Schattenblick →INFOPOOL →BILDUNG UND KULTUR → LITERATUR

SF-JOURNAL/003: Autoren... Jules Verne, der Vater der Science Fiction (SB)


Jules Verne, (1828-1905)


Es ist heute noch so: Wer als Kind Abenteuergeschichten und Märchen liebt, begegnet mit Sicherheit auch dem alten Schriftsteller Jules Verne. Man kennt sie einfach, seine Reiseabenteuer und Abenteurertypen in Gestalt von Professoren, Forschern und Praktikern, die inzwischen zu so großer Popularität gelangten. Eine von ihnen ist zu einer Symbolfigur geworden: Kapitän Nemo aus "20.000 Meilen unter dem Meer", dessen Name auch jetzt noch fest mit allen Seefahrt- und Raumfahrtabenteuern verbunden ist, ob in Comics, Filmen oder Kinderbüchern.

Wie man heute noch zuerst auf Jules Verne stößt, wenn man sich mit Utopien beschäftigt, so war er zu seiner Zeit unverzichtbar für die Verbreitung und Entwicklung von Science Fiction-Literatur. Viele behaupten, daß man ihn als den ersten Science Fiction-Autoren schlechthin bezeichnen kann.


*


Persönliche Daten

Jules Verne wurde 1828 im französischen Nantes als Sohn eines Rechtsanwaltes geboren. Er studierte Jura und übte dann selbst den Beruf des Rechtsanwaltes aus. Schon früh fing er an zu schreiben. Zunächst verfaßte er, vom Vater unterstützt, Theaterstücke (Opernlibretti und Dramen), mit denen er aber keinen Erfolg hatte. Eine Zeitlang lebte er in Pariser Künstlerkreisen, bis er eine junge, reiche Witwe heiratete und durch seinen Vater eine Anstellung als Börsenmakler in Paris bekam, was ihn bald finanziell sorgenfrei machte.

Nebenbei studierte er Naturwissenschaften, begeisterte sich für Erfindungen und Geographie und begann 1863 damit, utopische Abenteuerromane zu schreiben, die wissenschaftlich geprägt waren. Er wählte dafür fast immer die Form des Reiseberichtes, "voyages extraordinaires", die zunächst nur Science Fiction-Elemente enthielten. Der Anlaß zum Verfassen dieser Art von Büchern war zunächst traurig: Verne hatte an der Konstruktion eines Ballons mitgearbeitet, mit dem sein Freund abstürzte. Über die Ballonfahrt schrieb er ein Buch ("Fünf Wochen im Ballon"), das er sogleich erfolgreich bei einem Verleger unterbringen konnte, der das Talent des Schreibers ahnte und ihn auf der Stelle mit weiteren Büchern beauftragte. Jules Verne schrieb durchschnittlich zwei Romane pro Jahr und war schließlich der berühmteste frühe Science Fiction-Autor. Seine Werke wurden in 143 Sprachen übersetzt, viele seiner Romane mehrfach verfilmt, und er übte mit seiner schon sehr prosabetonten Art zu schreiben großen Einfluß auf nachfolgende Autoren aus.


*


Werke

Jules Verne nahm viele technische Entwicklungen des 20. Jahrhunderts in seinen Ausführungen vorweg. Das gelang ihm unter anderem, weil er sich sehr genau und fortlaufend über Neuerungen, Erfindungen und Tendenzen auf technischem Gebiet informierte. Er hatte sich eine Zettelkartei angelegt, die Auszüge aus wissenschaftlichen Zeitungsartikeln und Büchern enthielt und später aus 20.000 Notizen bestand. Entsprechend waren die Ideen in seinen Romanen oft nicht neu, sondern er beschrieb fortgeschrittene Entwicklungen bereits existierender technischer Modelle, die er selbst voraussah, zum Beispiel weiterentwickelte Ballons oder U-Boote.

Vernes Vorbilder waren unter anderem "Robinson Crusoe" von Daniel Defoe, Edgar Allan Poe und Sir Walter Scott. Von den Autoren, die er bewunderte, übernahm er oft Ideen für die Rahmenhandlung seiner einfachen Geschichten wie Entführungen, Suchaktionen, geheimnisvolle und riskante Unternehmungen.

Er schrieb meist für jugendliche Leser und zwar nicht nur utopische Romane, sondern auch spannende Abenteuerromane wie "Michael Strogoff, der Kurier des Zaren". 1863-1878 erschienen allein fünf seiner berühmtesten Romane: "Fünf Wochen im Ballon", "Reise zum Mittelpunkt der Erde", "Von der Erde zum Mond", "20.000 Meilen unter dem Meer" und "Reise um die Erde in 80 Tagen". Da aus der Art der Lösung seiner Romankonflikte oft eine gewisse Frömmigkeit sprach, wurde er von Papst Leo XIII belobigt.


*


Leseprobe

Um Geschmack an Inhalt und Schreibweise seiner Werke zu bekommen, bietet sich zunächst an, sich einen kleinen Eindruck von der Zeit zu verschaffen, in der Jules Verne gelebt hat. Sie war dominiert von einer Vielzahl technischer Entwicklungen: Kanalbauten, neue Eisenbahnwege, Ozeandampfer ermöglichten schnelle Reisen, wodurch die Welt eroberbar erschien. Entsprechend wurden zu dieser Zeit die entferntesten Teile der Erde erforscht: Afrika, Arktis und Antarktis. Tiefseekabel durch den Atlantik 1866 ermöglichten eine ständige Verbindung zwischen Europa und den Vereinigten Staaten. Für das Leben in der Zivilisation hatte man sich mehr Komfort geschaffen: Es gab jetzt elektrisches Licht und Straßenbahnen, Grammophone und Kunststoffe.

