Schattenblick →INFOPOOL →BUCH → SACHBUCH

REZENSION/159: Hofbauer - Osterweiterung (Europäische Union) (SB)


Hannes Hofbauer


Osterweiterung

Vom Drang nach Osten zur peripheren EU-Integration



In einer Zeit, in der die historisch beispiellose Bildung einer europäischen Staatenunion von Politik und Presse fast geschlossen auf der vordergründigen Fassade nationalstaatlicher Ressentiments abgehandelt wird und die Menschen bestenfalls mit lexikalisch verkürzten Stichwörtern zu Konvent, Europäischer Rat, EU- Kommission, etc. beliefert werden, sie aber nichts darüber erfahren, welche gravierenden Auswirkungen jenes übergeordnete Institutionengeflecht auf ihrer aller Leben haben wird - und überhaupt das Thema Europäische Union liebend gern auf die Frage reduziert wird, ob der deutsche Außenminister Josef Fischer wohl für den von ihm angeregten EU-Außenministerposten kandidieren wird -, in einer solchen Zeit erscheint das Buch von Hannes Hofbauer über die "Osterweiterung" wie ein Stolperstein auf dem kahlgeschlagenen und eingeebneten Weg, auf dem die Europäische Union gen Osten marschiert.

Im besten Sinne aufklärerisch, ist es dem österreichischen Autor gelungen, nüchterne Statistiken über den politischen, wirtschaftlichen und sozialen Niedergang aller osteuropäischen Beitrittsländer mit Leben zu füllen und der fachlich vorgebildeten Leserschaft wie dem interessierten Laien den gewaltigen Raubzug vornehmlich westeuropäischer Kapitalseigner in den vom vermeintlich unseligen Kommunismus "befreiten" Ländern des RGW-Raums in seltener Detailfülle vor Augen zu führen. Hofbauers Position ist die des politischen Analytikers, der sich auf die Seite der betroffenen Bevölkerungen stellt, die dem vielarmigen Zugriff des kapitalistischen Kraken, der sich aus seiner Akkumulationskrise herauszuwinden bemüht, auf ihre menschlichen, mineralogischen und agraischen Ressourcen nichts Nennenswertes entgegenzusetzen haben und deren Nomenklatura mehrheitlich die Gelegenheit des Umbruchs nach dem Zerfall der RGW (Rat für gegenseitige Wirtschaftshilfe) dazu genutzt hat, sich an einem Teil der Beute festzusaugen und so am Geschmaus zu partizipieren.

Zurecht vergleicht der Autor die heutige Lage der Esten, Litauer, Letten, Polen, Tschechen, Slowaken, Slowenen und Ungarn, die allesamt voraussichtlich im Mai 2004 als Peripheriestaaten der Europäischen Union angegliedert werden, mit einer Notsituation, wie sie ansonsten unmittelbar nach einem Krieg herrscht. Wobei an dieser Stelle ergänzend zu Hofbauer zu sagen wäre, daß die Eroberung der genannten Beitrittsländer durch die EU gelang, ohne daß dazu ein einziger Schuß abgegeben werden mußte. Zumindest gilt dies für die Seite der selbsternannten Befreier vom kommunistischen Joch, wohingegen die Sicherheitskräfte der zehn aktuellen Beitrittsländer sowie Rumäniens und Bulgariens, die frühestens 2007 in die EU eingespeist werden, aufschäumenden sozialen Zorn und Hungeraufruhr durchaus mit Pulverdampf, Tränengas und Gummiknüppeln zu ersticken versuchten.

Überhaupt ist es der allgemeinen Ignoranz der hiesigen Öffentlichkeit geschuldet, daß ergänzend zur wirtschaftlichen und politischen Osterweiterung der Europäischen Union die Eroberung von Lebensraum innerhalb Europas durch den militärischen Arm der Europäer und Amerikaner, die NATO, nicht beim Namen genannt, sondern beharrlich als Befreiung verkauft und genau so in die noch ungeschriebenen Geschichtsbücher eingehen wird. Die mit Bombenterror verteidigte "Befreiung" Jugoslawiens - das macht Hofbauer anhand einer Fülle wohldurchdacht zusammengestellter Daten deutlich -, ist identisch mit der Befreiung des Kapitals, bzw. umgekehrt mit der geraubten Freiheit der Produktivkräfte. Die Serie von verheerenden Kriegen bis zur völligen Zerschlagung eines gut funktionierenden Vielvölkerstaats Jugoslawien, der sich außerhalb der globalen Machtblöcke befand, zeigte nicht nur dort, sondern auch in den Nachbarländern ihren Gewaltcharakter.

