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SF-JOURNAL/025: Autoren... A.+B.Strugatzki, führende sowjet. Erzähler (SB)


Arkadi und Boris Strugatzki, (Arkadi 1925-1991), (Boris geb. 1931)


Weder Zensur noch Übersetzungsprobleme können die
Strugatzkis stoppen. Sie sind Erzähler mit Grips.

(aus: John Clute: Science Fiction. Die illustrierte
Enzyklopädie, Heyne Verlag München 1996, S. 165)


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Persönliche Daten und Werke

Arkadi und Boris Strugatzki gelten als die bedeutendsten Vertreter der russischen, sogar der ganzen osteuropäischen Science Fiction.

1925 wurde Arkadi in Batumi geboren. Er besuchte die Hochschule für Fremdsprachen in Moskau und diente nach seinem Abschluß in der russischen Armee als Offizier. Später arbeitete er am Moskauer Institut für Information als Übersetzer für Englisch und Japanisch (u.a. moderne japanische Autoren). Nebenbei war er mehrere Jahre als Lektor in Verlagen tätig. Er starb 1991 in Moskau.

Sein jüngerer Bruder Boris wurde 1933 in Leningrad geboren. Er studierte dort Astronomie und arbeitete an der Sternwarte Pulkowo als Astronom. 1964 ließen sich die beiden als freie Schriftsteller nieder, Boris in Leningrad und Arkadi in Moskau.

Seit Arkadis Tod schreibt Boris allein und sehr selten.


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Die Werke der beiden Brüder sind weit über die Sowjetunion hinaus bekannt und in zahlreiche Sprachen übersetzt worden. Mit wachsendem Erfolg umgingen sie immer eindeutiger und offener die Auflagen der Zensur. Sie nutzten zunehmend die kulturelle Öffnung der ehemaligen Sowjetstaaten für westliche Einflüsse und besuchten ohne Schwierigkeiten Weltcons in den USA.

Ihre ehemals in der Science Fiction verschlüsselte Kritik ist schwer zu verstehen, denn der äußere Rahmen ihrer Erzählungen war dadurch bestimmt, daß die unbekannten Welten den Annahmen des offiziellen Marxismus-Leninismus nicht widersprechen durften. Der Schwerpunkt lag auf dem Bild von einer positiven Zukunft mit friedfertigen Menschen und gutem Romanende.

Später setzten sie einen eigenen Stil und andere Themen durch.

Viele ihrer Erzählungen wurden verfilmt. Andrej Tarkowski machte aus der Erzählung "Picknick am Wegesrand" (1972) den berühmten Film "Stalker", wobei er die Vorlage jedoch beträchtlich veränderte. Es geht um den von außerirdischen Besuchern auf der Erde zurückgelassenen Müll, dessen Überreste sich für Einheimische als hochgefährlich erweisen.

In einer deutsch-sowjetischen Filmproduktion folgte "Es ist nicht leicht, ein Gott zu sein".


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Leseprobe

1968 schrieben die Strugatzki-Brüder die Erzählung "Die zweite Invasion der Marsianer", "eine Parabel der Feigheit und Anpassung" (Buchrücken). Schleichend durch Flüsterpropaganda und die unkontrollierbare Ausbreitung von Gerüchten verliert der Mensch seine Vorstellung, als "Krone der Schöpfung" zu handeln und läßt sich aus rein opportunistischen Erwägungen die Vorherrschaft der Marsianer gefallen:

Einige Freunde diskutieren die Frage: Ist unsere Sache verloren?

Und Charon redete. Er sagte, die Menschen hätten keine Zukunft mehr. Der Mensch habe aufgehört, die Krone der Schöpfung zu sein. In Hinkunft - jetzt und für alle Ewigkeit - wird der Mensch eine gewöhnliche Naturerscheinung sein wie ein Baum oder ein Pferd, mehr nicht. Und überhaupt, die Kultur und der ganze Fortschritt haben jeglichen Sinn verloren. Die Menschheit ist nicht mehr auf ihre Selbstentwicklung angewiesen - das wird künftig von außen besorgt. Keine Schulen werden mehr benötigt, keine Institute und keine Laboratorien; man kommt fortan ohne Gemeinschaftsdenken, ohne Philosophie, ohne Literatur aus - kurzum - all das, was bisher den Unterschied zwischen einem Menschen und einem Rindvieh ausmachte und was man Zivilisation zu nennen pflegt, ist demnach überflüssig geworden. [...] Die Geschichte der Menschheit endet somit nicht etwa im Getöse einer kosmischen Katastrophe oder in den Flammen eines Atomkriegs, ja, nicht einmal im Schraubstock einer Überbevölkerung, sondern in einer geruhsamen, gesättigten Stille.
(S. 111)

Es folgt die Gegenargumentation. Zu Charon:

Versucht es doch einzusehen, daß der Mensch einzig und allein Ruhe und eine gesicherte Zukunft braucht! Es ist doch nichts Schreckliches passiert! Sie, Charon, haben soeben behauptet, der Mensch sei eine Magensaftfabrik geworden. Das sind lauter große, schallende Worte, Charon. Wenn du es wissen willst, handelt es sich in diesem Falle ausschließlich um eine Art Abkommen auf Gegenseitigkeit. Der Mensch lebt nun unter neuen Existenzbedingungen und hat ein hervorragendes System ausfindig gemacht, aus seinen physiologischen Vorräten Nutzen zu ziehen und sich damit ein sicheres Dasein auf dieser Welt zu gewährleisten. Sie, Charon, bezeichnen das als Sklaverei, während jeder vernünftige Mensch darin ein ganz normales Tauschgeschäft sieht, das gegenseitige Vorteile mit sich bringt. (S. 113f)
(aus Arkadi und Boris Strugatzki: Die zweite Invasion der Marsianer, Erzählung, Deutsch von Giuseppina Moribioli 1973, Suhrkamp 1994)


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Autoren
- Persönliche Daten
- neue Akzente für die Science Fiction-Literatur
- Zur Schreibtechnik
- Stellungnahmen zur Science Fiction
in Interviews und Romanen
- Werke mit Auszeichnungen und Verfilmungen
- Leseproben

Erstveröffentlichung 1997

8. Januar 2007