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SF-JOURNAL/038: Bücher... W.Rohr, deutsche Planetenromane der 50er (SB)


Deutsche Klassiker

Die deutschen Planetenromane von Wolf Detlef Rohr -
ein Abbild der 50er Jahre


Als eine kleine Fundgrube für amerikamüde Science Fiction-Fans erweisen sich die "W.D. Rohr-Utopia-Bestseller aus Raum und Zeit", die in den 80er Jahren unter der Redaktion von Günter M. Schelwokat im Erich Pabel Verlag erschienen sind; mit dieser Taschenbuchreihe wurden die Erfolgsromane von W.D. Rohr neu aufgelegt.

Seine weit bekannten sogenannten "Planetenromane" - auch "Utopische Thriller, Weltraum-Abenteuer, Weltraumkrimis" genannt -vermitteln einen ausgeprägten Eindruck des Zeitgeistes der 50er Jahre, in denen sie geschrieben sind. Der Zukunft gegenüber waren die Wissenschaftler optimistisch eingestellt. Man glaubte an die technische Entwicklung und war der Meinung, sie könne die Lebensqualität steigern. Entsprechendes Ansehen genossen die Forscher. Einen wichtigen Stellenwert hatten die Taten einzelner, die aufgrund ihrer moralischen Einstellung die Welt für alle verbessern sollten. Adenauer, Wiederaufbau und Wohlstandsgesellschaft - das war der Rahmen der 50er Jahre in Westdeutschland. Die Reaktion auf das restaurative Klima bestand aus einer frühen Anti-Atombewegung und Halbstarkenkrawallen sowie einer Reihe wirtschaftlicher Erwägungen aufgrund der sich schon abzeichnenden Umweltzerstörung. Unter anderem hegte man so weitgesteckte Pläne wie die Suche nach Wasser auf Mond und Mars oder Uranvorkommen auf den Saturnmonden. Die Ausrichtung auf den Weltraum nahm in UFO-Hysterie und Filmvisionen von grünen Marsmännchen, Weltraum-Invasoren oder -monstern Gestalt an.

In Wolf Detlef Rohrs Weltraum-Abenteuern spiegelt sich die gesellschaftliche und wirtschaftliche Entwicklung der 50er Jahre in den Absichten seiner Helden - meist Wissenschaftler, Reporter, Piloten, Techniker - und deren Entscheidungen in Konfliktsituationen wider. Sie haben praktische, technische (wenn auch noch utopische) Lösungen zur Hand, die Einfälle gehen ihnen nicht aus, stets bleiben sie "Herren" der Lage (die Rolle der Frauen ist entsprechend der 50er Jahre weniger zukunftsweisend angesetzt). Die letzte Überlegenheit besteht darin, sich mit Sinn und Verstand zum Wohle der Menschheit selbst zu opfern.

Da gibt es zum Beispiel das berühmte Team um den Forscher und Weltraumpionier Dr. Albertus mit seiner "reizenden" Tochter Charmaine und ihrem Ehemann Sugar Pearson, einem Reporter, und weiteren Freunden und Interessenten. Seine Weltraumlichtrakete bewegt sich mit Überlichtgeschwindigkeit auf sogenannten interplanetaren, tragenden Magnetkraftfeldern, die er aufgrund der Gravitationsverhältnisse innerhalb des Sonnensystems errechnet. Ob Albertus nun den Rätseln des Jupiter, den Diamentenfeldern und Uranvorkommen auf den Saturnmonden oder der verschollenen Raumflotte auf Uranus auf der Spur ist, stets ist seine Mission friedlicher Natur, sind seine Motive wohlgesonnen und seine Entscheidungen unbeeinflußbar von machtgierigen Interessen. Zur Entspannung trinkt er Kaffee, was nebst Zigarettenrauchen eine wichtige Nebenrolle in allen Romanen spielt. Er begegnet Invasoren, die sich Macht über alle Universen wünschen und die Menschheit versklaven wollen, unbesiegbaren nicht- intelligenten Monstern, die erst dann zu vernichten sind, als man das alte Maschinengewehr wiederentdeckt, und nicht zuletzt habgierigen Verbrechern unter den Menschen selbst, die mit seiner Tochter als Geisel im Weltraum verschwinden.

