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REZENSION/114: Liam Mac Cóil - Fontenoy (Gälisch) (SB)


Liam Mac Cóil


Fontenoy



Nach der Schlacht am Boyne 1690 und der Niederlage der Streitkräfte des vom Londoner Parlament entthronten, katholischen Königs Jacob II. von England, Irland und Schottland im Kampf gegen das protestantische Heer Wilhelms von Oranien - Ereignisse, welche Nordirlands Unionisten bis heute jeden Sommer mit martialischen Umzügen feiern - begab sich 1691 unter der Führung von Patrick Sarsfield ein Großteil des alteingesessenen, katholischen, gälischsprechenden Adels Irlands samt Anhang, insgesamt 12.000 Mann, ins französische Exil. Die tragische Episode wird in Irland unter dem Begriff "Flight of the Wild Geese" ("Flug der Wildgänse") überliefert. Als 1698 Ludwig XIV. von Frankreich Wilhelm von Oranien als englischen König anerkannte, trat das jakobinische Heer als Irische Brigade der königlichen französischen Armee bei.

Bis zur Französischen Revolution 1789 und der republikanischen Neuordnung der Streitkräfte zwei Jahre darauf erwarb sich die Irische Brigade, die permanent durch Rekruten aus der alten Heimat erneuert wurde, unter anderem im Spanischen Erbfolgekrieg (1701-1714), im Siebenjährigen Krieg (1756-1763) und im Amerikanischen Unabhängigkeitskrieg (1775-1783) viel Ruhm. Ihren wichtigsten Sieg errang die aus acht Infanterieregimentern und zwei Kavallerieregimentern bestehende irische Exilarmee während des Österreichischen Erbfolgekrieges (1740-1748) zwischen Großbritannien, Hannover, Österreich und der Niederländischen Republik auf der einen Seite und Frankreich und Preußen auf der anderen.

In der Schlacht bei Fontenoy, die am 11. Mai 1745 an der Schwelde bei Tournai im heutigen Belgien stattfand, schlug die Irische Brigade einen gewaltigen, scheinbar nicht mehr aufzuhaltenden Vorstoß der englischen Infanterie, welche die französischen Linien fast durchbrochen hatte und unmittelbar davor stand, die Stellung von Ludwig XV. einzunehmen, unter enormem Einsatz zurück. Die irischen Brigadisten, die mit dem Ruf "Cuimhnidh ar Luimneach agus ar feall na Sasanaigh!" ("Denkt an Limerick und den Verrat der Engländer!") - ein Verweis auf nicht eingehaltene Verpflichtungen der Engländer nach dem Abkommen von Limerick 1691 - in die Bresche gestürzt sind, trugen damit nicht nur entscheidend zum Sieg Frankreichs bei, sondern erbeuteten auch 20 Kanonen und die Regimentsfahne der Coldstream Guards. Dafür wurden 500 von ihnen entweder getötet oder schwer verwundet. Insgesamt nahmen an der Schlacht bei Fontenoy auf beiden Seiten jeweils rund 50.000 Mann teil. Die Zahl der Verluste - Tote und Verwundete - lag jeweils irgendwo zwischen 10.000 und 20.000.

Diese verheerendste militärische Niederlage, welche die Iren dem "auld enemy" jemals haben beibringen können, steht im Mittelpunkt des Buchs "Fontenoy" von Liam Mac Cóil. 2006 wurde es mit dem Uí-Shúilleabháin-Preis für den besten gälischsprachigen Roman des Jahres ausgezeichnet. Zurecht, denn "Fontenoy" ist weit mehr als ein gelungener Geschichtsroman. Mac Cóil erzählt aus der Perspektive des fiktiven Charakters Seán ó Raghallaigh, der als junger Offizier des Regiments Dillon der Irischen Brigade an der Schlacht teilgenommen haben soll. Das Buch setzt sich abwechselnd aus den Erinnerungen, die ó Raghallaigh 1750 einem französischen Gelehrten im Garten eines Schlosses in Nordfrankreich mitteilt, aus schriftlichen Notizen, welche der Ire zwei Jahre später in einem Archiv in Chartres deponiert haben soll und die erst vor kurzem gefunden wurden, und aus den Reflektionen des Autors über das Wesen des Geschichtschreibens an sich zusammen. Hinzu kommt, daß die lange verschollenen Notizen ó Raghallaighs dem Stil und der Schreibweise der Mitte des 18. Jahrhunderts entsprechen und dadurch dem Leser die dramatischen Ereignisse näherbringen.

