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SPRACHE/786: Griechische Wissenschaft in arabischer Sprache (RUBIN)


RUBIN - Wissenschaftsmagazin, Frühjahr 2012
Ruhr-Universität Bochum

Alter Wortschatz neu erschlossen
Griechische Wissenschaft in arabischer Sprache
Bochumer Forscher erstellen Fachwörterbuch der internationalen Wissensgesellschaft im klassischen Islam

von Rüdiger Arnzen, Yury Arzhanov, Gerhard Endreß



Jede intellektuelle Tradition, jeder Transfer von Wissen, jede Kommunikation über Grenzen hinweg braucht eindeutige Verabredungen über Wort und Sinn. Wissenschaftliche Terminologie ist die konvertible Währung des Ideenhandels. "Das Wort", sagt der griechische Philosoph Platon, "ist ein Werkzeug der Lehre, es unterscheidet und sondert das Wesen der Dinge, so wie die Weberlade das Gewebe". Die Übersetzer, die vom 8. bis zum 10. Jahrhundert die Werke der griechischen Mathematik, Astronomie, Medizin, Mechanik, Logik und Philosophie von Aristoteles, Euklid, Ptolemäus, Galen und vielen anderen aus dem Griechischen und Syrisch-Aramäischen ins Arabische übertrugen, waren Ideenvermittler und Sprachschöpfer. Die Sprache der arabischen Wissenschaften ist ihr Werk. Bochumer Forscher tragen in ihrem Teilprojekt des European Research Council Advanced Grant "Greek into Arabic" den hier geschaffenen Wortschatz erstmals in einem historisch-kritischen Belegwörterbuch zusammen (s. Info 1).

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GLOSSARIUM GRAECO-ARABICUM

Glossarium Graeco-Arabicum, "Griechisch-arabisches Wörterbuch", heißt das Projekt des Seminars für Orientalistik und Islamwissenschaft der Ruhr-Universität Bochum. Es wurde 1980 durch Gerhard Endreß (Ruhr-Universität Bochum) in Verbindung mit Dimitri Gutas (Yale University, New Haven) begründet und zunächst gefördert durch Haushaltsmittel der Universität und des Landes, von 1994 bis 2006 dann von der Deutschen Forschungsgemeinschaft. Seit April 2010 bildet es eines von zwei Teilvorhaben des European Research Council Advanced Grant "Greek into Arabic: Philosophical Concepts and Linguistic Bridges", das von Cristina D'Ancona (Università di Pisa) in Zusammenarbeit mit Gerhard Endreß beantragt wurde. Ziel ist auf Pisaner Seite die philologische Erschließung eines Grundtextes der griechisch-arabischen Philosophietradition, auf Bochumer Seite die Erfassung des Wortschatzes der arabischen Übersetzungen aller Disziplinen der griechischen Wissenschaftsliteratur - Quelle und Grundlage der arabischen Wissenschaftssprache und ihrer europäischen Rezipienten bis zur Gegenwart.

Infos zum Projekt: www.greekintoarabic.eu


Die Kultur des Islams wächst auf dem Boden ihrer griechischen Vorläufer im Mittelmeerraum und im Vorderen Orient. In die Welt des hellenisierten Orients hineingeboren, standen die materielle und die geistige Kultur des Islams seit ihren Anfängen in Arabien, Syrien und Mesopotamien in der Kontinuität der alten Kulturen der Antike und des Hellenismus, der Byzantiner im Mittelmeerraum und der Sassaniden in Iran. Deren Technik und Wissenschaft stellten die Muslime in den Dienst der städtischen Kultur, die sie nach den arabischen Eroberungen des 8. Jahrhunderts auf den alten Kulturen Westasiens und des Mittelmeerraums errichtet hatten.

Im Jahre 761 gründete der Kalif al-Mansûr, der "Herrscher der Gläubigen" aus der Dynastie der Abbasiden, eine neue Hauptstadt: Bagdad. Ein Heer von Technikern und Handwerkern aus allen Weltgegenden arbeitete an der Errichtung der Residenz. Persische Astrologen bestimmten schon bei der Gründung Bagdads die Vorzeichen der Gestirne für Ort und Zeitpunkt. Christen aramäischer Sprache, der lingua franca des Vorderen Orients bis zu seiner Arabisierung durch den Islam, waren die wichtigsten Träger der angewandten Wissenschaften aus Medizin und Mathematik. Christliche Ärzte aus dem südpersischen Gondeschapur wurden an das erste Krankenhaus der neuen Hauptstadt Bagdad berufen. Bald standen sie im Wettstreit mit christlichen Gelehrten aus dem oberen Mesopotamien, Syrien, Palästina und Ägypten, nachhaltig hellenisiert seit dem Feldzug Alexanders des Großen und den Reichen seiner Nachfolgerdynastien, der Provincia Romana und dem christlichen Reich von Byzanz.

