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AKTION/1051: Urgent Action - Ägypten - Fehlende medizinische Versorgung


ai - URGENT ACTION
UA-Nr: UA-145/2012, AI-Index: MDE 12/018/2012, Datum: 22. Mai 2012 - we

Ägypten
Fehlende medizinische Versorgung



MAHMOUD MOHAMED AMIN

Der Ägypter Mahmoud Mohamed Amin befindet sich derzeit wegen der Teilnahme an Protesten in Kairo am 4. Mai in Haft. Während der Aufstände 2011 hat er durch Schrotkugeln eine Verletzung im Gesicht erlitten, die zu einem Nervenschaden geführt hat. Seitdem leidet er unter starken Schmerzen im Gesicht. Mahmoud Mohamed Amin hat während seiner Zeit in Haft bisher keine angemessene medizinische Versorgung erhalten. Möglicherweise handelt es sich bei ihm um einen gewaltlosen politischen Gefangenen. Ihm könnte ein unfaires Verfahren vor einem Militärgericht drohen.

Am 4. Mai wurde Mahmoud Mohamed Amin von Angehörigen des Militärs in Kairo nahe der Al-Noor-Moschee festgenommen. Zuvor hatte das Militär die Protestierenden, die sich auf dem Abbassia-Platz in der Nähe des Verteidigungsministeriums versammelt hatten, gewaltsam auseinandergetrieben. Mahmoud Mohamed Amin war einer von Hunderten, die an diesem Tag gegen die Militärregierung protestierten und den Tod von Protestierenden anprangerten, die zwei Tage zuvor von Männern in Zivil auf dem Abbassia-Platz getötet worden waren.

Vor der Festnahme von Mahmoud Mohamed Amin hatten Männer in Zivil die Streitkräfte bei ihren Bemühungen unterstützt, die Menge zu zerstreuen, indem sie Protestierende verfolgten und schlugen. Mahmoud Mohamed Amin soll laut eines Freundes versucht haben, einen Weg zu finden, wie sie den Platz sicher verlassen konnten, wurde dann jedoch gefasst. Er soll seinem Freund gesagt haben, dass er von den Männern in Zivil tätlich angegriffen wurde und dabei Wunden am Kopf, seitlich an seinem Körper und an den Beinen davongetragen habe. Ein Soldat der Fallschirmjäger, den er daraufhin um Hilfe gebeten hat, soll ihn zunächst weggeschubst und dann gemeinsam mit einem Militärpolizisten auf den Kopf geschlagen haben. Auch nachdem Mahmoud Mohamed Amin den beiden gesagt habe, dass er sich wegen seines gesundheitlichen Zustands einer Operation unterziehen müsse, hörten sie offenbar nicht auf, ihn weiter zu schlagen und zu beschimpfen.

Am 5. Mai wurde Mahmoud Mohamed Amin zusammen mit 300 weiteren Protestierenden dem Militärstaatsanwalt vorgeführt, der eine 15-tägige Schutzhaft anordnete. Gegen Mahmoud Mohamed Amin soll Anklage wegen "Protestieren in einem Militärgebiet", "Körperverletzung von Angehörigen des Militärs", "Stürmen von Militärgebäuden", "Behinderung des Straßenverkehrs" und "Mitgliedschaft in einem 'Bund'" erhoben worden sein. Seine Haftanordnung wurde am 19. Mai um weitere 15 Tage verlängert, die er im Gefängnis von Kairo, südlich der Hauptstadt, ableisten muss. Angehörige der Gefängnisbehörden weigerten sich, Schmerzmittel an Mahmoud Mohamed Amin weiterzugeben, die ihm ein Freund ins Gefängnis gebracht hatte. Am 20. Mai schloss Mahmoud Mohamed Amin sich dem Hungerstreik von fast Hundert anderen Häftlingen an, die an derselben Protestveranstaltung teilgenommen hatten wie er. Auch Protestierende, die nach früheren Demonstrationen inhaftiert wurden, nehmen an dem Hungerstreik teil. Sie fordern damit ihre Freilassung und ein Ende von Militärprozessen gegen Zivilpersonen.


HINTERGRUNDINFORMATIONEN

Mahmoud Mohamed Amin wurde am 25. Januar 2011, dem Beginn der Aufstände in Ägypten, auf dem Tahrir-Platz durch von BereitschaftspolizistInnen abgefeuerte Schrotkugeln im Gesicht verletzt. Seitdem ist er auf dem rechten Auge blind. Er meldete den Fall bei der amtlichen Stelle, die sich um die "Verletzten der Revolution" kümmert. Sein Auge wurde medizinisch versorgt und auch die starken, schockartigen Schmerzen, die ein Nervenschaden in der rechten Gesichtshälfte verursachte (Gesichtsneuralgie), wurden so gut es ging behandelt. In den Tagen vor dem 24. April 2012 wurde Mahmoud Mohamed Amin erstmals wegen seiner Verletzungen operiert. Die zweite Operation, die zwei Wochen nach dem ersten Eingriff geplant war, konnte aufgrund seiner Festnahme nicht stattfinden.

Amnesty International sprach am 8. Februar 2011 in einem Krankenhaus mit Mahmoud Mohamed Amin und erwähnte seine Verletzungen in dem englischen Bericht: Egypt Rises: Killings, detentions and torture in the "25 January Revolution", in dem der Aufstand in Ägypten behandelt wird.

