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BUCHTIP/1105: Orientierungen im Raum - Bochumer Italianistentag (idw)


Ruhr-Universität Bochum - 04.04.2008

Orientierungen im Raum - Verflechtung mit Literatur:

Ergebnisse des Bochumer Deutschen Italianistentages


Erschienen in der Reihe Studia Romanica

Die Verflechtung der Literatur mit räumlichen Dimensionen ist in den letzten Jahren ins Bewusstsein der Literaturwissenschaft gerückt - Experten sprechen vom "Spatial Turn". Diese Verflechtungen unter den besonderen Bedingungen der italienischen Kultur zu untersuchen, war Ziel des Deutschen Italianistentags 2006 in Bochum. Die Ergebnisse der Tagung haben Prof. Dr. Rudolf Behrens von der Ruhr-Universität und Prof. Dr. Rainer Stillers von der Universität Marburg nun im Band "Orientierungen im Raum" mit 17 Einzelstudien veröffentlicht. "Unsere Annahme, die italienische Literatur weise eine besonders enge Verflechtung mit räumlichen Dimensionen auf, hat sich dabei bestätigt und zu überraschend dichten Ergebnissen geführt", so Prof. Behrens.

Texte prägen die Lebenswelt

Der 'spatial turn' hat seit mehr als einem Jahrzehnt viele Geistes- und Kulturwissenschaften erfasst. In den Fokus der Analyse von Texten, Kommunikationsstrategien und Sinnbildungen rückt seitdem die räumliche Situierung dieser Prozesse. Die Forscher verfolgen die Modellierung von kulturellem Raum (Landschaft, Stadt, Architektur, Territorien, Grenzziehungen, Passagen) durch sprachlich kodierte Ausdifferenzierungen. Auf diese Weise sind auch literarische Texte höchst ertragreich daraufhin untersucht worden, inwieweit sie die Bedeutung von lebensweltlichen Räumen mit konstituieren oder überhaupt erst hervorbringen: Die Semantik des wahrgenommenen und erlebten Raums, so stellt sich immer deutlich heraus, ist also nicht unbedingt selbstverständlich gegeben. Sie geht oft erst aus Bedeutungszuschreibungen hervor, die sprachlich kodiert sind.

Renaissance: Das römische Erbe wirkt nach

Die 17 Beiträge des Tagungsbandes weisen an Beispielen vom Mittelalter bis zur Postmoderne die vielfältige und ausdifferenzierte Verquickung der italienischen Literaturgeschichte mit unterschiedlichsten Formen räumlichen Denkens nach. Autoren, die behandelt werden, sind neben weniger prominenten u.a. Dante, Sannazaro, Ariost, Campanella, Goldoni, Leopardi, Montale, Bassani, Tabucchi und Calvino. Für die ältere Zeit, vor allem für die Renaissance, wird offensichtlich, wie das römische Erbe einer hochgradig strukturierenden Herrschaftsarchitektur als Faktor von Macht und sozialer Gliederung in die italienischen Texte hineinwirkt und wie von diesen aus der Raum erst modelliert wird: Der mittelalterlichen, imaginativ gestützten Jenseitsvision bei Dante folgen Modellierungen von Reiseberichten, Utopien, arkadischen Welten, Akademien dialogischer Verständigung und theatralischen Räumen. Sie bringen überhaupt erst die für die Renaissance charakteristische Vorstellung einer 'Vielfalt der Welten' jenseits der unmittelbar sichtbaren Welt hervor. Nicht zuletzt gelingt ihnen das auch, weil sie - für Italien charakteristisch - die Nähe zu den bildenden Künsten herstellen.

Moderne: Erlebnisse im unübersichtlichen Raum

In den neueren Zeiten, von der Aufklärung des 18. Jahrhunderts an, wechseln die Muster der 'Raumsättigung' von Texten. Privater Lebensraum und romantische Rückzugsidyllen werden in Texten dargestellt. "Der Raum wird sozusagen stärker horizontal als ein Kontinuum von Differenzen strukturiert", fasst Prof. Behrens zusammen. In der Moderne schließlich dominieren Verunsicherungen, die einen unübersichtlich gewordenen Raum zu gliedern versuchen und damit die Perspektive der Darstellung deutlich verschieben: Im Mittelpunkt stehen weniger kosmologisch gestützte Modellarchitekturen, die 'Systeme' gegliederten Raums in der Architektur des Textes abbilden oder ausbuchstabieren wollen. In den Vordergrund schieben sich vielmehr Erlebnismodi, die subjektive Beobachtung und Vorstellungen davon, dass räumliche Einheiten überhaupt erst durch individuelle Wahrnehmung, aber auch durch Erleben und Handeln konstituiert werden und damit auch die Traditionen territorialer Herrschaftsräume erodieren.

Titelaufnahme:
Rudolf Behrens, Rainer Stillers (Hg.): Orientierungen im Raum. Darstellung räumlichen Sinns in der italienischen Literatur von Dante bis zur Postmoderne (Studia Romanica 140), Universitätsverlag Winter, Heidelberg 2008. ISBN p78-3-8253-5446-6

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Ruhr-Universität Bochum, Dr. Josef König, 04.04.2008
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veröffentlicht im Schattenblick zum 8. April 2008