Die Sprache der Religion, des Rechts, der Literatur und der Wissenschaften war und blieb das Arabische - die Sprache der islamischen Offenbarung und die Herrschaftssprache des Reiches. Durch seine Dominanz als Sprache der Verwaltung, alsbald auch durch zunehmende Konversion zum Islam, wurde es die Sprache all derer, die mitreden wollten; und je mehr die Kenntnis der alten Volkssprachen des Vorderen Orients zurückging, des Aramäischen, des Persischen im Iran und des Koptischen in Ägypten, desto dringender wurde der Bedarf nach Übersetzungen.

Zunächst, in der Zeit wachsenden iranischen Einflusses auf die politischen Strukturen des Kalifats im 8. Jahrhundert, gab es auch Übersetzungen aus dem Mittelpersischen, dem Pahlavi, zum Beispiel Tafelwerke sassanidischer Hofastrologen und Kompendien griechischer Logik. Aber die neue Gesellschaft, Fürsten, Administratoren und die professionelle Elite des Bagdader Kalifats, verlangte mehr und fand es in den reichen Originalquellen der Griechen, die einer kleinen Gelehrtenschicht (vor allem aramäischer Christen) noch zugänglich waren, ließ Verschollenes in Handschriften aus Mesopotamien, Byzanz, Syrien und Ägypten aufspüren und alles Erreichbare übersetzen. Sowohl Fachgelehrte als auch Wesire, Gouverneure und andere Notabeln der Administration waren die Auftraggeber. Als Konkurrenten der persischen Praktiker in Astrologie, Geometrie und Medizin holten bald die Kenner des Griechischen ungleich reichere Schätze der antiken Wissenschaften aus den Bibliotheken und Klosterschulen Vorderasiens. Ärzte und Baumeister, Geometer und Sterndeuter fanden in den Lehrbüchern der Griechen eine unerhörte Genauigkeit der Methoden, Vielfalt der Beobachtungen und Vollständigkeit der Daten, gegründet auf die Einheit des Weltbilds: Die Astronomie stellte mathematisch berechnete Modelle der Gestirnsbewegungen zur Verfügung, das Bild des Kosmos ruhte auf dem philosophischen Paradigma gleichförmiger Kreisbewegungen des Himmels und der kosmischen Sympathie zwischen oberer und unterer Welt, Makrokosmos und Mikrokosmos, Mensch und Natur erschienen in zweckgerichteter Harmonie, und die je vierfachen Analogien zwischen Elementen, Jahreszeiten und Temperamenten der Körpersäfte kündeten von der kosmischen Sanktion rationaler Wissenschaft (s. Abb. 2).

Einen soliden, wenn auch beschränkten Fundus medizinischer Fachliteratur hatten schon die ersten Chefärzte des Bagdader Hospitals im Gepäck. Bald aber übersetzten christliche Ärzte das Corpus der griechischen Medizin, zunächst aus dem Griechischen ins Syrisch-Aramäische für ihre christlichen Kollegen und weiter ins Arabische für die neue, städtische Elite arabischer Sprache. Viele dieser Übersetzer - der bedeutendste war der irakische Arzt Hunain ibn Ishâq mit seinem Schülerkreis - machten ausgedehnte Reisen nach Byzanz, Syrien und Ägypten, um Handschriften der griechischen Originalwerke aufzuspüren, die in den Hospital- und Klosterbibliotheken Mesopotamiens nicht mehr verfügbar waren. Zur technischen Erfahrung kam so die wissenschaftliche Fundierung in Theorie und Methodik (Abb. 3).