Die Sprache Mac Cóils ist teilweise auch sehr poetisch. Dies kommt besonders nach den spannenden Kampfszenen zur Geltung, als ó Raghallaigh, von Übelkeit und Erschöpfung gepackt, das blutüberströmte Schlachtfeld nach gefallenen Kameraden absucht, die anderen Offiziere beim Feiern mit Champagner beobachtet und sich über den grandiosen Sieg und das Lob der Franzosen nicht so richtig freuen kann. Beim Erzählen der Ereignisse kommt es auch zu Spannungen zwischen dem irischen Kriegsveteranen und dem Historiker, der weniger am Schicksal der einfachen Soldaten interessiert ist als vielmehr Informationen über das Verhalten des Königs und des Adels in den entscheidenden Momenten ergattern will.

Im Laufe der Erzählung merkt man, daß für Mac Cóil die Begegnung dieser beiden Männer mindestens so bedeutsam ist wie die Schlacht bei Fontenoy selbst. Hier geht es um das Ende einer Ära, um den Untergang des gälischen Klanlebens. Unmittelbar nach dem Sieg bei der Schlacht von Fontenoy schickte Ludwig XV. die Irische Brigade und den Thronprätendenten Bonnie Prince Charlie, den Sohn Jakobs II., nach Schottland, um dort den Aufstand der Hochländer zu unterstützen. Das Unternehmen der jakobinischen Rückeroberung Großbritanniens mißlingt, als Wilhelm August Herzog von Cumberland mit seiner Streitmacht vom europäischen Festland nach Hause zurückkehrt und die Aufständischen bei der Schlacht von Culloden vernichtend schlägt. In den darauffolgenden Jahren kommt es zu den berüchtigten "Highland Clearances" - die schottischen Lords arrangieren sich mit London und verjagen die eigenen Clansleute zu Hunderttausenden von "ihren" Gütern.

Mac Cóil deutet an, daß ó Raghallaigh an dem gescheiterten schottischen Aufstand teilgenommen hat, was dessen Melancholie und Distanziertheit gegenüber dem französischen Hofberichterstatter erklärt. Wenn nun ó Raghallaigh selbst von "deireadh le Fiannaíocht", dem Ende jenes Heldentums à la Fionn Mac Cumhail, spricht, so ist es doch eine Ironie der Geschichte, daß nur wenige Jahre später James Macphersons Version der keltischen Ossian-Mythen Europas geistige Elite begeistern und mit dazu beitragen sollte, die Romantik herzuvorbringen. Vor diesem Hintergrund erinnert die Begegnung des lebensüberdrüssigen ó Raghallaigh mit dem Geschichtsschreiber, hinter dem sich kein geringerer als Voltaire höchst persönlich verbirgt, stark an diejenige Ossians, des Sohnes Finn Mac Cumhails, nach seiner Rückkehr nach Irland nach Jahrhunderten in Tír na nOg mit Saint Patrick, der gerade dabei ist, das heidnische Land zu christianisieren. Auch wenn Voltaires Zitat aus dem eigenen Gedicht von der Schlacht von Fontenoy [1] dem irischen Offizier im ersten Moment wenig sagt, so schätzt sich letzterer doch am Ende glücklich, daß gerade dieser Meistererzähler die größte Stunde von ihm und seinen Kameraden im Menschengedenken verewigen wird.

5. November 2009

Fußnote:

1. "Le Poëme sur la Bataille de Fontenoy" - zu lesen unter: http://un2sg4.unige.ch/athena/voltaire/volt-fon.html


Liam Mac Cóil
Fontenoy
Verlag Leabhar Breac, Indreabhán, 2005
164 Seiten
ISBN: 1-898332-19-3