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REZENSION/057: Alice Hoffman - Im Hexenhaus (Magie) (SB)


Alice Hoffman


Im Hexenhaus



Ein süffiger Roman, der eine Menge der üblichen Vorstellungen über Magie zu einer Geschichte verstrickt. Es tauchen also rote Haare auf genauso wie abergläubische Ratschläge. Auch Hellsichtigkeit fehlt nicht und ebensowenig geheimnisvolle Magie, die ohne Ritual oder Zauberspruch auskommt, aber trotzdem Ergebnisse erzielt.

Vorzugsweise handelt es sich jedoch um einen Frauenroman, denn das Thema rankt vor allem um die allesverzehrende große Liebe. Beim Lesen beschleicht einen das Gefühl, als säße man bei einer Tasse Kaffee und ließe sich den neuesten Klatsch aus der Nachbarschaft erzählen.

Zwar nicht unspannend das Ganze, denn die beiden Hauptpersonen müssen nebenbei eine Leiche beseitigen, dessen unruhiger, böser Geist allen Angehörigen Schaden zufügt. Doch das Hauptgewicht des Romans liegt bei den Schwierigkeiten pubertierender Mädchen, die sich mit der Schneewittchen-Frage "Wer ist die Schönste im ganzen Land?" herumschlagen. Kaum anzunehmen, daß solcherlei Thematik männliche, an Zauberei interessierte Leser vom Sofa reißen wird.

Wiewohl die geschickt eingeflochtenen abergläubischen Empfehlungen vom rezeptsüchtigen Publikum sicherlich begierig aufgesaugt werden, und der magische Spannungsbogen gut gehalten ist, verläßt die Geschichte nicht die Liebesroman-Ebene, in die sich eine kleine Kriminalstory mixt. Für diejenigen, die dergleichen Bücher mögen, liegt hier ein echter Wochenend- Schmöker vor, der sich zweifellos in den Trend der Zeit einreiht und in dessen fein beobachteten Beziehungs-Clinch sich durchaus so manche Mutter, Tochter, Schwester, Tante oder Nichte wiederfinden kann.

Magisches ist so selbstverständlich in die Geschichte eingebaut, daß der Leser gerne mehr vermutet, als vorhanden. Im Grunde ein recht geschicktes Prinzip, die Ahnungen und Mutmaßungen des Lesers zu bemühen. Natürlich gibt er die Hoffnung nicht auf, auf "echte" Zauberei zu stoßen, aber die Lücken werden allein durch seine eigene Phantasie gefüllt. Den Anstoß dazu liefert die Autorin fraglos, denn die beiden steinalten Tanten bewirken erstaunliche Veränderungen ohne erkennbaren Aufwand.

Bedauerlicherweise bestärkt die Romanschriftstellerin mit dem Bild, das sie entwirft, hartnäckig gängige Klischees. Demnach ist Liebe eine ungeheure Macht, die den Frauen in den Schoß gelegt worden ist. Die Autorin stellt das unentrinnbare sexuelle Verlangen als eindeutiges Indiz für "echte" Liebe dar. Damit repräsentiert sie keine andere Ansicht als sämtliche Liebesromanautorinnen vor ihr. Mit Zauberei hat das herzlich wenig gemein.

Zugute halten kann man allerdings einen Aspekt: Mit den Tanten erhält die Geschichte ein vielversprechendes Element. Da sie im Hintergrund bleiben, sind sie die einzigen, die ein Hauch von geheimnisvoller Magie umgibt. Sie scheinen der Welt kompromißlos gegenüberzustehen, ohne in ernste Schwierigkeiten zu geraten, werden uralt und halten in jeder noch so prekären Situation zu ihren Nichten, auch wenn sie dafür einer Menge Umstände entgegensehen.


Alice Hoffman
Im Hexenhaus
Deutsch von Elke vom Scheidt
Goldmann Verlag, München 1996
313 Seiten
ISBN 3-442-30659-0