Die Bagdader Hofbibliothek, genannt das "Haus der Wissenschaft", war nach dem Vorbild der Bibliothek der iranischen Sassaniden in ihrer Hauptstadt Ktesiphon eine Fachbibliothek für Astronomie und Astrologie. Im Auftrag der Abbasidendynastie arbeiteten Spezialisten aus Mesopotamien und aus dem syrischen Westen, die zum Teil wiederholt und verbessert die originalen Grundbücher der griechischen Mathematik, der Astrologie und der mathematischen Astronomie übersetzten.

Die Mathematik diente nicht allein einfachen Aufgaben der Praxis im Rechnen und Vermessen und der Entwicklung mechanischer Apparate (Transport- und Bewässerungsmaschinen, Wasseruhren). Sie rezipierte und entwickelte, nach der Geometrie der Elementa Euklids, komplexe Verfahren der Algebra zur Lösung von Gleichungen zweiten und höheren Grades, Methoden der sphärischen Trigonometrie für Geographen und Astronomen, und sie zog für numerische Aufgaben neben dem mittelmeerischen Abakus das 'indische Rechnen', d.h. das dekadische Stellenwertsystem, heran (Abb. 4).

Das "Große Handbuch" der Astronomie, die Megiste Syntaxis des Ptolemäus, wird in seiner arabischen Version das Grundbuch der Astronomie für das gesamte Mittelalter, und es bleibt auch nach der Übersetzung ins Lateinische unter seinem arabischen Namen bekannt: der Almagest. Zugleich wurden die Beobachtungen und Parameter der alten Astronomie durch eigene Observation und Berechnungen der arabischen Anwender ergänzt und verfeinert. Empirische Beobachtung arbeitete Hand in Hand mit der Berechnung der Gestirnsbewegungen - hier liefen die arabischen Mathematiker bei der Entwicklung der Geometrie, der Trigonometrie und der Sphärik ihren griechischen Lehrmeistern bald den Rang ab.

Die Philosophie des Aristoteles gab dem Gebäude der Wissenschaften ein einheitliches Weltbild und die Methodik logischer Beweisführung. Der Universalgelehrte alKindî ließ im 8. Jahrhundert Naturlehre und Metaphysik des Aristoteles ins Arabische übersetzen. Dazu kamen Schriften der "Neuplatoniker" von Athen und Alexandria - unter Aristoteles' Namen! -, die in der vereinfachenden Interpretation der arabischen Bearbeiter die Seins- und Gotteslehre der Griechen mit dem Monotheismus des Islams vereinbar machten. Bis zur Mitte des 10. Jahrhunderts wurde das gesamte Corpus Aristotelicum - Logik, Physik, Metaphysik, Ethik -, soweit es noch greifbar war, nebst zahlreichen seiner griechischen Kommentatoren ins Arabische übersetzt. Als "Meister der Logik" und der demonstrativen Wissenschaft, als Universalgelehrter schlechthin wird er auch dann noch verehrt, als islamische Philosophen, al-Fârâbî und Ibn Sînâ (Avicenna), eine Integration seiner Lehre mit den Erkenntnissen aus Naturwissenschaften, Medizin und mathematischer Astronomie vollziehen (Abb. 5).

Die Umsetzung der Begriffe der Wissenschaften in ein neues sprachliches Medium war eine große Herausforderung. Das Ausdrucksmittel der konkreten Anschauung einer Gesellschaft von Beduinen und Bauern erwies in den Händen der Übersetzer seinen Reichtum, vor allem seine Adaptionskraft, zum Ausdruck des Allgemeinen und Abstrakten. Ihr Erbe ist bis in die Moderne des Westens erkennbar, nicht nur in arabischen Lehnwörtern: Wörter der lateinischen Wissenschaftssprache wie 'Quantität' oder 'Essenz' sind im 13. Jahrhundert von den Übersetzern Siziliens und Spaniens nach arabischen Mustern geprägt worden (s. Info 2).


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FREMD- UND LEHNWÖRTER

Fremdwörter und (den arabischen Sprachmustern angepasste) Lehnwörter sind häufig, aber bei Weitem nicht so dominant wie in der technischen Terminologie der europäischen Sprachen der Gegenwart. Noch heute im Gebrauch sind jins "Gattung" vom griechischen genos (vgl. lat.-deutsch "Genus"), al-iksîr "Elixier" vom griechischen xêrion (eig. "Streupulver") und falsafa "Philosophie." In der Frühzeit der Übersetzungen konkurrieren griechische Fremdwörter mit arabischen Stammwörtern oder auch alten persischen Lehnwörtern: so für "Materie" das griechische hyle, daraus arab. hayûlâ, mit arab. madda. Gewisse Wörter wurden in das philosophische Lexikon aufgenommen, weil sie im Koran vorkommen. So ist tîna "Erde" oder "Ton", aber insofern als es die Materie bezeichnet, aus der der Schöpfer Adam bildete, bezeichnet es "Materie" in dem besonderen Sinne des philosophischen Diskurses.

