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AKTION/1227: Urgent Action - Iran, Unmittelbar drohende Hinrichtung


ai - URGENT ACTION
UA-Nr: UA-165/2012-2, AI-Index: MDE 13/066/2012, Datum: 19. Oktober 2012 - ar

Iran
Unmittelbar drohende Hinrichtung

Weitere Informationen zu UA-165/2012 (MDE 13/035/2012, 8. Juni 2012 und MDE 13/056/2012, 3. August 2012)



Herr SAEED SEDEGHI

Saeed Sedeghi, ein wegen eines Drogendelikts zum Tode verurteilter Verkäufer, sollte am 13. Oktober hingerichtet werden, erhielt jedoch offenbar einen Hinrichtungsaufschub. Es ist allerdings unklar, ob die Vollstreckung des Todesurteils gestoppt oder nur aufgeschoben wurde. Es muss nach wie vor befürchtet werden, dass Saeed Sedeghi jederzeit hingerichtet werden könnte.

Am 10. Oktober wurde Saeed Sedeghi aus dem Gefängnis Ghezel Hesar in der Stadt Karaj in das Teheraner Evin-Gefängnis überstellt und befindet sich seitdem dort in Einzelhaft. Vor seiner Verlegung sagte Saeed Sedeghi seiner Familie, dass er und zehn weitere Männer am 11. Oktober hingerichtet würden. Am 11. Oktober wurden die Familienangehörigen von Saeed Sedeghi, die vor dem Evin-Gefängnis warteten, von der Gefängnisverwaltung darüber in Kenntnis gesetzt, dass die Hinrichtungen auf den 13. Oktober verschoben worden seien. Am Morgen des 13. Oktober schließlich teilte man den Familien mit, dass keines der Todesurteile vollstreckt worden sei. Als die Familienangehörigen von Saeed Sedeghi sich daraufhin mehrfach nach seinem Verbleib erkundigten, gab ihnen jedoch weder die Verwaltung des Gefängnisses Ghezel Hesar noch die des Evin-Gefängnisses Auskunft.

Der Bruder von Saeed Sedeghi, Majid Sedeghi, wurde am 11. Oktober von Sicherheitskräften in Zivil festgenommen, nachdem er am Tag zuvor in Interviews mit BBC Persian und Voice of America über Saeed Sedeghi gesprochen hatte. Der Verbleib von Majid Sedeghi war unmittelbar nach seiner Festnahme noch unklar, seine Familie fand jedoch später heraus, dass er im Evin-Gefängnis festgehalten wurde. Majid Sedeghi kam am 15. Oktober gegen Kaution frei.


HINTERGRUNDINFORMATIONEN

Saeed Sedeghi war am 29. November 2011 in der iranischen Hauptstadt Teheran zusammen mit drei weiteren Männern wegen Besitzes von Methamphetaminen festgenommen worden. Saeed Sedeghi berichtete seiner Familie, er sei gefoltert und auf andere Weise misshandelt worden. Dabei wurden ihm in der Hafteinrichtung Kahrizak mehrere Zähne ausgeschlagen.

Das Urteil gegen Saeed Sedeghi erging während eines unfairen Gerichtsverfahrens am 26. Mai 2012 vor der Abteilung 30 des Teheraner Revolutionsgerichtshofs. Sein Rechtsbeistand war ihm von den Behörden zugeteilt worden und hatte bis zum Beginn des Prozesses weder Kontakt zu Saeed Sedeghi noch Zugang zu den Akten des Falls. Am 2. Juni verhängte das Gericht die Todesstrafe gegen ihn, weil er gemeinsam mit drei weiteren Männern des Handels und Besitzes von 512 kg Methamphetaminen für schuldig befunden worden war. Darüber hinaus verurteilte das Gericht Saeed Sedeghi zu einer Geldstrafe von zwei Millionen Rial (umgerechnet rund 122 Euro) und 20 Peitschenhieben wegen Besitzes von 21 Gramm Opium und Marihuana. Am 28. Juli wurde Saeed Sedeghi der Abteilung 30 des Revolutionsgerichtshofs in Teheran vorgeführt. Dort unterzeichnete er ein Dokument, in dem er offenbar darüber informiert wurde, dass sein Todesurteil vollstreckt werden wird.