Die Grundkonflikte der Romane scheinen heute einfach und durchschaubar, was ihrer Qualität keinen Abbruch tut, denn die Spannung baut sich durch ein umfangreiches Spektrum an Handlungsmöglichkeiten für die Helden auf, die ohne das detaillierte Wissen Rohrs über technische Entwicklungen gar nicht denkbar wären. Das schnurlose Telefon ist raffinierter Helfer in der Not, Rechengehirne arbeiten mit endlos langen Zahlenausdrucken ohne Bildschirm und es muß nachgerechnet werden, weil man den Ergebnissen noch nicht traut. Es gibt Bildfernsprecher, Dimensionsebenen, Zeitverschiebungen, sprachlose Kommunikation mit Gehirnantennen und Gedankenprojektionen, Cyber"monster" und hochintelligente Gesellschaften ohne Kriege und Aggressionen.

Aber einige "Annehmlichkeiten" seiner Zeit ändern sich wohl für Rohr auch in der Zukunft nicht: Es gibt nirgends eine andere Gesellschaftsstruktur. Lebensformen, wo auch immer, scheinen sich in Arme und Reiche zu teilen, Neger bleiben Neger und Frauen bleiben begehrenswertes Besitztum, das trautes Heim und Familie gewährleistet. Hier einige Beispiele:

Kapstadt lag eingebettet in die felsigen Ausläufer des Tafelberges, und die letzten wenigen Grünflächen waren weißen Wohnburgen gewichen. Nur der blaue Himmel verlieh diesem Gebiet Farbe, und einige schwarzglänzende Negergesichter über weißer Kleidung, die auf den Straßen zu sehen waren.
(aus "Die Ungeheuer des Jupiter", Utopia Bestseller Nr. 25, 1954, S.47)

Hier die etwas begriffsstutzige, aber attraktive Sekretärin und Vorzimmerdame für die Chefetage, Rosita, "die eine Figur wie eine Porzellanpuppe hatte". Ihr Wert besteht darin: "Rosita stand auf der fünften Stufe der Landetreppe und Chester Torre fand Zeit, ihre langen, schmalen Beine zu bewundern. Rosita besaß Fesseln, die mit Daumen und Mittelfinger einer Hand umspannt werden konnten, während die braunen Beine verführerisch unter einem weiten Rock aus lichtblauem Nylon verschwanden, wozu sie ein lilafarbenes, enganliegendes Mieder trug, das auch jetzt wieder die braunen, glänzenden Schultern freiließ."

Sollte sich W.D. Rohr in diesem Punkt seiner Utopien getäuscht haben?


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Wolf Detlef Rohr lebte von 1928 bis 1981. Er gehört zu den Begründern der neueren deutschsprachigen Science Fiction. Bevor er jedoch in diesem Genre schrieb, hatte er schon eine beträchtliche Anzahl von Krimis für die bundesdeutsche Leihbuchverlag-Szene geschrieben. Mitte der 50er Jahre war er als Schriftsteller und Literaturagent eine der einflußreichsten Persönlichkeiten des 1958 aus dem Science Fiction Club Deutschland hervorgegangenen Science Fiction Club Europa.

Von 1958 bis 1960 gab Rohr das erste professionell gedruckte Fan- Magazin ("Blick in die Zukunft") heraus, 1960 wurde er Chefredakteur des kurzlebigen Jugendmagazins "Hallo". Danach zog er sich ganz vom SF-Literaturbetrieb zurück.

Rohr veröffentlichte zwischen 1951 und 1963 mehr als 100 Romane, teilweise unter den Pseudonymen Wayne Coover, Allan Reed und Jeff Caine.


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Hier einige Titel aus der W.D. Rohr Utopia-Bestseller Reihe, um bei Interesse für den antiquarischen Einkauf einige Anhaltspunkte zu haben:

* W.D. Rohr: Die Ungeheuer des Jupiter, Pabel Verlag Rastatt 1981, 1954 by Rohr, Utopia Bestseller Nr. 25

* W.D. Rohr: Auf den Monden des Saturn, Pabel Verlag Rastatt 1981, 1954 by Rohr, Utopia Bestseller Nr. 26

* W.D. Rohr: Uranus schweigt, Pabel Verlag Rastatt 1981, 1954 by Rohr, Utopia Bestseller Nr. 27

* W.D. Rohr: Neptun - Stern der blauen Zwerge, Pabel Verlag Rastatt 1981, 1955 by Rohr, Utopia Bestseller Nr. 28

* W.D. Rohr: Der weiße Planet Pluto, Pabel Verlag Rastatt 1981, 1955 by Rohr, Utopia Bestseller Nr. 29

* W.D. Rohr: Wächter im All Pabel Verlag Rastatt
1981, 1960 by Rohr, Utopia Bestseller Nr. 30


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Erstveröffentlichung 1999

5. Januar 2007