Am 4. Mai 2012 wurden bei den Protesten im Kairoer Bezirk Abbassia auf dem Abbassia-Platz in der Nähe des Verteidigungsministeriums mindestens 300 Menschen festgenommen. Etwa 100 Protestierenden, die sich noch immer in Haft befinden, drohen Gerichtsverfahren vor Militärgerichten und womöglich Misshandlungen in der Haft. Amnesty International hat am 11. Mai eine Eilaktion für die inhaftierten Protestierenden gestartet (UA-131/2012).

Es gab Hunderte Verletzte, als das Militär die Protestveranstaltung am 4. Mai gewaltsam auflöste. Ein Angehöriger des Militärs soll in den darauffolgenden Tumulten getötet worden sein. Militärpolizisten nahmen Berichten zufolge willkürlich Protestierende fest. Tausende Menschen protestierten am 4. Mai gegen die Militärregierung und die Tötung von Protestierenden am 2. Mai nahe des Verteidigungsministeriums.


EMPFOHLENE AKTIONEN

SCHREIBEN SIE BITTE FAXE UND LUFTPOSTBRIEFE MIT FOLGENDEN FORDERUNGEN

- Lassen Sie Mahmoud Mohamed Amin bitte sofort und bedingungslos frei, wenn er sich nur deshalb in Haft befindet, weil er friedlich Gebrauch von seinem Recht auf Versammlungsfreiheit gemacht hat.

- Sorgen Sie dafür, dass Mahmoud Mohamed Amin eine auf seinen Gesundheitszustand ausgerichtete medizinische Versorgung erhält und auch die bei seiner Festnahme erlittenen Verletzungen medizinisch behandelt werden.

- Ich bitte Sie eindringlich, alle Ermittlungen der Militärstaatsanwaltschaft, die in Verbindung mit der Festnahme von Mahmoud Mohamed Amin stehen, einzustellen und ihn über die Generalstaatsanwaltschaft der ordentlichen Zivilgerichtsbarkeit zu übergeben.


APPELLE AN

VORSITZENDER DES MILITÄRRATES
Field Marshal Muhammad Tantawi
Ministry of Defence
Kairo, ÄGYPTEN
(korrekte Anrede: Dear Field Marshal / Sehr geehrter Herr Feldmarschall)
Fax: (00 202) 279 580 48

INNENMINISTER
Mohamed Ibrahim Youssef Ahmed
Ministry of Interior
Kairo, ÄGYPTEN
(korrekte Anrede: Your Excellency / Exzellenz)
Fax: (00 202) 2 795 9494 / 2 794 5529 / 2 796 0682


KOPIEN AN

BOTSCHAFT DER ARABISCHEN REPUBLIK ÄGYPTEN
S.E. Herrn Ramzy Ezz Eldin Ramzy
Stauffenbergstraße 6 - 7
10785 Berlin
Fax: 030-477 1049
E-Mail: embassy@egyptian-embassy.de


Bitte schreiben Sie Ihre Appelle möglichst sofort. Schreiben Sie in gutem Arabisch, Englisch oder auf Deutsch. Da Informationen in Urgent Actions schnell an Aktualität verlieren können, bitten wir Sie, nach dem 3. Juli 2012 keine Appelle mehr zu verschicken.


PLEASE WRITE IMMEDIATELY

- Calling for the immediate and unconditional release of Mahmoud Mohamed Amin if he has been arrested solely for peacefully exercising his right to legitimate freedom of assembly.

- Calling on the Egyptian authorities to allow Mahmoud Mohamed Amin to receive adequate medical care for his medical condition and for the injuries he sustained during his arrest.

- Urging the authorities to stop all investigations by the military prosecution in relation to his arrest and to refer him to the ordinary civilian judiciary through the office of the public prosecutor.


HINTERGRUNDINFORMATIONEN - FORTSETZUNG

Militärgerichte haben seit Beginn der Demonstrationen am 25. Januar 2011 Tausende ägyptische Zivilpersonen in unfairen Gerichtsverfahren zu Haftstrafen verurteilt. Diese Gerichte sind weder unabhängig noch unparteiisch, und Angeklagten wird ihr Recht auf Einlegen eines wirksamen Rechtsmittels gegen Urteil und Strafmaß verwehrt. Amnesty International wendet sich gegen Militärgerichtsverfahren gegen Zivilpersonen, da solche Verfahren mit dem in Artikel 14 des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte (IPBPR) verbrieften Recht von Angeklagten unvereinbar sind, dass ihr Fall in einem fairen und öffentlichen Verfahren vor einem zuständigen, unabhängigen, unparteiischen und auf dem Gesetz beruhenden Gericht verhandelt wird. Ägypten ist Vertragsstaat des IPBPR. Berichten zufolge sollen zwar einige Personen, gegen die ein Militärgericht Haftstrafen verhängt hatte, nach einer erneuten Verhandlung freigekommen sein. Dennoch befinden sich noch Tausende Menschen in Haft, darunter auch Kinder, die in Hochsicherheitsgefängnissen für Erwachsene festgehalten werden.

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Quelle:
ai - URGENT ACTION
UA-Nr: UA-145/2012, AI-Index: MDE 12/018/2012, Datum: 22. Mai 2012 - we
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veröffentlicht im Schattenblick zum 26. Mai 2012