Schon vor dem Islam eingebürgert war das persische jauhar "Juwel" (auch das deutsche Wort kommt daher), in der Sprache der Philosophie der gängige Ausdruck für "Substanz". Ein Wort der arabischen Alltagssprache war sabab, "Seil, Verknüpfung", als Terminus der Philosophie im Sinne von "Ursache"; arabisch mizâj ist als Fachwort der Medizin das "Temperament", die Mischung der Körpersäfte.

Unter den Lehnübersetzungen ist der bekannteste Terminus mantiq, eig. "Rede" wie griechisch logos, als Fachausdruck "Logik".

Die arabische Wissenschaftssprache hat nicht nur durch Entlehnung, sondern auch durch Übersetzung und Adaption die Begrifflichkeit ihrer europäischen Erben geprägt. Ein Algorithmus ist eine Rechenregel, so genannt nach al-Chwârizmî, einem arabischen Mathematiker aus Chwaresm in Ostiran, der um 830 in Bagdad ein Buch über Algebra schrieb. Auch Algebra ist ein arabisches Wort für ein Verfahren zur Lösung von Gleichungen.


Die schöpferische Entwicklung des Wortschatzes der arabischen Wissenschaftssprache lässt sich in einer Reihe von Verfahren sowohl der Übersetzungstechnik als auch der produktiven Anwendung des in der Rezeptionsperiode geschaffenen Inventars verfolgen.

Das Streben nach Prägnanz und Eindeutigkeit führt zur Elimination abundanter und mehrdeutiger Elemente, zu Bedeutungswandel durch die Auswahl, Sonderung und Integration verschiedener Quellen und der aus ihnen hervorgehenden Oppositionspaare einfacher oder binärer Lexeme. Das Belegmaterial unseres Projekts kann daher helfen, anhand des Sprachgebrauchs die Quellen der Wissenschaftsliteratur in den Übersetzungen zu identifizieren, und damit hervorragende Dienste leisten, um Leitfossilien der Ideengeschichte aufzuspüren.

Aufgabe und Zielsetzung unseres Forschungsprojekts ist die analytische lexikographische Erschließung dieser nicht nur für die islamische Kultur und Gesellschaft, sondern auch für die europäische Wissenschaftsgeschichte so wichtigen Übersetzungstätigkeit.

Im Fokus des Pisaner Projektteils (s. Info 1) steht die kritische Textedition der sogenannten Theologia Aristotelis, einer im arabisch-islamischen Raum besonders einflussreichen Adaption von Schriften des neuplatonischen Philosophen Plotin (205270) (Abb. 6). Um das komplizierte Verhältnis zwischen diesen griechischen und arabischen Texten philologisch und linguistisch zu erfassen und für die geplante Textedition auszuwerten, arbeitet Cristina D'Ancona mit dem Institute of Computational Linguistics of the National Research Council (Pisa) unter der Leitung von Professor Andrea Bozzi zusammen.

An der Bochumer Arbeitsstelle des Projekts arbeiten zwei wissenschaftliche Mitarbeiter sowie studentische Hilfskräfte an der Fortführung der lexikographischen Arbeit. Den Grundstock dafür bildet eine in den 1980er-Jahren angelegte Kartothek von ca. 80.000 auf Karteikarten erfassten Belegstellen mit griechisch-arabischen Wortentsprechungen (Abb. 7). Die erfassten Daten sind einem Corpus von ca. 60 griechischen Werken der Antike und Spätantike und ihren mittelalterlichen arabischen Übersetzungen entnommen. Etwa 20 weitere Schriften wurden (oder werden aktuell) in anderer Form teils selektiv, teils vollständig, erfasst. Die berücksichtigten Werke bilden ein breites Spektrum wissenschaftlich-technischer, philosophischer, enzyklopädischer und populärwissenschaftlicher Disziplinen.

