprengt. In ihrer Abschlussarbeit will sie daher das Thema weiter verfolgen.

Direkt im Anschluss an ihre Seminararbeit begann für die Lehramtsstudentin das Schulpraktikum an einem Freiburger Gymnasium. Dort half ihr das Wissen, das sie durch ihre Arbeit gewonnen hat, auch in der Praxis weiter: "Meine Untersuchungen haben mir ein besseres Verständnis für die Alltagswirklichkeit meiner Schüler vermittelt, denn soziale Netzwerke sind mittlerweile ein Teil davon." Für sie ist nun klar, dass sich Lehrer mit dem Phänomen auseinandersetzen sollten. Denn nur so könne der vernünftige Umgang mit sozialen Netzwerken und der Sprache von Jugendlichen in der Schule an Bedeutung gewinnen.

Internationale Konferenz für Jugendsprachen

Studierende und Lehrer haben die Möglichkeit, im Rahmen der Internationalen Konferenz zur Jugendsprache, die vom 31. März bis zum 2. April 2011 in Freiburg stattfindet, mehr über aktuelle Forschungen zum Thema "Sprache bei Jugendlichen" zu erfahren. Informationen zu Anmeldung und Programm sind im Internet zu finden.
http://www.hpcl.uni-freiburg.de/jugendsprachen-2011


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Quelle:
uni'leben - 01/2011, Seite 7
Herausgeber: Albert-Ludwigs-Universität Freiburg,
der Rektor, Prof. Dr. Hans-Jochen Schiewer
Redaktion: Eva Opitz (Redaktionsleitung),
Rimma Gerenstein, Nicolas Scherger
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veröffentlicht im Schattenblick zum 19. März 2011