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FRANZÖSISCH/165: Heinz-Otto Hohmann - Grammatisches Lernlexikon Französisch (SB)


Heinz-Otto Hohmann


Grammatisches Lernlexikon Französisch

Grundlagenwissen alphabetisch mit Beispielen und Kurztests



Grammatik erscheint gemeinhin als der schrecklichste, weil langweiligste und schwierigste Aspekt am Sprachenlernen, doch diese Tatsache hängt eher mit dem heutigen Lehrbetrieb zusammen und hat nicht viel mit den Erkundungen in einer fremden Sprache zu tun, die in jeglicher Hinsicht zum Abenteuer werden können.

Die ursprüngliche Bedeutung des Begriffs Grammatik war eine völlig andere als die heutige, die sich im Allgemeinverständnis ausschließlich auf die Struktur von Sprache bezieht. Grammatik hieß zunächst Schriftkenntnis - griechisch: grammatike (téchne). grámma(ta), der Buchstabe oder die Schrift, tritt hier in Verbindung mit tike (téchne), also Kenntnis und Fertigkeit. Während Grammatik im Mittelalter noch die gesamte Sprach- und Stillehre des Lateinischen inklusive der Rhetorik umfaßte, das unseren Sprachraum erheblich beeinflußt hat, haben sich heute zumindest in der Sprachwissenschaft recht unterschiedliche Ansätze durchgesetzt. Zum einen wird unter einer "Grammatik" ein Lehr- oder Nachschlagewerk verstanden, das die formalen Aspekte einer Sprache zum Inhalt hat. Zum anderen faßt man darunter, wie bereits erwähnt, die Struktur der Sprache, also rein formale Aspekte wie Wort- und Satzbildung ohne Berücksichtigung von Aussprache und Bedeutung, soweit dies überhaupt möglich erscheint. Ein im Verhältnis dazu erweiterter Begriff sieht Grammatik als "strukturelles Regelsystem, das allen sprachlichen Produktions- und Verstehensprozessen zugrundeliegt" [1], während sich weitere sprachwissenschaftliche Ansätze mit Grammatik als einem Modell zur Abbildung eines unbewußten Regelapparates befassen oder beobachtbare Muster und Regelmäßigkeiten darzustellen suchen. Aus einem solchen Verständnis rührt auch der Versuch, eine allen Sprachen immanente, gleichsam universalgültige grammatische Struktur nachzuweisen. Ins Auge fassen könnte man vielleicht eher, daß allen Sprachen gemein sein könnte, daß sie eine Umsetzung ursprünglich vielfältiger Ausdrucks- und Verständigungsmöglichkeiten in eine standardisierte, gebändigte Form sind, ohne die der gesellschaftliche Verkehr von Menschen und Waren schwer zu denken wäre.

Als sprachbegeisterter Mensch muß man allerdings angesichts der Fragen, die sich mit diesen recht unterschiedlichen Überlegungen auftun, nicht die Zuversicht verlieren und kann Grammatik für diesen Moment einfach als Sprachlehre oder "das sprachliche Wissen eines kompetenten Vertreters der Sprache" [2] sehen, womit wir dann schon beim Autoren des vorliegenden Lernlexikons angekommen wären.

Heinz-Otto Hohmann ist ein Profi, der sich schon lange mit Fragen des Fremdsprachenunterrichts beschäftigt und dabei sichtlich einen Schwerpunkt auf die Erweiterung der Ausdrucks- und Verständnismöglichkeiten unter Einbeziehung des jeweiligen Kontextes legt, in dem ein Wort oder eine Wendung auftaucht. Unter Kontext ist hier sowohl die Sprechsituation als auch der Satz zu verstehen, in dem der jeweilige Begriff erscheint. Das Lernen isolierter Worte, also das Pauken von eins zu eins übersetzten Vokabeln gehört ganz sicher nicht zu seinen Empfehlungen, obgleich natürlich der Kontext, wenn man nicht eine ganze Erzählung oder einen Roman heranzieht, immer noch die Form einer Beschränkung annimmt.