Das auf den Karteikarten erfasste Vokabular geht jedoch weit über die wissenschaftliche Terminologie im engeren Sinne hinaus, indem wir auch die Alltagssprache der Quellentexte sowie den nichttechnischen Wortschatz, beispielsweise Konjunktionen, Adverbien, Pronomen oder Partikeln, berücksichtigen. Auch syntaktische und morphologische Phänomene werden untersucht und dokumentiert. Die dadurch bereitgestellten Informationen sind nicht zuletzt für benachbarte Forschungsfelder von Interesse, beispielsweise für die Erschließung des durch die Übersetzungsbewegung neu geschaffenen wissenschaftlichen und technischen arabischen Vokabulars, für die Untersuchung des Einflusses der Übersetzungsliteratur auf das Vokabular, die Syntax und die Morphologie des Klassischen Arabisch und des sogenannten Mittelarabisch, für die noch junge Translationswissenschaft, für die Lexikographie des spätantiken und frühbyzantinischen Griechisch oder für die philologische Textkritik antiker und mittelalterlicher griechischer und arabischer Werke.

Um die enorme Datenmenge zu verarbeiten, wenden wir zwei komplementäre Methoden an. Zum einen verfassen wir, in Zusammenarbeit mit Dimitri Gutas von der Yale University, ein ausführliches Belegwörterbuch, das in der Serie Handbuch der Orientalistik unter dem Titel "A Greek & Arabic Lexicon (GALex). Materials for a Dictionary of the Mediæval Translations from Greek into Arabic" publiziert wird. Bis jetzt sind neun Faszikel mit 1200 Seiten erschienen, der zehnte Faszikel befindet sich im Druck und wird im Sommer 2012 erscheinen.

Zum anderen werden die auf den Karteikarten enthaltenen Informationen digital aufbereitet und in einer Internet-Datenbank öffentlich zugänglich gemacht (s. Info 3).


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DIE LEXIKALISCHE DATENBANK GlossGa

Die Datenbank Glossarium Graeco-Arabicum wurde auf der Grundlage des auf Karteikarten gesammelten Belegmaterials des Greek and Arabic Lexicon (GALex) aufgebaut. Sie wurde von Mitarbeitern der Informatik-Abteilung der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften programmiert (in der aktuellen Fassung von Torsten Roeder) und wird vom Datenserver Telota der Akademie öffentlich zugänglich gemacht.

Sie verfolgt in erster Linie den Zweck, den Zugang zu den gescannten Karteikarten durch verschiedene Suchoptionen zu ermöglichen. Eine einfache Suche, welche sich auf die griechischen und arabischen Lexeme sowie die arabischen Wurzel-Konsonanten beschränkt, wird gleich auf der Startseite angeboten. Man kann dort zwei Begriffe eingeben, wie zum Beispiel das griechische pneuma ("Lebensgeist") und das arabische rûh. "Geist"), alternativ die Wurzelkonsonanten r-w-h.

Das Ergebnis dieser Suche erscheint in Form einer Tabelle. Wenn man nur ein griechisches oder nur ein arabisches Wort einträgt, bekommt man eine längere Liste von Wortentsprechungen, welche verschiedene Übersetzungsmöglichkeiten anschaulich machen. Man kann auf eine Entsprechung klicken, um den Datensatz zu einer bestimmten Belegstelle anzuzeigen.

Das Beispiel stammt aus dem Buch Placita philosophorum, welches in der Spätantike Plutarch zugeschrieben wurde und die Meinungen (lat. placita) verschiedener Philosophen zu einer Reihe von Themen auflistet. Aus der gescannten Karteikarte (im unteren Teil des Datensatzes) wurden die suchbaren lexikalischen Daten in tabellarischer Anordnung entnommen. Die erste Zeile des Datensatzes stellt die genaue Entsprechung der zwei Lexeme im griechischen Text und in der arabischen Übersetzung dar. Form, Funktion und Kontext der beiden Wörter werden in den weiteren Datenbankfeldern spezifiziert. Im Fall des arabischen Worts werden seine Wurzelkonsonanten angezeigt. Ferner wird unter "Expression" der Ausdruck oder der Satz zitiert, in dem die genannten Lexeme vorkommen, da die Bedeutung und die Rolle der Wörter manchmal nur aus dem Kontext verstanden werden können. In der letzten Zeile der Tabelle steht die Stellenangabe, welche auf die verwendete Edition des Textes verweist. Die blau markierten Felder sind suchbar, d.h. sie bieten die Möglichkeit, weitere Beispiele für diese Wortform in der Datenbank durch nur einen Mausklick zu bekommen. Im Laufe der künftigen Arbeit werden weitere lexikalische Materialien auch aus neuen, bisher nicht in unseren Karteien vertretenen Quellen eingearbeitet. Vor allem aber wird der Benutzer die Fundstellen als "Bookmarks" markieren und zur weiteren Bearbeitung in Textdateien ausgeben können.


