ai - URGENT ACTION
UA-Nr: UA-236/2012-1, AI-Index: MDE 11/064/2012, Datum: 7. November 2012 - jw/mr
Bahrain
Prozess gegen Minderjährige
Weitere Informationen zu UA-236/2012 (MDE 11/049/2012, 7. August 2012)
JEHAD SADEQ AZIZ SALMAN, 16 Jahre alt
EBRAHIM AHMED RADI AL-MOQDAD, 15 Jahre alt
NASER SAEED HASSAN, 20 Jahre alt
HASSAN ABDUL JALIL AL-EKRI, 20 Jahre alt
Und nun auch:
SADEQ JALIL IBRAHIM AL-HAIKI
Zwei Jungen und drei männliche Erwachsene werden weiterhin in einem Gefängnis in Bahrain festgehalten, seit sie im Juli an Protesten teilgenommen hatten. Ihr Prozess vor dem hohen Strafgerichtshof in Manama hat am 16. Oktober begonnen.
Am 16. Oktober sind Jehad Sadeq Aziz Salman, Ebrahim Ahmed Radi al-Moqdad, Naser Saeed Hassan und Hassan Abdul Jalil al-Ekri zusammen mit Sadeq Jalil Ibrahim al-Haiki zum ersten Mal vor dem hohen Strafgericht in Manama, der Hauptstadt von Bahrain, erschienen. Die Anklagepunkte berufen sich auf das bahrainische Strafgesetzbuch und das Anti-Terrorismus-Gesetz von 2006 und lauten "Vorsatz zum Mord", "In Brand setzen eines Polizeifahrzeuges", "gesetzeswidrige Versammlungen und Ausschreitungen", "Werfen von Molotow-Cocktails" und "versuchter Diebstahl eines Polizeifahrzeugs". Einer der Angeklagten gab an, in Haft gefoltert worden zu sein. Die Anwälte der Beklagten warten noch immer auf die Ergebnisse einer forensischen Untersuchung und ihr Fall ist auf den 3. Dezember verschoben worden. Alle fünf sitzen weiterhin im Gefängnis Dry Dock in al-Manama ein. In Bahrain liegt das Strafmündigkeitsalter bei 15 Jahren. Jehad Sadeq Aziz Salman und Ebrahim Ahmed Radi al-Moqdad sind jedoch mit ihrem Alter von weniger als 18 Jahren noch nicht als Erwachsene anzusehen und sollten deshalb nach dem bahrainischen Jugend- und nicht nach dem Erwachsenenstrafrecht behandelt werden. Der Ausschuss für die Rechte des Kindes hat in seiner Allgemeinen Bemerkung Nr. 10 festgehalten, dass "eine jede Person, die zum Zeitpunkt der ihr angelasteten Straftat noch nicht das Alter von 18 Jahren erreicht hat, nach dem Jugendstrafrecht behandelt werden muss". Dieses beinhaltet unter anderem folgende Grundsätze: Freiheitsentzug oder Freiheitsstrafe darf bei einem Kind nur als letztes Mittel und für die kürzeste angemessene Zeit angewendet werden und nur unter regelmäßiger Überprüfung und der Verpflichtung, Alternativen zu nutzen, wann immer es möglich ist; Verbot von Einzelhaft; eine von erwachsenen Gefangenen getrennte Unterbringung jugendlicher StraftäterInnen; keine lebenslangen Haftstrafen ohne die Möglichkeit einer Freilassung für Straftaten, die vor dem 18. Lebensjahr begangen wurden; Berücksichtigung spezieller Bedürfnisse von Kindern in Haft und als Schwerpunkt die Besserung und soziale Wiedereingliederung von inhaftierten Kindern.