Die Auseinandersetzung mit einer Sprache über einen langen Zeitraum und unter den unterschiedlichsten Aspekten macht augenscheinlich erfindungsreich. Nachdem kürzlich (2006) Otto Hohmanns französisch-deutsche sowie englisch-deutsche Diskussionswendungen mit Anwendungsbeispielen [3] im Reclam-Verlag erschienen sind, liegt nun mit dem Grammatischen Lernlexikon Französisch ein weiteres kleines Bändchen vor, das man angesichts seines bescheidenen Auftretens glatt unterschätzen könnte. Natürlich geht es hier um Grammatik, aber in einem so umfassenden Sinne, daß man das Lernlexikon schließlich eher als kleinen sprachlichen Helfer versteht, denn als Überbringer schlechter Nachrichten bezüglich Satzbauregeln und Verbformen.

Lernlexikon heißt, daß es sich zum einen um ein Nachschlagewerk handelt, das durch seinen alphabetischen Aufbau den schnellen Zugriff auf unterschiedliche grammatische Fragestellungen ermöglichen soll, die man in nach Themenbereichen gegliederten Lehr- oder Nachschlagewerken möglicherweise schwer findet. Diese Art der Organisation erleichtert den Zugriff auf Informationen. Die teils recht ausführlichen Einträge führen von "à" über "Adjektiv" zu weiteren Wortarten und -kombinationen, Fällen und Zeiten bis hin zur Präposition "y". Zum anderen bieten die Anhänge, angelehnt an die lexikalischen Einträge, Gelegenheit zur Vertiefung, weiteren Beschäftigung und Überprüfung erworbener Kenntnisse. Die Anhänge I-III nehmen sogar ein Drittel des Buches ein und umfassen:

I Übersicht über die Verbformen,
II Übersetzungskurztests (vom Deutschen ins Französische),
III Lösungen zu den Übersetzungskurztests.

Dieses Werk ist akribisch durchorganisiert und seiner ineinandergreifenden Struktur kann man sich anvertrauen. Sie ermöglicht, gleich, ob man eine bestimmte Frage bearbeitet oder ob man lediglich nach diesem oder jenem stöbert, beim Thema zu bleiben und einem Faden zu folgen. So verweist der Autor gegebenenfalls auf den weiterführenden Anhang und entsprechenden Kurztest.

Nehmen wir das kleine Wörtchen "en":

en (z.B. von dort, davon, darüber)

Vous avez parlé de cette affaire? - Oui, nous en avons parlé longuement. (Haben Sie [Habt ihr] über diese Angelegenheit gesprochen? - Ja, wir haben lange darüber gesprochen.)

• Wenn man eine Ergänzung mit de nicht wiederholen möchte, kann man sie durch en ersetzen

Beispiele:

Es folgen fünf Beispiele:

• en steht direkt vor der Verbform: Nous en parlerons. (Wir werden darüber sprechen.) / Nous n'en parlerons pas. (Wir werden nicht darüber sprechen.) Bei der Verneinung einer mit einem Hilfsverb gebildeten Verbform wird en + Hilfsverb von der zweiteiligen Verneinung (ne ... pas, ne ... plus, usw.) umschlossen. Nous n'en avons pas parlé. (Wir haben nicht darüber gesprochen.)

• Redewendungen: - J'en ai pour cinq minutes
(Ich brauche nur fünf Minuten / Ich bin in fünf Minuten wieder da.)

Es folgen fünf weitere Redewendungen und dann der Hinweis auf den

Kurztest -> AII, KT 14

Also: siehe Anhang II, Übersetzungskurztest Nr. 14. Dort nachgeschlagen:

en KT 14

Lösungen -> A III, KT 14/L 1. Habt ihr von der (über die) Reise gesprochen (mit »est-ce que«)? - Nein, wir haben nicht davon (darüber) gesprochen.

Es folgen sechs weitere zu übersetzende Sätze und nachgeschlagen unter Anhang III:

en KT 14/L

1. Est-ce que vous avez parlé du voyage? - Non, nous n'en avon pas parlé.

etc.