Im Gegensatz zur Internet-Datenbank enthält das gedruckte Belegwörterbuch strukturierte Einträge für jedes arabische Wort und seine oft recht vielfältigen griechischen Entsprechungen oder seine syntaktischen Funktionen bei der Übersetzung eines griechischen Satzes. Alle Entsprechungen und Funktionen werden dort durch kurze Zitate aus den jeweiligen griechischen und arabischen Quellentexten belegt. Die Haupteinträge des Wörterbuchs sind nach dem arabischen Alphabet geordnet, jedoch kann der Benutzer auch mittels eines griechisch-arabischen Glossars im Anhang des Wörterbuchs direkt nach den griechischen Entsprechungen suchen.

Da die Arbeit an diesem analytischen Belegwörterbuch zeitaufwändig und kompliziert ist, stellt die Präsentation der gesammelten Daten mittels einer InternetDatenbank eine sinnvolle Ergänzung des Forschungsprojekts dar. Zu diesem Zweck wurden vor einigen Jahren sämtliche Karteikarten aus der ersten Phase des Forschungsprojekts digitalisiert und in einer mySQL-Datenbank erschlossen.


Dr. Rüdiger Arnzen, Dr. Yury Arzhanov, Prof. em. Dr. Gerhard Endreß,
Seminar für Orientalistik und Islamwissenschaft


Bildunterschriften der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildungen der Originalpublikation:

Abb. 1: Bochumer Team: Dr. Rüdiger Arnzen, Prof. em. Dr. Gerhard Endreß und Dr. Yury Arzhanov (v.l.) erschließen die Quellen der Wissenschaftsliteratur, die im 8. bis 10. Jahrhundert aus dem Griechischen ins Arabische übersetzt wurde.

Abb. 2: Aus dem Buch der Arzneistoffe (Materia medica) des Dioskurides.

Abb. 3: Unter den ersten Übersetzungen des 9. Jahrhunderts, von den Arabern kommentiert und revidiert, sind die Grundwerke der griechischen Naturwissenschaften, Mathematik, Astronomie und Medizin. Die Werke des Aristoteles - Naturphilosophie und Metaphysik - kommen im Gepäck der praktischen, beobachtenden und berechnenden Wissenschaften nach Bagdad. Aus einer kommentierten arabischen Version des ausgehenden 8. Jh. der "Elemente" Euklids.

Abb. 4: Das Buch des Apollonios von Tyana über die Kegelschnitte in der arabischen Übersetzung des 9. Jahrhunderts, mit einer Randbemerkung des Astronomen Nasîraddîn at-Tûsî aus dem Jahre 1247.

Abb. 5: Der Philosoph Aristoteles als Universalgelehrter: Gestirnsbeobachtung mit dem Astrolab.

Abb. 6: Die "Theologie des Aristoteles" ist eine ins Arabische übersetzte, adaptierte und kommentierte Paraphrase von Texten des neuplatonischen Philosophen Plotin (3. Jahrhundert) aus der Umgebung des Philosophen al-Kindî (Mitte des 9. Jh.), überliefert unter dem Namen des Aristoteles.

Abb. 7: Rund 80.000 Karteikarten füllen die Regale in den Arbeitsräumen der Bochumer Gruppe.

Den Artikel mit Bildern finden Sie im Internet im PDF-Format unter:
http://www.ruhr-uni-bochum.de/rubin/rubin-fruehjahr-2012/pdf/beitrag02.pdf

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Quelle:
RUBIN - Wissenschaftsmagazin, Frühjahr 2012, S. 14-21
Herausgeber: Rektorat der Ruhr-Universität Bochum
in Verbindung mit der Stabsstelle Strategische PR
und Markenbildung der Ruhr-Universität Bochum
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veröffentlicht im Schattenblick zum 30. Mai 2012