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AKTION/1079: Urgent Action - Bahrain - Menschenrechtler erneut inhaftiert


ai - URGENT ACTION
UA-Nr: UA-128/2012-3, AI-Index: MDE 11/038/2012, Datum: 8. Juni 2012 - ar

Bahrain
Menschenrechtler erneut inhaftiert

Weitere Informationen zu UA-128/2012 (MDE 11/029/2012, 8. Mai 2012, MDE 11/033/2012, 23. Mai 2012 und MDE 11/036/2012, 29. Mai 2012)



NABEEL RAJAB, Leiter des Menschenrechtszentrums von Bahrain

Am 6. Juni wurde der prominente Menschenrechtler Nabeel Rajab im Zuge von Ermittlungen wegen einer gegen ihn erhobenen Beschwerde erneut festgenommen. Amnesty International betrachtet ihn als gewaltlosen politischen Gefangenen.

Am 6. Juni ordnete die Staatsanwaltschaft eine siebentägige Inhaftierung von Nabeel Rajab an, während einer Beschwerde nachgegangen wird, die mehrere Personen aus al-Muharraq, einer Gegend nördlich von Bahrain, gegen ihn erhoben haben. Sie beschuldigen ihn offenbar, "durch skandalöse Äußerungen in sozialen Netzwerken im Internet die Menschen aus al-Muharraq öffentlich diffamiert und ihren Patriotismus infrage gestellt zu haben". Am 2. Juni wandte sich Nabeel Rajab in einer seiner Twitter-Nachrichten an den Premierminister des Landes, Chalifa bin Salman Al Chalifa, der kurz zuvor die Gegend besucht hatte: "Chalifa: Geh wieder, verlass' die Gassen von al-Muharraq, ob Scheichs oder ältere Menschen, jeder weiß, dass du hier nicht gern gesehen bist; und wenn sie nicht unbedingt das Geld bräuchten, hätten sie dich hier nicht willkommen geheißen - Wann trittst du zurück?" Gegen Nabeel Rajab wird nun gemäß Paragraf 364 des bahrainischen Strafgesetzbuches ermittelt, der öffentliche Anschuldigungen gegen andere unter Strafe stellt. Ihm könnte eine zweijährige Haftstrafe oder eine Geldbuße von bis zu 200 BHD (etwa 530 USD) drohen. Nabeel Rajab wird derzeit in der Hafteinrichtung al-Hoora in Manama festgehalten, eine Freilassung gegen Kaution wurde abgelehnt. Ebenfalls am 6. Juni erhob die Abteilung 5 des zuständigen Strafgerichts (Lower Criminal Court) Anklage gegen Nabeel Rajab wegen Teilnahme an einer illegalen Versammlung. Dies ist seine vierte Anklage.

Nabeel Rajab muss sich somit möglicherweise in fünf Gerichtsverfahren verantworten. Er war am 28. Mai gegen Kaution freigelassen worden. Dies betraf zwei verschiedene Anklagen: In einem dieser beiden Fälle wird ihm vorgeworfen, "andere dazu aufgefordert zu haben, mit ihm nicht genehmigte Demonstrationen abzuhalten" in dem anderen Fall wird ihm zur Last gelegt, an "illegalen Versammlungen" teilgenommen und die "öffentliche Ordnung gestört" zu haben. Die Anhörung in diesen beiden Fällen soll am 17. Juni stattfinden. Nabeel Rajab soll außerdem am 24. Juni wegen einer dritten Anklage vor Gericht erscheinen - ihm wird "Verunglimpfung einer nationalen Institution" über den Kurznachrichtendienst Twitter vorgeworfen. Für die neue Anklage wegen illegaler Versammlung steht noch kein Gerichtstermin fest. Sollte er wegen Beleidigung des Premierministers angeklagt werden, könnte ihm ein fünftes Gerichtsverfahren drohen.


HINTERGRUNDINFORMATIONEN

Nabeel Rajab hat am 6. Februar eine Protestkundgebung organisiert, auf der die Freilassung von politischen Gefangenen gefordert wurde. Während der Demonstration wurde der Menschenrechtler von der Bereitschaftspolizei angegriffen, die ihn mehrfach mit Fausthieben auf den Kopf und Rücken sowie ins Gesicht traktierte. Er sagte: "Ich fiel hin, aber sie schlugen weiter auf mich ein, sie trampelten sogar auf mir herum und traten mich."

Nabeel Rajab war im Zusammenhang mit einer vom Innenministerium gegen ihn erstatteten Anzeige für den 26. April von der Staatsanwaltschaft zur Vernehmung vorgeladen worden. Wegen seiner bevorstehenden Auslandsreise nahm er den Termin jedoch nicht wahr. Bei seiner Rückkehr am 5. Mai wurde er auf dem Flughafen von Manama festgenommen. Gegen den Menschenrechtsverteidiger erging im Zusammenhang mit den von ihm versandten Twitter-Nachrichten Anklage wegen "Verunglimpfung einer nationalen Institution" (gemeint war das Innenministerium). Am 16. Mai erschien er vor einem Strafgericht in Manama und erklärte dem Gericht, er betrachte die Anklage als politisch motiviert und böswillig. Er soll gesagt haben: "Ich habe lediglich mein Recht auf freie Meinungsäußerung wahrgenommen. Ich habe keine Straftat begangen. Die Entscheidung, mich festzunehmen und vor Gericht zu stellen, war politisch motiviert".