Amnesty International vorliegenden Informationen zufolge ist es möglich, dass das gegen einen der zehn anderen Männer verhängte Todesurteil in lebenslange Haft umgewandelt wurde. Der Mann ist Amnesty bekannt und sollte gemeinsam mit Saeed Sedeghi am 13. Oktober hingerichtet werden. Seine Familie konnte bisher jedoch noch nichts über seinen Verbleib in Erfahrung bringen.

Der Iran zählt gemessen an der Zahl seiner EinwohnerInnen weltweit zu den Staaten mit der höchsten Rate an Drogenabhängigen. Im Mai 2011 nannte Polizeichef Esma'il Ahmadi-Moghaddam eine geschätzte Zahl von mehr als zwei Millionen Drogenabhängigen im Land. In der Hinrichtungsstatistik liegt der Iran hinter der Volksrepublik China an zweiter Stelle. Amnesty International erfuhr 2011 aus offiziellen wie inoffiziellen Quellen von rund 600 Hinrichtungen. 488 der vollstreckten Todesurteile - rund 81 Prozent - waren wegen mutmaßlicher Drogendelikte verhängt worden.


SCHREIBEN SIE BITTE

LUFTPOSTBRIEFE UND E-MAILS MIT FOLGENDEN FORDERUNGEN

  • Ich bitte Sie eindringlich, zu verhindern, dass Saeed Sedeghi ausgepeitscht und hingerichtet wird. Wandeln Sie bitte das gegen ihn verhängte Todesurteil und alle weiteren anhängigen Todesurteile in Haftstrafen um.
  • Bitte machen Sie den Verbleib und das Schicksal von Saeed Sedeghi und das der anderen Männer, deren Hinrichtung für den 13. Oktober angesetzt war, bekannt und stellen Sie sicher, dass sie nicht gefoltert oder in anderer Weise misshandelt werden.
  • Ich erkenne das Recht der Behörden an, strafrechtlich gegen Personen vorzugehen, die illegale Drogen herstellen und vertreiben. Gleichzeitig möchte ich aber darauf aufmerksam machen, dass die Todesstrafe gemäß dem Völkerrecht nur für "schwerste Verbrechen" verhängt werden darf, zu denen Drogendelikte jedoch nicht zu zählen sind. Zudem darf die Todesstrafe nicht zwingend vorgeschrieben sein.

APPELLE AN

RELIGIONSFÜHRER
Ayatollah Sayed 'Ali Khamenei
The Office of the Supreme Leader
Islamic Republic Street - End of Shahid
Keshvar Doust Street, Tehran, IRAN
(Anrede: Your Excellency / Exzellenz)
Twitter: "#Iran leader @khamenei_ir: halt execution of Saeed Sedeghi". Verwenden Sie den Hashtag #saeedsedeghi
E-Mail: info_leader@leader.ir

OBERSTE JUSTIZAUTORITÄT
Ayatollah Sadegh Larijani
[c/o] Public Relations Office,
Number 4, 2 Azizi Street
Vali Asr Ave, above Pasteur Street intersection
Tehran, IRAN
(Anrede: Your Excellency / Exzellenz)
E-Mail: info@dadiran.ir oder info_leader@leader.ir (Betreff: FAO Ayatollah Sadegh Larijani)


KOPIEN AN

LEITER DER STAATLICHEN MENSCHENRECHTSBEHÖRDE
Mohammad Javad Larijani
High Council for Human Rights
[c/o] Office of the Head of the Judiciary
Pasteur St., Vali Asr Ave
south of Serah-e Jomhouri
Tehran 1316814737, IRAN
(Anrede: Dear Sir / Sehr geehrter Herr Larijani)
E-Mail: info@humanrights-iran.ir
(Betreff: FAO Mohammad Javad Larijani)

BOTSCHAFT DER ISLAMISCHEN REPUBLIK IRAN
S. E. Herrn Alireza Sheikh Attar
Podbielskiallee 65-67
14195 Berlin
Fax: 030-8435 3535
E-Mail: info@iranbotschaft.de


Bitte schreiben Sie Ihre Appelle möglichst sofort. Schreiben Sie in gutem Persisch, Englisch, Französisch oder auf Deutsch. Da Informationen in Urgent Actions schnell an Aktualität verlieren können, bitten wir Sie, nach dem 30. November 2012 keine Appelle mehr zu verschicken.


