Schattenblick → INFOPOOL → BUCH → SACHBUCH


REZENSION/710: Vicky Ward - Kushner, Inc. (SB)


Vicky Ward


Kushner, Inc.

Greed. Ambition. Corruption. The Extraordinary Story of Jared Kushner and Ivanka Trump



Nur aus der Perspektive des Haifischbeckens der New Yorker Baubranche ist das Phänomen Donald Trump als erstes Kind der Finanzmetropole am Hudson mit ihren berühmten Wolkenkratzern, das jemals US-Präsident wurde, zu verstehen. Jahrzehntelang hat der Emporkömmling aus Queens bei Kreditgesprächen mit den Banken den Wert seiner Immobilien in den Himmel gelobt, um im Handumdrehen und ohne jegliche Scham dieselben Liegenschaften gegenüber dem Fiskus als verlustbringende Bruchbuden zu deklarieren. Jemals mit Widersprüchen in den eigenen Darstellungen der Wirklichkeit konfrontiert, war Trumps Rezept immer dasselbe: die Skeptiker und Kritiker als Neider, Lügner und geistige Pygmäen zu diffamieren, die von wahrer Größe nichts verstünden. Leider gibt der Erfolg Trump recht. Mögen verprellte Banken und betrogene Subunternehmen seinen Weg säumen, so hat der Politneuling aus Gotham City doch bei der Wahl 2016 die republikanische Konkurrenz niedergebrüllt und Hillary Clinton, die designierte Nachfolgerin des Demokraten Barack Obama, um ihren ersehnten Platz in der Geschichte als erste Präsidentin der USA gebracht, und lenkt seitdem, selbstzufriedener denn je, vom Weißen Haus aus das Weltgeschehen.

Die aus England stammende Journalistin Vicky Ward lebt seit 1997 in New York, wo sie hauptberuflich für die New York Post, Vanity Fair, die Huffington Post und Tina Brown's Talk gearbeitet hat. Ihre Artikel, Interviews und Reportagen sind zudem in Großbritannien beim Independent, bei der Times, Sunday Times und Financial Times, dem Daily Telegraph, British Vogue sowie dem Spectator und in den USA bei der New York Times, Town & Country und Harper's Bazaar erschienen. Ward tritt häufig als Kommentatorin im US-Nachrichtenfernsehen, vornehmlich in der MSNBC-Sendung Morning Joe, auf. Während ihrer Zeit in den USA hat sie drei Bestseller geschrieben. Die ersten beiden, "The Devil's Casino" und "The Liar's Ball", drehten sich um die Bankenpleite bei Lehman Brothers und den sagenumwobenen Titanenkampf um den Besitz des prestigeträchtigen General Motors Building, das im begehrten Midtown von Manhattan einen ganzen Häuserblock zwischen Fifth Avenue und Madison Avenue und der 58. und 59. Straße einnimmt.

1998 hat ein von Trump angeführtes Konsortium das 50stöckige GM Building für 878 Millionen Dollar gekauft. Finanziert wurde das Geschäft mittels eines Kredits der Lehman Brothers Bank in Höhe von 700 Millionen Dollar. Trump selbst soll mit lediglich 15 bis 20 Millionen Dollar an der beeindruckenden Übernahme beteiligt gewesen sein. 2003 gaben Trump und seine Partner die Immobilie für 1,4 Milliarden Dollar - seinerzeit die höchste Summe, die jemals für ein Bürogebäude in den USA gezahlt wurde - an die Macklowe Organisation ab. Damals merkte die New York Times an, Trump benutze "das Geld anderer Leute, um ein Reich unter eigenem Namen zu errichten". Die Einblicke, die Vicky Ward bei der Arbeit für ihre ersten beiden Bücher über die Persönlichkeiten und Vorgehensweisen bei der New Yorker Banken- und Baumafia gewonnen hat, fließen in ihren dritten Bestseller, Kushner, Inc., über das Power-Duo Jared Kushner und Ivanka Trump ein und bereichern ihn.