Es folgen drei Beispiele aus Jules Vernes Roman "20.000 Meilen unter dem Meer", die typisch für die Themen sind, um die es in seinen Werken geht und die gleichzeitig seine Zeit widerspiegeln.

Das U-Boot "Nautilus" mit erstaunlichen technischen
Einrichtungen:

Es gibt eine starke, folgsame, rasche, willige, zu allem dienliche Kraft. Sie leistet mir alles, beleuchtet, erwärmt, ist die Seele meiner mechanischen Werkzeuge. Diese Kraft ist eine besondere Elektrizität. [...] meine Elektrizität ist nicht die, welche jedermann kennt. [...] Sie kennen die Bestandteile des Meerwassers. Von tausend Gramm sind sechsundneunzigeinhalb Hundertteile Wasser, etwa zwei und zwei Drittel Chlorsodium, sodann in geringer Quantität Chlormagnesium und salzsaures Kali, Brom-Magnesium, schwefelsaures Magnesium, schwefelsaurer und kohlensaurer Kalk. Sie sehen also, daß sich Chlorsodium in ansehnlichem Verhältnis dabei befindet. Dieses Sodium nun ziehe ich aus dem Wasser und bereite daraus meine Elemente. [...] Mit Merkur vermischt, bildet es ein Amalgam, welches bei den Bunsenschen Elementen das Zink ersetzt. Merkur verbraucht sich nie, nur das Sodium wird verzehrt, und dieses gewinne ich aus dem Meer unmittelbar. [...] Dem Meer verdanke ich alles, es verschafft die Elektrizität, und diese gewährt dem Nautilus Wärme, Licht, Bewegung, kurz, sein Leben."
(S.55f)


*


Erste Begegnung mit Kapitän Nemo: Wissenschaftler, Forscher, Praktiker - und eine geheimnisvolle Gestalt:

Der zweite hatte sehr markante Züge. Ich erkannte leicht als hervorstechende Charaktereigentümlichkeiten: ein Selbstvertrauen, das mit kalter Sicherheit aus den schwarzen Augen strahlte; Gelassenheit, ruhiger Blick, Energie und Mut. Der Mann war stolz, sein fester und ruhiger Blick schien hohe Gedanken zu bergen, und aus all diesem, die Übereinstimmung von Körperbewegungen mit den Gesichtszügen, sprach unbestreitbar eine offene Seele. Unwillkürlich fühlte ich mich in seiner Gegenwart beruhigt, und ich ahnte nur Gutes von unserer Unterredung.

Ob dieser Mann 35 oder 50 Jahre als war, hätte ich nicht bestimmt angeben können. Er war von hoher Statur, hatte eine breite Stirn und eine gerade Nase, einen klar gezeichneten Mund, prachtvolle Zähne und feine, lange Hände. Seine Augen, etwas weit voneinander abstehend, waren groß und leuchtend. Ihr Blick drang tief in die Seele. (S.33)

[...] welches Vertrauen ich zu meinem Nautilus hege, da ich dessen Kapitän, Erbauer und Ingenieur in einer Person bin." (S.62)

[...] wenn Kapitän Nemo immer noch im Meer haust, seinem Adoptivvaterland, so möge sich der Haß in diesem wilden Gemüt beschwichtigen lassen! Die Anschauung so vieler Wunder möge den Rachedurst in ihm austilgen! Möge der strafende Richter aufhören und der Gelehrte die friedliche Erforschung des Meeres fortsetzen."
(S.248)


*


Das Meer - eine neue Möglichkeit der Nahrungsmittelnutzung

Das Meer befriedigt alle meine Bedürfnisse. Bald werfe ich meine Zugnetze aus und ziehe sie zum Bersten voll wieder herein, bald gehe ich mitten in diesem Element, das dem Menschen unzugänglich zu sein scheint, auf die Jagd und erlege Wild in meinen unterseeischen Waldungen. Meine Herden weiden, gleich denen des alten Hirten Neptun, ohne Furcht auf dem unermeßlichen Wiesenland des Ozeans. [...] Kosten Sie alle diese Speisen. Jene Sahne dort ist von der Milch von Seesäugetieren, und der Zucker kommt von dem großen Fucus des Nordmeeres; erlauben Sie mir, von dem Anemonenkonfekt anzubieten, welches dem schmackhaftesten Obst gleichkommt.

[...] Aber dieses Meer, Herr Arronax, gewährt mir nicht nur die vortreffliche Nahrung, sondern auch Kleidung. Die Stoffe Ihrer Kleider sind aus den Fasern einiger Muscheln gewebt und mit antikem Purpur gefärbt. Das Parfüm auf der Toilette Ihrer Kabine ist aus Seepflanzen destilliert. So sind Ihr Bett, Ihre Feder und Tinte aus Bestandteilen gemacht, welche das Meer liefert. (S.49)


(Die Beispiele sind entnommen aus Jules Verne: 20.000 Meilen unter dem Meer, Atlas Verlag, Köln)


*


Autoren
- Persönliche Daten
- neue Akzente für die Science Fiction-Literatur
- Zur Schreibtechnik
- Stellungnahmen zur Science Fiction
in Interviews und Romanen
- Werke mit Auszeichnungen und Verfilmungen
- Leseproben

Erstveröffentlichung 1997

5. Januar 2007