Dieses Nachschlagewerk will Grundlagenwissen vermitteln. Es stellt den Versuch dar, eine Grammatik vorzulegen, die verständlich und handhabbar ist, auf jede grundlagenwissenbezogene Frage eine Antwort weiß sowie ein umfassendes Lehrmittel bietet. Dabei beschränkt es sich auf die kommunikativ besonders wichtigen Strukturen, bietet also vor allem eine Hilfestellung für das Gespräch, für Prosatexte, für die Mediennutzung, weniger für klassische Texte, also die gehobene Literatur, mit der sich auch nicht unbedingt jeder Französisch-Lernende überhaupt beschäftigen wird. Es befaßt sich vorzugsweise mit Aspekten der französischen Standard- und Alltagssprache, die Schwierigkeiten aufwerfen könnten; Vollständigkeit ist nicht beabsichtigt. Trotzdem hat das Passé simple hier seinen Eingang gefunden, was freut, denn diese literarische Zeitform des Verbs droht gemeinsam mit dem Passé antérieur im allgemeinen Umgang auszusterben. Hingegen fehlt, um auch hier ein Beispiel zu nennen, die weiterführende Thematisierung der Adverben, die je nach Stellung vor oder nach dem Verb ihre Bedeutung verändern. Dieses hätte sicherlich den Rahmen gesprengt. Der obigen Definition [2] gemäß sind viele Fragen aufgenommen, die man heute nicht als Grammatik versteht wie beispielsweise Redewendungen oder Ländernamen.


Ein Schatz ist die Übersicht über die Verbformen, die fast die Hälfte der Anhangseiten einnimmt. Sie bietet:

1. Ableitungsmodelle der Zeiten bei den regelmäßigen und reflexiven Verben, jeweils mit »Ableitungsformel 7« und sprachlichen Erläuterungen
1.1 Verben auf -er: parler (sprechen)
1.2 Verben auf -re: attendre (warten)
1.3 Verben auf -ir: r‹fléchir (nachdenken)
1.4 Reflexive Verben: se reposer (sich ausruhen)
1.5 Sprachliche Erläuterungen

2. Übersicht über die Zeiten mit jeweils allen Formen des Beispielverbs sowie der Hilfsverben avoir und être - Zeilenkurzübersichten: reflexives Verb und Passiv - Übersicht über die Formen des »passé simple«
2.1 parler (sprechen)
2.2 Zusammengesetzte Zeiten der mit être verbundenen Verben: arriver (ankommen)
2.3 avoir (haben)
2.4 être (sein)
2.5 Reflexive Verben
2.6 Passiv
2.7 Übersicht über die Formen des »passé simple«

3. Die wichtigsten unregelmäßigen Verben alphabetisch jeweils als »Ableitungsformel 7«


Dieses Werk ist von erfreulicher Gründlichkeit und steht schon allein damit dem Trend, sich mit keiner - und Grammatik schon gar nicht - Frage wirklich tiefgehend auseinanderzusetzen, entgegen. Es bietet eine Hilfestellung für den systematisch Lernenden wie für jenen, der aus dem Moment heraus das eine oder andere zur Klärung nachschlagen möchte. Heinz-Otto Hohmann hat hier ganz zweifellos seine über lange Jahre hinweg gesammelte Fachkompetenz und seine ansteckende Freude an der Beschäftigung mit Sprache und Fremdsprachenerwerb eingebracht.

19. Dezember 2008


[1] Lexikon der Sprachwissenschaft, hrsg. von Hadumod Bußmann, Alfred Kröner Verlag, 2002, "Grammatik", S. 259
[2] Sachwörterbuch zur Sprachwissenschaft, von Dietrich Homberger, Philipp Reclam jun. Stuttgart, 2003 - "Grammatik", S. 187
[3] im Schattenblick siehe unter: -> Infopool -> Bildung und Kultur -> Sprachen ->
FRANZÖSISCH/158: Lehrmittel... H.-O. Hohmann - Discuter en français
(SB)


Heinz-Otto Hohmann
Grammatisches Lernlexikon Französisch
Grundlagenwissen alphabetisch mit Beispielen und Kurztests
Philipp Reclam jun. GmbH & Co., Stuttgart 2008
Reihe Fremdsprachentexte
Reclams Universal-Bibliothek Nr. 19743
190 Seiten, 4,80 Euro
ISBN 978-3-15-019743-1