Das slowakische Volk hat die Botschaft der NATO-Jäger sehr wohl verstanden und beizeiten reagiert: 1998 wurde der slowakische Präsident Vladimir Meciar nicht wiedergewählt, Mikulas Dzurinda übernahm fortan die Staatsgeschäfte. Während Meciar den Kapitalmarkt nicht vollständig liberalisierte und damit den westlichen Investoren gehörig auf die Füße trat, wußte sein Nachfolger mit dem Programm zur wirtschaftlichen "Gesundung" selbst die für ihre Bedachtsamkeit bekannten EU-Oberen so sehr zu überzeugen, daß sie allen bisherigen Erwartungen zum Trotz die Slowakei in die erste Kategorie der Beitrittsländer hineinnahmen.

Während unterdessen die Mehrheit der slowakischen Bevölkerung hoffnungslos verarmt, hat sich die Hauptstadt Bratislava zum neoliberalen Glanzlicht gemausert. Hier stampft VW - selbstverständlich steuerfrei und mit nur einem Fünftel der Lohnkosten in Deutschland - jährlich 300.000 Autos verschiedener Modelle aus seinen neu errichteten Fabriken, auf daß den benachbarten Tschechen Angst und Bange werde, wollten doch eigentlich sie sich dem Wolfsburger Konzern als attraktivster Produktionsstandort der Region andienern. Nun kommen ihre früheren Genossen daher und kaufen ihnen den Schneid ab. Schon denkt man in Prag daran, die Körperschaftssteuer zu streichen - und in der Chefetage des VW-Konzerns reibt man sich darob vergnügt die Hände. So macht das Wirtschaften wieder Spaß, so hat man sich die Osterweiterung vorgestellt! Ein Staat wird gegen den anderen ausgespielt - Hofbauer verweist an mehreren Stellen auf den Charakter der "Regatta" unter den Beitrittskandidaten, die um die Gunst der Brüsseler Spitzen ringen. Das Prinzip der Konkurrenz schon vor dem Eintritt in die heiligen Hallen ist nun mal der beste Zuchtmeister.

Der NATO-Angriffskrieg gegen Jugoslawien erreichte die Beitrittskandidaten aber nicht nur als Botschaft einer Anpassungsratio, nach der sie sich besser von Anfang an "freiwillig" der wirtschaftlichen Knute als später der unvermeidlichen stählernen Pranke unterwerfen sollten, ansonsten ihnen die gleiche Ausweidung drohe wie dem einstigen Vorbild der blockfreien Staaten, sondern er erzeugte auch konkrete Not in den jugoslawischen Nachbarstaaten. Die Zerstörung der Donaubrücken beispielsweise hat Rumänien lange Zeit von einem für das Land überaus wichtigen Handelsweg abgeschnitten.

Darüber hinaus unterhielt die Mehrheit der Beitrittsländer bis zum Krieg umfangreiche wirtschaftliche Beziehungen zu Jugoslawien. Mit dem NATO-Angriff auf den Balkanstaat sowie zusätzlich durch die Embargopolitik des Westens gegenüber Libyen und Irak wurden die Beitrittsländer von ihren etablierten wirtschaftlichen Verbindungen abgeschnitten. Der darüber erzeugte Druck nahm durch verschiedene von der EU-Kommission verordnete Maßnahmen weiter zu, beispielsweise auch durch das erzwungene Abschneiden des Warenverkehrs von und nach Rußland, Weißrußland und Ukraine bei gleichzeitiger Neuausrichtung der deindustrialisierten Wirtschaft auf die Märkte Westeuropas. Wie Hofbauer schreibt, fällt die Handelsbilanz bei den Beitrittsländern meist negativ aus:

Insgesamt ergibt sich in der Bilanz von Importen und Exporten der EU-Anwärter im Jahr 2000 ein Minus von 23 Mrd. Dollar, das im Westen positiv zu Buch schlug, der größte Teil davon in der Europäischen Union (...) Der Fluss der Gelder nimmt unaufhörlich einen Weg: den von Osten nach Westen. Nur das erklärt freilich auch die Euphorie, mit der im Westen die Aufnahmerituale der Erweiterung gefeiert werden. Ohne die Öffnung Osteuropas, heißt es dabei ehrlicherweise immer wieder auf den Wirtschaftsseiten der großen Tageszeitungen, würde die Krise vieler westeuropäischer Betriebe katastrophale Ausmaße annehmen. (S. 192/193)

Inzwischen wissen die Beitrittsländer, daß sie als Nettozahler in die EU integriert werden sollen, wie Hofbauer nicht zu erwähnen vergißt. Die Landwirte der Anwärterstaaten erhalten im ersten Jahr des Beitritts nur 25 Prozent der Subventionen ihrer Konkurrenten im Westen, müssen aber gleichzeitig Hunderte von neuen Richtlinien erfüllen und ihre Betriebe entsprechend umrüsten. Erst in zehn Jahren sollen die Landwirte im Westen und Osten gleich hoch subventioniert werden - aber dann wird es in den ehemaligen Beitrittsländern kaum noch Bauern geben, sondern nur noch große Agrarfabriken mit wenigen Angestellten.

Der durch Deindustrialisierung und Höfesterben entstandenen überschüssigen Produktivkräfte muß sich Brüssel noch entledigen, sei es aktiv auf den künftigen Schlachtfeldern, die auf den Reißbrettern bereits markiert sind - Stichwortgeber Struck: Deutschland wird auch am Hindukusch verteidigt - oder passiv durch die Streichung der Gesundheitsversorgung, der Renten und anderer Sozialprogramme, so daß die biologische Uhr vieler Menschen eben etwas schneller abläuft.

Wer sich als Globalisierungsgegner über den militärischen Angriff der angelsächsischen Achse auf den Irak empört und dies als Hegemonialstreben der westlichen Industriestaatenmetropolen brandmarkt, macht es sich zu einfach, wenn er nicht gleichzeitig das räumlich sehr viel näherliegende langjährige Ausbluten der früheren RGW-Mitglieder durch die EU-Vorgaben in den größeren Zusammenhang der Weltkriegsordnung stellt. Viele Globalisierungsgegner haben über die Osterweiterung hinweggesehen. Hofbauer hingegen hat sich die Mühe gemacht, nicht nur die historischen Wurzeln Europas im Streben nach einem einheitlichen Überstaat freizulegen, sondern er hat auch die servierfertige Zurichtung der osteuropäischen Kandidaten noch vor ihrem Beitritt zur EU auf eine für die Leser anschauliche Weise analysiert.

Hofbauer bezeichnet die Entwicklung in Osteuropa nach 1991 treffend als "soziale Verheerung" und belegt dies unter anderem mit Zahlen zur Hyperinflation im teils dreistelligen Prozentbereich - was die Sparguthaben der Menschen in kürzester Zeit getilgt hat -, sowie mit Zahlen zur Arbeitslosigkeit, einem Phänomen, das es in diesen Staaten früher praktisch gar nicht gab. Die soziale Verheerung zeigte sich nach Hofbauer aber auch daran, daß in den osteuropäischen Staaten die Sterberate rapide zunahm, weil die Gesundheitssysteme zusammenbrachen, und umgekehrt die Geburtenrate sank, weil "das Vertrauen der Völker in Osteuropa in die eigene Lebenskraft im Zuge der Transformation gesunken" sei, so der Autor (S. 57). Bemerkenswert sind auch die Zahlen zum Pro-Kopf-Kalorienverbrauch, die in allen Transformationsländern nach 1991 zurückgingen.

Angepeitscht durch die Weltwirtschaftskrise 1975, die laut Hofbauer der Überproduktion zu verdanken war, und geboren aus der permanenten Akkumulationsnot des Kapitals, haben die Sachwalter der Europäischen Union ihre Rettung in der Osterweiterung erkannt und gefunden. Die Krise sollte abgefedert werden, indem man sie nach außen - respektive Osten - exportierte. Dabei wurde eine Vielzahl von Fallstricken ausgelegt, so daß selbst Staaten wie Slowakei und Slowenien, die sich eine Zeitlang gegen die Vorverdauung - in EU-beamtendeutsch Integrationsprozeß genannt -, zur Wehr setzten (und deren Regierungen dafür prompt von westlichen Politikern und Presseleuten willkürlich mal als kommunistische Betonköpfe mal als nationalistische Agitatoren beschimpft wurden), schlußendlich genauso heim ins unionistische Reich geholt werden konnten wie die übrigen, von Anfang an willfährigen Beitrittsländer auch.

Sollten die acht osteuropäischen Staaten sowie Malta und Griechisch-Zypern im Mai 2004 formell von der Europäischen Union aufgenommen werden, dann setzt dies lediglich einen vorläufigen Schlußpunkt unter eine bereits Jahre zuvor eingeleitete Übernahme. Denn seit der Auflösung der RGW hatten West- Unternehmen, -Banken und eine unüberschaubare Schar an Privatpersonen ihren potentiellen Lebensraum Osteuropa sondiert und sich unter den Nagel gerissen, was zu holen war. Spätestens seit Beginn der konkreten Beitrittsverhandlungen ab 1998 wurde den Opferlämmern das Fell endgültig über die Ohren gezogen.

Es ist ein Verdienst Hofbauers, daß er sich die politische, wirtschaftliche und soziale Zerschlagung Osteuropas im Rahmen der EU-Integration Land für Land vorgenommen und dabei wesentliche Parameter der Übernahme mit sehr beredten Zahlen belegt hat. Beispielsweise sind über 70 Prozent der polnischen Banken fest in westlicher Hand; ähnliches gilt für die anderen Beitrittsländer. Die Übernahme der osteuropäischen Geldinstitute in den neunziger Jahren war in der Regel mit der Auflage an die jeweilige Regierung verbunden, die hohe Schuldenlast zu übernehmen. Somit mußten die Polen, Tschechen, Slowaken und anderen Völker nicht nur die Hyperinflation, sondern auch den weiteren Ausverkauf ihres Volkseigentums ertragen - und so ganz nebenbei haben sich die Staaten dabei hoch verschuldet, damit das Verhältnis von Produktion und Nutzung zu Kerneuropa niemals umgedreht werden kann.

Nun haben die Beitrittsländer getreu den EU-Vorgaben der Lehre der Privatisierung gehuldigt und damit alles weggegeben, was vormals für sie von großem Wert gewesen war. Ab Mai 2004 wird es nochmals eine Übernahmewelle osteuropäischen Grund und Bodens geben, dann haben die Staaten nichts mehr, was sie im Rahmen der nächsten, noch härteren Regatta des kapitalistischen Konkurrenzprinzips zu ihren Gunsten in die Waagschale werfen könnten - einzig abgesehen von der Bereitstellung der puren Arbeitskraft zu immer günstigeren Konditionen für die Kapitalseigner.

Aber schon jetzt strebt der administrativ-wirtschaftliche Komplex neuen Horizonten entgegen, immer weiter in Richtung Sonnenaufgang, dabei den fauligen Atem der Krise im Nacken. Heute sticht die Slowakei den Standort Tschechien aus - morgen wird Rumänien die Slowakei unterbieten. Nochmals weiter im Osten warten bereits Weißrußland, Ukraine und Moldawien darauf, den Rumänen das Rennen zu vermiesen. Und den Balkanstaaten Albanien, Bosnien-Herzegowina, Kroatien, Mazedonien sowie Serbien und Montenegro wurde soeben auf dem EU-Gipfel im griechischen Porto Karras die Mahnung mit auf den Weg gegeben, wenn sie eines fernen Tages ins gelobte Land namens Europäische Union eintreten wollen, dann müssen sie sich aber, bitte schön, noch sehr viel mehr anstrengen. Das läuft darauf hinaus, daß sie die zehn aktuellen Beitrittskandidaten plus ein paar, die bereits Gewehr bei Fuß stehen, noch weiter unterbieten, indem sie Unternehmenssteuern senken, anspruchslose, tüchtige und mit gesunden Zähnen ausgestattete Lohnsklaven bereithalten und ungeachtet der sich abzeichnenden sozialen Unruhen stets eine gute Regierungsführung demonstrieren. Wenn all das erfüllt ist, heißt es abwarten, bis sich die Hohepriester der Europäischen Union bei ihnen melden und mal vorbeischauen, was nach der - faktisch längst durchgeführten - Schnäppchenjagd von zusätzlichem Interesse wäre.

So kenntnisreich und pointiert Hannes Hofbauer die verheerenden Folgen der Osterweiterung für die Kandidaten der Regatta zum EU-Beitritt auch beschreibt, die Konsequenzen für die Produktivkräfte in der alten EU, auf die von wachsender Repression begleitete höhere Leistungsabforderungen bei gleichzeitiger Nettolohnkürzung zukommen, sind sein Thema nicht. Dabei ist die Osterweiterung zugleich eine Erweiterung nach Westen. Diese trägt zwar keine territorialen Züge, aber von ihrem Druck auf die hiesigen Verwertungssubjekte her liegt die Erweiterung auf der gleichen Linie.

Die EU-Administration, die sich aus politischen und wirtschaftlichen Apologeten einer höheren Ordnung zusammensetzt, baut nicht nur in Polen, Tschechien und auf den Balkan ihre Verfügungsgewalt aus, sondern ebenso in Deutschland, Frankreich und den anderen EU-Staaten. Ein bezeichnendes Beispiel dafür ist die Agenda 2010 der rot-grünen Bundesregierung, die unverhohlen auf einen knallharten Leistungsabbau für die Arbeitnehmer und sozial Schwachen abzielt. Und als Begleitmusik zur EU- Osterweiterung spielen zur Zeit die deutschen Autokonzerne BMW und Audi mit - angeblich - befristeten Produktionsstillegungen in München und Regensburg sowie in Neckarsulm zum Abgesang auf den lohnintensiven Standort Deutschland auf. Als Vorwand für ihre lange aufgesparten Strukturreformen dient den Konzernen der aktuelle Streik in der ostdeutschen Metallindustrie. An diesem Beispiel zeigt sich treffend die nach innen gerichteten Erweiterung der Macht der Kapitalseigner: Früher haben die Arbeiter die Fabriken bestreikt, um die Unternehmer unter Druck zu setzen. Heute schließen die Unternehmer die Fabriktore, um die Arbeiter zu erpressen. Wer in Bratislava für einen Bruchteil der hiesigen Lohnkosten produzieren läßt, kann sich so etwas eben locker leisten.

Es ist vollkommen legitim, wenn Hofbauer in einem Buch über die hierzulande ganz und gar unterbelichtete Osterweiterung der Europäischen Union lediglich die zielgerichtet herbeigeführten Mangelverhältnisse in den als Opfer der "peripheren EU- Integration" auserkorenen Staaten beschreibt. Aber gerade weil in Deutschland und den anderen alten EU-Ländern überhaupt kein öffentlicher Diskurs über die drastischen Folgen der Erweiterung auch für die hiesige Bevölkerung geführt wird, wären einige Querverweise an passender Stelle dem Anliegen des Buchs, die "Eroberung Osteuropas durch die Rationalität kapitalistischer Verwertungszwänge" (S. 63) zu beschreiben, sicherlich dienlich gewesen.

Ungeachtet dessen sollte Hofbauers Buch eine Pflichtlektüre für alle sein, die mehr über die Mechanismen und den Mangelcharakter einer sich in permanenter Expansion nach innen wie nach außen streckenden Hyperstaatlichkeit erfahren möchten. Und es sei ebenfalls all jenen empfohlen, die noch immer der Täuschung unterliegen, sie wären als Mitglieder Kerneuropas Profiteure des Raubzugs und nicht sein Ziel.


Hannes Hofbauer
Osterweiterung
Vom Drang nach Osten zur peripheren EU-Integration
Promedia Verlag, Wien 2003
240 Seiten, 17,90 Euro
ISBN 3-85371-198-7