Die Behörden Bahrains haben öffentlich ihre Bereitschaft bekundet, Reformen auf den Weg zu bringen. Sie haben betont, Lehren aus den Vorgängen der Monate Februar und März 2011 gezogen zu haben, als sie mit aller Härte gegen die Teilnehmenden regierungskritischer Proteste vorgegangen sind. Im November 2011 legte die Unabhängige Untersuchungskommission von Bahrain (BICI) einen Bericht über ihre Ermittlungen zu Menschenrechtsverletzungen im Kontext der Proteste vor. In dem Bericht kommt die Kommission zu dem Schluss, dass staatliche Stellen dabei straffrei schwere Menschenrechtsverletzungen begangen haben. Entgegen der Versicherung der Behörden kommt es nach wie vor zu Menschenrechtsverletzungen gegen Oppositionelle, die der Regierung der Königsfamilie Al Khalifa kritisch gegenüberstehen. Die zwei Minderjährigen und drei Erwachsenen wurden am 23. Juli bei einer regierungskritischen Demonstration in Bilad al-Qadeem im Westen al-Manamas festgenommen. Zunächst brachte man die vier Häftlinge auf eine Polizeiwache in Gudaibiya, einem Stadtteil von al-Manama. Anschließend wurden sie zu ersten Verhören der Kriminalpolizei überstellt. Bei diesen Verhören war kein Rechtsbeistand zugegen. Im weiteren Verlauf übergab man sie der Staatsanwaltschaft, die sie erneut Vernehmungen unterzog. Die vier Gefangenen durften erst knapp 48 Stunden nach ihrer Festnahme mit ihren Familien sprechen und sie über ihren Haftort informieren.
Artikel 15 des Übereinkommens über die Rechte des Kindes, zu dessen Vertragsstaaten Bahrain zählt, schreibt vor: "(1) Die Vertragsstaaten erkennen das Recht des Kindes an, sich frei mit anderen zusammenzuschließen und sich friedlich zu versammeln. (2) Die Ausübung dieses Rechts darf keinen anderen als den gesetzlich vorgesehenen Einschränkungen unterworfen werden, die in einer demokratischen Gesellschaft im Interesse der nationalen oder der öffentlichen Ordnung, zum Schutz der Volksgesundheit oder der öffentlichen Sittlichkeit oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig sind."
Der im Mai 2012 in Bahrain festgenommene Ali Hassan, ein elf Jahre alter Junge, ist am 5. Juli wieder freigekommen. Ein Jugendgericht hatte ihn auf der Grundlage des Jugendrechts und nach den Paragrafen 178 und 179 des Strafgesetzbuchs für schuldig befunden, "an einer verbotenen Zusammenkunft von mehr als fünf Personen teilgenommen (zu haben) mit dem Ziel, durch die Anwendung von Gewalt die öffentliche Sicherheit zu gefährden". Das Gericht hatte den Jungen zu einem Jahr unter Beobachtung und einer Begutachtung durch SozialarbeiterInnen im Abstand von sechs Monaten verurteilt (vgl. UA-171/2012-1 vom 10. Juli 2012).
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In Artikel 37 b) der Kinderrechtskonvention heißt es weiter: "Die Vertragsstaaten stellen sicher, b) dass keinem Kind die Freiheit rechtswidrig oder willkürlich entzogen wird. Festnahmen, Freiheitsentziehung oder Freiheitsstrafe darf bei einem Kind im Einklang mit dem Gesetz nur als letztes Mittel und für die kürzeste angemessene Zeit angewendet werden; d) dass jedes Kind, dem die Freiheit entzogen ist, das Recht auf umgehenden Zugang zu einem rechtskundigen oder anderen geeigneten Beistand und das Recht hat, die Rechtmäßigkeit der Freiheitsentziehung bei einem Gericht oder einer anderen zuständigen, unabhängigen und unparteiischen Behörde anzufechten, sowie das Recht auf alsbaldige Entscheidung in einem solchen Verfahren." Artikel 40 (2) der Kinderrechtskonvention schließlich schreibt unter Punkt a) fest, "dass kein Kind wegen Handlungen oder Unterlassungen, die zur Zeit ihrer Begehung nach innerstaatlichem Recht oder Völkerrecht nicht verboten waren, der Verletzung der Strafgesetze verdächtigt, beschuldigt oder überführt wird". Unter Punkt (2) b) II) heißt es weiter, "dass jedes Kind, das einer Verletzung der Strafgesetze verdächtigt oder beschuldigt wird, Anspruch auf folgende Mindestgarantien hat: unverzüglich und unmittelbar über die gegen das Kind erhobenen Beschuldigungen unterrichtet zu werden, gegebenenfalls durch seine Eltern oder seinen Vormund, und einen rechtskundigen oder anderen geeigneten Beistand zur Vorbereitung und Wahrnehmung seiner Verteidigung zu erhalten. Nach Punkt (2) b) IV) dürfen Kinder nicht gezwungen werden, "als Zeuge auszusagen oder sich schuldig zu bekennen sowie die Belastungszeugen zu befragen oder befragen zu lassen und das Erscheinen und die Vernehmung der Entlastungszeugen unter gleichen Bedingungen zu erwirken".
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Quelle:
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veröffentlicht im Schattenblick zum 13. November 2012