Ähnlich seinem stets prahlenden und sich aufplusternden Schwiegervater gehört der eher schweigsame Jared Kushner nicht zum alten New Yorker Geldadel, sondern ist ebenfalls ein Emporkömmling, jedoch aus dem Nachbarstaat New Jersey. Dort hat sich sein Vater, Charles Kushner, im letzten Drittel des 20. Jahrhunderts zu einem der führenden Bauunternehmer hochgekämpft, was ohne üppige, zum Teil illegale Spenden an führende Lokalpolitiker der demokratischen Partei im Garden State nicht zu erreichen gewesen wäre. 2005 mußte Kushner sen. deshalb wegen Bestechung, Steuerbetrugs und Versuchs der Anstiftung zur Falschaussage - er hatte den eigenen Schwager und Firmenmitgesellschafter in eine kompromittierende Situation mit einer Prostituierten in einem Hotel bringen und dabei filmen lassen, um dessen Aussagebereitschaft gegenüber den Justizbehörden zu bremsen - 14 Monate hinter Gitter und weitere zehn Monate unter Hausarrest verbringen.

2007 hat die Kushner Gruppe, um den Firmenpatriarchen Charlie zu rehabilitieren und dessen Sproß Jared den Sprung auf die ganz große Bühne zu ermöglichen, in Manhattan das 41stöckige Bürogebäude mit der 1-A-Adresse 666 Fifth Avenue für 1,8 Milliarden Dollar gekauft. Ein Jahr später brach die globale Finanzkrise herein, was für die Kushners mit ihrer überteuerten New Yorker Nobelimmobilie akute Refinanzierungsprobleme mit sich brachte. Dafür sollte jedoch später eine Lösung gefunden werden. Schließlich hat Kushner 2009 die Trump-Tochter Ivanka geheiratet, nachdem diese zuvor auf Wunsch seiner streng orthodoxen Eltern zum jüdischen Glauben übergetreten war. Das ehemalige Model, das unter dem Markennamen Ivanka Trump Modeartikel - Kleider, Schuhe, Taschen und Schmuck - verkauft, und der adrette Immobilienmanager und Verleger konnten sich in den darauffolgenden Jahren als Ikonen der New Yorker High Society etablieren.

Sehr zum Mißfallen ihrer und Jareds meisten liberalen demokratischen Freunde in New York hat Ivankas Papa überraschend und gegen alle Prognosen der Demoskopen mit merkantilistischen und fremdenfeindlichen Versprechen die Präsidentenwahl 2016 gewonnen. Das Ehepaar Kushner-Trump zog, ebenfalls überraschend, mit The Donald und Gattin Melania nach Washington. Dort wurde Ivanka Präsidentenberaterin und Jared Kushner Chefberater des US-Oberbefehlshabers mit besonderer Verantwortung für die Nahostpolitik. Beide bekamen eigene Büros im Weißen Haus unweit des Oval Office. Seitdem reißen die Vorwürfe der Vetternwirtschaft nicht ab. Vor allem Ivanka profitiert geschäftlich von dem engen Kontakt zur ausländischen Politprominenz. Noch während des Besuchs des chinesischen Präsidenten Xi Jinping 2017 auf dem Trump-Anwesen Mar-a-Lago in Florida erhielten mehrere ihrer Markenartikel eine Lizenz zum Vertrieb in der Volksrepublik.

Noch drastischer fällt die Einflußnahme Kushners, dessen Familie seit Jahren einige illegale Siedlungen im besetzten palästinensischen Westjordanland finanziert, auf die Außenpolitik der USA aus. Charles Kushner und der amtierende israelische Premierminister Benjamin Netanjahu pflegen eine langjährige Freundschaft. Kushner jun. soll im Auftrag Trumps den enorm komplizierten Nahostkonflikt durch den "Deal des Jahrhunderts" lösen. Besagter "Deal" sieht nichts anderes als die absolute Unterordnung der Palästinenser unter die Interessen Israels vor. Ende 2017 hat Trump deshalb die Verlegung der US-Botschaft von Tel Aviv nach Jerusalem angeordnet, um Israels Anspruch darauf als eigene unteilbare Hauptstadt zu zementieren. Seitdem herrscht zwischen Washington und der palästinensischen Autonomiebehörde in Ramallah Funkstille. Die palästinensische Regierung um Präsident Mahmud Abbas wirft der Trump-Administration unverhohlene Bevorteilung Israels vor und spricht ihr die Vermittlerrolle ab. Die USA haben sich durch den systematischen Entzug sämtlicher Hilfsgelder für die Palästinenser im Westjordanland und Gazastreifen revanchiert. Der Umgang Trumps und Kushners mit der palästinensischen Bevölkerung ist, wie Vicky Ward in ihrem Buch hervorhebt, derselbe, wie ihn die beiden Immoblienhaie jahrelang mit alteingesessenen Mietern in neuerworbenen Wohnkomplexen in New York und New Jersey pflegten - eine Mischung aus Erpressung und Drohung mit der Aussicht auf Entlastung erst dann, wenn die Gegenpartei kapituliert und sich den Bedingungen der neuen Herren unterwirft.