EMPFOHLENE AKTIONEN

SCHREIBEN SIE BITTE FAXE ODER LUFTPOSTBRIEFE MIT FOLGENDEN FORDERUNGEN

  • Lassen Sie Nabeel Rajab bitte umgehend und bedingungslos frei, da er sich nur deshalb in Haft befindet, weil er friedlich von seinen Rechten auf Meinungs- und Versammlungsfreiheit Gebrauch gemacht hat.
  • Ich fordere Sie auf, alle Anklagen gegen Nabeel Rajab fallen zu lassen, da diese in Zusammenhang mit der legitimen Ausübung seiner Rechte auf Meinungs- und Versammlungsfreiheit stehen.
  • Ich bitte Sie eindringlich, die Rechte auf Meinungs- und Vereinigungsfreiheit zu respektieren und zu schützen, und sicherzustellen, dass alle Menschenrechtsorganisationen und MenschenrechtsverteidigerInnen ihrer Arbeit ohne politische Einflussnahme nachgehen können, wie dies auch in der Universellen Regelmäßigen Überprüfung vom Mai 2012 von mehreren Staaten empfohlen wird.

APPELLE AN

KÖNIG
Shaikh Hamad bin 'Issa Al Khalifa
Office of His Majesty the King
P.O. Box 555, Rifa'a Palace, al-Manama
BAHRAIN
(korrekte Anrede: Your Majesty / Majestät)
Fax: (00 973) 1766 4587

INNENMINISTER
Shaikh Rashid bin 'Abdullah Al Khalifa
Ministry of Interior, P.O. Box 13, al-Manama, BAHRAIN
(korrekte Anrede: Your Excellency / Exzellenz)
Fax: (00 973) 1723 2661
Twitter: @moi_Bahrain

STAATSANWALT
Mr. 'Ali al-Bu'ainein
Public Prosecution Office
PO Box 450, al-Manama
BAHRAIN
(korrekte Anrede: Dear Mr. 'Ali al-Bu'ainein / Sehr geehrter Herr
'Ali al-Bu'ainein)
Fax: (00 973) 1753 0884


KOPIEN AN

BOTSCHAFT DES KÖNIGREICHS BAHRAIN
S.E. Herrn Ebrahim Mohmood Ahmed Abdulla
Klingelhöfer Str. 7, 10785 Berlin
Fax: 030-8687 7788
E-Mail: info@bahrain-embassy.de oder über die Website
http://www.bahrain-embassy.de/kontakt/


Bitte schreiben Sie Ihre Appelle möglichst sofort. Schreiben Sie in gutem Arabisch, Englisch oder auf Deutsch. Da Informationen in Urgent Actions schnell an Aktualität verlieren können, bitten wir Sie, nach dem 20. Juli 2012 keine Appelle mehr zu verschicken.


PLEASE WRITE IMMEDIATELY
  • Urging the Bahraini authorities to release Nabeel Rajab immediately and unconditionally, as has been detained solely for peacefully exercising his rights to freedom of expression and assembly.
  • Calling on them to drop all the charges against Nabeel Rajab since they are related to his legitimately exercising his rights to freedom of expression and assembly.
  • Urge them to respect and protect the right to freedom of expression and association and ensure that all human rights organizations and human rights defenders are able to carry out their work without political interference and hindrance, as recommended by several estates during the Universal Periodic Review in May 2012.

HINTERGRUNDINFORMATIONEN - FORTSETZUNG

Die bahrainische Regierung erklärte wiederholt ihre Absicht, Reformen auf den Weg zu bringen und Lehren aus den Ereignissen im Februar und März 2011 zu ziehen, als die Behörden hart gegen regierungskritische Protestierende vorgegangen waren. Im November 2011 präsentierte die von König Shaikh Hamad bin 'Issa Al Khalifa einberufene unabhängige Untersuchungskommission Bahrains (BICI) ihre Ermittlungsergebnisse im Hinblick auf Menschenrechtsverletzungen während der Proteste. In dem Bericht wurde unter anderem festgestellt, dass die Behörden straffrei mit unverhältnismäßiger Gewalt gegen Protestierende vorgegangen waren, dazu zählte exzessive Gewaltanwendung gegen Protestierende, weit verbreitete Folter und andere Misshandlungen von Protestierenden, unfaire Gerichtsverfahren und rechtswidrige Tötungen. Der Bericht enthält die Aufforderung, umgehend ein unabhängiges Gremium bestehend aus VertreterInnen der Zivilgesellschaft, der Opposition und der Regierung zu bilden. Es soll die Umsetzung der Empfehlungen des Berichts beobachten und rechtliche Reformen voranbringen, um sicherzustellen, dass die Gesetze mit den internationalen Menschenrechtsstandards übereinstimmen. Zudem soll es dafür sorgen, dass die Verantwortlichen für Menschenrechtsverletzungen vor Gericht gestellt werden, dass alle gewaltlosen politischen Gefangenen freigelassen werden und man Untersuchungen zu ihren Vorwürfen der Folter durchführt. Doch bislang hat die Regierung Bahrains auch auf die Empfehlungen der BICI lediglich mit halbherzigen Reformen reagiert, die möglicherweise nur darauf abzielen, Bahrains internationale Partner zufrieden zu stellen. Rechenschaft und Gerechtigkeit für die Betroffenen haben sie bisher nicht bewirkt. Auch wenn die Behörden das Gegenteil behaupten, werden KritikerInnen der Herrschaft der Al Khalifa-Familie weiterhin zum Ziel von Angriffen. Die Regierung weigert sich, die vielen Gefangenen freizulassen, die sich für bedeutende politische Reformen einsetzten, und ignoriert auch weiter die von der schiitischen Minderheit angeprangerte Diskriminierung und politische Marginalisierung, die die religiöse Spaltung im Land vertieft.

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Quelle:
ai - URGENT ACTION
UA-Nr: UA-128/2012-3, AI-Index: MDE 11/038/2012, Datum: 8. Juni 2012 - ar
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veröffentlicht im Schattenblick zum 14. Juni 2012