PLEASE WRITE IMMEDIATELY
  • Urging the Iranian authorities not to carry out the flogging or execution of Saeed Sedeghi, and to commute his death sentence and that of anyone else on death row.
  • Calling on them to disclose the whereabouts and fate of Saeed Sedeghi and the others also scheduled for execution on 13 October, and to ensure that none of them are tortured or otherwise ill-treated.
  • Acknowledging that the authorities have a right to prosecute individuals for offences connected to the production and supply of illegal drugs, but pointing out that drugs offences do not meet the threshold of "most serious crimes" to which the death penalty must be restricted under international law, and that death sentences should not be mandatory.

HINTERGRUNDINFORMATIONEN - FORTSETZUNG

Nähere Informationen finden Sie in dem am 15. Dezember 2011 erschienenen englischsprachigen Bericht Addicted to death: executions for drugs offences in Iran unter:
http://www.amnesty.org/en/library/info/MDE13/090/2011/en

Es wird davon ausgegangen, dass die iranischen Behörden seit Anfang des laufenden Jahres mindestens 354 Todesurteile vollstreckt haben. 135 dieser Hinrichtungen sind offiziell nicht bestätigt. Die meisten Hinrichtungen wurden an Menschen vollzogen, die wegen Drogendelikten verurteilt worden waren.

Nach Paragraf 32 des Betäubungsmittelgesetzes haben zum Tode verurteilte Menschen kein Recht auf Berufung. In ihren Fällen unterliegen Schuldspruch und Strafmaß lediglich der Bestätigung durch den Vorsitzenden des Obersten Gerichtshofs oder den Generalstaatsanwalt. In der Praxis scheinen Todesurteile vielfach zur Bestätigung an die Generalstaatsanwaltschaft weitergeleitet zu werden. Ein solches Vorgehen ist mit Paragraf 19 des Rechtsmittelgesetzes unvereinbar, in dem es heißt, dass alle Todesurteile vor Gericht angefochten werden können. Auch Artikel 14, Absatz 5 des Internationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte (IPbpR) schreibt ausdrücklich vor: "Jeder, der wegen einer strafbaren Handlung verurteilt worden ist, hat das Recht, das Urteil entsprechend dem Gesetz durch ein höheres Gericht nachprüfen zu lassen."

Im Dezember 2010 wurde durch Zusätze zum Betäubungsmittelgesetz der Anwendungsbereich der Todesstrafe auf den Besitz weiterer verbotener Drogen wie beispielsweise Methamphetamine (umgangssprachlich auch als "Crystal Meth" bekannt) ausgeweitet. Der Besitz dieser Droge ab einer bestimmten Menge ist nach den neuen Vorschriften zwingend mit der Todesstrafe zu ahnden.

Nach Artikel 6, Absatz 2 des IPbpR, dessen Vertragsstaat der Iran ist, "darf ein Todesurteil nur für schwerste Verbrechen verhängt werden". UN-Menschenrechtsgremien wie etwa der Menschenrechtsausschuss und der Sonderberichterstatter über außergerichtliche, summarische oder willkürliche Hinrichtungen sind zu der Einschätzung gelangt, dass Drogendelikte nicht in die Kategorie der "schwersten Verbrechen" fallen.

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Quelle:
ai - URGENT ACTION
UA-Nr: UA-165/2012-2, AI-Index: MDE 13/066/2012, Datum: 19. Oktober 2012 - ar
Amnesty International, Sektion der Bundesrepublik Deutschland e.V.
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veröffentlicht im Schattenblick zum 24. Oktober 2012