Um den "Deal of the Century" zu verwirklichen, hat sich der 1981 geborene Kushner den etwa gleichaltrigen saudischen Kronprinzen und Thronfolger Mohammad Bin Salman (MBS) als wichtigsten Verbündeten ausgesucht, was für erhebliche Spannungen innerhalb der Trump-Regierung sowie in der Nahost-Region gesorgt hat. Mit der Aussicht auf umfangreiche Waffenbestellungen Riads für die US-Rüstungsindustrie hat Kushner Trumps erste Auslandsreise als Präsident nach Saudi-Arabien verlegt. Seitdem weist das Weiße Haus jede Kritik am laufenden Völkermord Saudi-Arabiens und der Vereinigten Arabischen Emirate im Jemen zurück. Kushner hat sogar die letztes Jahr von MBS angeordnete Ermordung Jamal Khashoggis in Istanbul gerechtfertigt, indem er den saudischen Dissidenten und Journalisten als "Terroristen" bezeichnete.

Im Frühsommer 2017 kam es zum heftigen Streit zwischen Kushner und dem amtierenden US-Außenminister Rex Tillerson, als Saudi-Arabien und die VAE eine diplomatische und wirtschaftliche Blockade gegen Katar verhängten. Offenbar hatte Kushner MBS grünes Licht für die Strafaktion gegeben, nicht zuletzt deshalb, weil kurz zuvor die schwerreiche Herrscherfamilie Katars dem Ansinnen, bei der Refinanzierung von 666 Fifth Avenue behilflich zu sein, nicht nachgekommen war. Nur mit Müh und Not konnte der ehemalige Exxon-Vorstandschef die Saudis davon abbringen, in Katar einzumarschieren und in Doha einen "Regimewechsel" vorzunehmen. Der Einsatz hat Tillerson den Job gekostet. Im März 2018 erfuhr er per Twitter von seiner Entlassung durch Trump. Ein weiteres prominentes Opfer der Intrigen des Ehepaars Kushner war Steve Bannon. Der weitblickende Politstratege, dem Trump letztlich den Wahlsieg über Clinton verdankt, kam gegen die geballte Kraft von "Javanka" nicht an und verließ, ebenfalls entvervt, nach nur sechs Monaten das Weiße Haus und kehrte zu seiner konservativen Zeitschrift Breitbart zurück.

Im August 2018, nach eineinhalb Jahren Jared Kushners an der Spitze der US-Regierung, wurde doch noch eine Lösung für das Dauerproblem 666 Fifth Avenue gefunden. Das börsennotierte kanadische Vermögensverwaltungsunternehmen Brookfield, an dem die Kataris als Mehrheitsaktionäre beteiligt sind, haben - nach zähen Verhandlungen, versteht sich - die Immobilie für 99 Jahre gepachtet und die gesamte Miete im voraus bezahlt. Resümierend schreibt Vicky Ward:

Die Kushners hatten ursprünglich 50 Millionen Dollar für ein Gebäude im Wert von 1,8 Milliarden Dollar hingelegt. Mehr als ein Jahrzehnt später haben sie einen Pachtvertrag hinbekommen, der ihnen half, das Darlehen von 1,4 Milliarden Dollar aus der Welt zu schaffen, und vermutlich zudem ein saftiges Honorar eingestrichen. Für einen anfänglichen Einsatz von fünfzig Millionen Dollar hat Charlie den Sprung der Kushners von New Jersey nach Manhattan geschafft - und sie in der Folge ins Weiße Haus befördert. So gesehen, war der Deal ein Erfolg.

19. Juni 2019


Vicky Ward
Greed. Ambition. Corruption. The Extraordinary Story of Jared Kushner
and Ivanka Trump
St. Martin's Press, New York, 2019
304 Seiten
ISBN: 978-1-250-18594-5


Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang