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REZENSION/542: Norbert Suchanek - Der Soja-Wahn - Wie eine Bohne ins Zwielicht gerät (Umwelt) (SB)


Norbert Suchanek


Der Soja-Wahn

Wie eine Bohne ins Zwielicht gerät



Eine weit verbreitete Vorstellung unter sich ernährungsbewußt gebenden Menschen lautet, daß Soja rundum gesund ist und sie etwas Gutes für die Umwelt tun, wenn sie die Bohne anstelle von Fleisch verzehren. Von einem vegetarischen Speiseplan, der sich insbesondere unter der jüngeren Generation zunehmender Beliebtheit erfreut, ist Soja kaum wegzudenken.

Mit solchen positiven Konnotationen des ursprünglich aus China stammenden Bohnengewächses räumt der Umweltjournalist Norbert Suchanek gründlich auf. Als Plattform seiner Breitseite gegen die von der Sojaindustrie seit Jahrzehnten intensiv betriebenen Aufpolierung des Rufs der Sojapflanze als Allheilmittel der Ernährung im Rahmen einer modernen, ethisch sauberen Lebensweise dient ihm die hierfür wie geschaffene Reihe "quergedacht" des oekom Verlags. Trotz eines Formats, das nur halb so groß wie ein Taschenbuch ist, und eines bescheidenen Umfang von 110 Seiten darf das Büchlein ohne weiteres als inhaltsschwer bezeichnet werden.

Dem verbreiteten Bild von der gesunden Sojabohne hält der Autor diverse wissenschaftliche Studien entgegen, in denen die allergieauslösende, mitunter sogar karzinogene Wirkung von Soja beschrieben wird. Der Unterstellung, daß die Pflanze ein nahrhafteres Tierfutter als Gras sei, wird mit dem Hinweis gekontert, daß sie weniger Anteile der lebenswichtigen Omega-3-Fettsäuren aufweist und stattdessen über einen hohen Anteil an Omega-6-Fettsäuren verfügt (S. 51ff). Den heutigen Erkenntnissen der Diätetik zufolge sollte die Relation dieser beiden essentiellen Fettsäuren eins zu fünf betragen. Nicht zuletzt als Folge der Verfütterung von Soja an Tieren liegt jedoch der Omega-6-Anteil unserer Ernährung um vieles über dem empfohlenen Verhältnis. Suchaneks Erläuterungen decken sich mit dem Standpunkt der Deutschen Gesellschaft für Ernährung e.V.

Der Anbau von Soja für die Agrospritproduktion und Tierfutter geht mit Umweltzerstörungen allergrößten Ausmaßes einher. In den USA sind riesige Flächen mit Monokulturanbau entstanden, ein Trend, der seit der Einführung mikrobiologischer Zuchtverfahren in der Landwirtschaft - Stichwort Grüne Gentechnik - Mitte der neunziger Jahre noch verstärkt wird. In Brasilien wiederum verdrängen die Sojafelder den tropischen Regenwald und mit ihm seine traditionellen Bewohner. Hierzu hat der Autor, der in Rio de Janeiro lebt und arbeitet, schon vor Jahren geschrieben.

Der vermehrte Einsatz von Kunstdünger (Stickstoff, Kalium und Phosphat) für die industrielle Landwirtschaft und somit auch für die Sojaproduktion bewirkt einen geringen, aber stetigen Eintrag des radioaktiven Schwermetalls Uran auf die Felder (S. 79). Da Vögel bei weitem nicht so viel Guano produzieren können, als daß beim heutigen Weltbedarf der Dünger allein organischen Ursprungs sein kann, wird das Phosphat aus uranhaltigen geologischen Formationen abgebaut. Je nach Region enthält eine Tonne Phosphatdünger bis zu 200 Gramm Uran. In Deutschland dürfte nur Fachleuten oder wenigen an diesem Thema besonders Interessierten bekannt sein, daß in diesem Jahr in Brasilien die erste Uranphosphatmine entsteht. Ab 2012 wollen das Düngerunternehmen Galvani und die brasilianische Atomagentur Indústrias Nucleares do Brasil (INB) gemeinsam im Nordosten des Landes jährlich rund 1500 Tonnen Uranoxid und 240.000 Tonnen Phosphat abbauen. (S. 80). Die Folgen der Uranverseuchung in der Landwirtschaft sind noch gar nicht absehbar.

Das vorliegende Büchlein ist weder eines ausschließlich zur Ernährung noch eines zu den Rechten indigener Völker noch eines zu den ökologisch desaströsen Voraussetzungen und Folgen der Massentierhaltung und Agrospritproduktion, sondern eines zu der Sojapflanze, deren Verwertung im Rahmen des profitgetriebenen, expansiven Wirtschaftssystems der Autor in die verschiedensten Richtungen mit kritischem Blick ausleuchtet. Norbert Suchanek ist kein Wissenschaftler, der mit eigenen Studien aufwartet. Er trägt jedoch bemerkenswerte Informationen rund um die Bohne zusammen, ohne dabei den Eindruck zu erwecken, er befände sich auf einem Kreuzzug der Aufklärung. So schreibt er gleich zu Beginn, es gehe nicht darum, "die Bohne aus Ostasien grundsätzlich zu verdammen, sondern sie wieder auf ihren rechten, eher bescheidenen Platz im menschlichen Nahrungsspektrum zu rücken, wo sie seit Anbeginn ihrer Nutzung bis zum Ende des 19. Jahrhunderts hingehörte" (S. 13). Diesem Anliegen kommt das Büchlein sehr entgegen.

4. Oktober 2010


Norbert Suchanek
Der Soja Wahn
Wie eine Bohne ins Zwielicht gerät
oekom Verlag, München 2010
110 Seiten, 8,95 Euro
ISBN 978-3-86581-216-2