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AKTION/1284: Urgent Action - Indien, 16 drohende Hinrichtungen


ai - URGENT ACTION
UA-Nr: UA-337/2012, AI-Index: ASA 20/040/2012, Datum: 26. November 2012 - we

Indien
16 drohende Hinrichtungen



Herr GURMEET SINGH
Herr DHARAMPAL
Herr SURESH
Herr RAMJI
Herr SIMON
Herr GNANAPRAKASAM
Herr MADAIAH
Herr BILAVANDRA
Herr PRAVEEN KUMAR
Herr MOHAMMED AFZAL GURU
Herr SAIBANNA NINGAPPA NATIKAR
Herr JAFAR ALI
Frau SONIA
Herr SANJEEV
Herr SUNDAR SINGH
Herr ATBIR

Nach der Hinrichtung des Mumbai-Attentäters Ajmal Kasab besteht Grund zur Sorge, dass die indischen Behörden weitere Häftlinge nach gleichem Vorgehen hinrichten lassen könnten. 16 Gefangene warten derzeit auf eine Entscheidung über ihr Gnadengesuch.

Am 21. November ließ die indische Regierung den Pakistani Ajmal Kasab hinrichten. Er war wegen der Beteiligung an den 2008 in Mumbai verübten Anschlägen zum Tode verurteilt worden. Das Erhängen von Ajmal Kasab war die erste Hinrichtung in Indien seit acht Jahren. Der Umgang mit dem Gnadengesuch von Ajmal Kasab entsprach nicht dem üblichen Verfahren, was große Besorgnis erregte. Gnadengesuche werden in Indien normalerweise in chronologischer Reihenfolge bearbeitet. Der Fall von Ajmal Kasab wurde jedoch durch die Behörden geprüft, obwohl andere Gnadengesuche vor seinem eingereicht worden waren.

Zudem wurde die Öffentlichkeit erst nach der Vollstreckung über die Hinrichtung informiert. Die indischen Behörden rechtfertigten die fehlende Ankündigung damit, dass man so ein Einmischen von MenschenrechtsverteidigerInnen verhindern wollte. Laut offizieller Angaben liegen dem Präsidenten zurzeit 11 Gnadengesuche vor, die insgesamt 16 Personen betreffen. Dabei handelt es sich um Herrn Gurmeet Singh, Herrn Dharampal, Herrn Suresh, Herrn Ramji, Herrn Simon, Herrn Gnanaprakasam, Herrn Madaiah, Herrn Bilavandra, Herrn Praveen Kumar, Herrn Mohammed Afzal Guru, Herrn Saibanna Ningappa Natikar, Herrn Jafar Ali, Frau Sonia, Herrn Sanjeev, Herrn Sundar Singh und Herrn Atbir.

Neun der Gnadengesuche werden derzeit bereits zum zweiten Mal durch das Innenministerium geprüft. Es ist jedoch nicht bekannt, wessen Gesuche dies betrifft. MinisterInnen haben erklärt, dass in Kürze über einige der Gnadengesuche entschieden werden wird. In Anbetracht der Tatsache, dass die Öffentlichkeit erst nach der Hinrichtung von Ajmal Kasab informiert wurde und dass Gnadengesuche derzeit scheinbar nicht in chronologischer Reihenfolge geprüft werden, ist es nicht klar, welche der Gesuche erneut überprüft werden und wann die Behörden sich entscheiden könnten, die Gefangenen hinzurichten.


HINTERGRUNDINFORMATIONEN

Das Erhängen von Ajmal Kasab war die erste Hinrichtung in Indien seit August 2004. Anders als bei der Hinrichtung des Mumbai-Attentäters haben die indischen Behörden in der Vergangenheit die Öffentlichkeit über das Ablehnen von Gnadengesuchen und geplante Hinrichtungstermine in Kenntnis gesetzt. In der vom UN-Menschenrechtsausschuss verabschiedeten Resolution 2005/59 werden Staaten, die noch die Todesstrafe verhängen, aufgefordert, "die Öffentlichkeit über die Verhängung der Todesstrafe und alle festgelegten Hinrichtungstermine zu informieren". Eine Wiederaufnahme von Hinrichtungen nach einer achtjährigen Unterbrechung läuft regionalen und globalen Entwicklungen zur Abschaffung der Todesstrafe zuwider. Offiziellen Angaben zufolge liegen dem Präsidenten zurzeit elf Gnadengesuche vor, die insgesamt 16 Personen betreffen. Inoffizielle Quellen und Zeitungen gehen jedoch davon aus, dass möglicherweise noch über bis zu 14 Gnadengesuche entschieden werden muss. Vierzehn ehemalige RichterInnen haben den Präsidenten vor Kurzem gebeten, die Todesurteile gegen 13 Personen umzuwandeln, weil sie glauben, dass sie zu unrecht zum Tode verurteilt wurden. Dies betrifft auch Saibanna Ningappa Natikar, der wegen des Mordes an zwei seiner Familienmitglieder im Jahre 2005 zum Tode verurteilt wurde und der zu den Personen gehört, über dessen Gnadengesuche noch entschieden werden muss. Mohammad Afzal Guru wurde wegen seiner Beteiligung an dem Terroranschlag auf das indische Parlament 2001 zum Tode verurteilt. Sein Verfahren fand gemäß dem Antiterrorgesetz vor einem Sondergericht statt. Amnesty International ist der Ansicht, dass solche Verfahren den internationalen Menschenrechtsnormen nicht entsprechen. Der Präsident hat mehrere Möglichkeiten mit einem Gnadengesuch umzugehen: Er kann das Gesuch ablehnen, Gnade gewähren und das Todesurteil in eine Haftstrafe umwandeln oder, wie in vielen vorangegangenen Fällen, in absehbarer Zeit gar keine Entscheidung treffen.


SCHREIBEN SIE BITTE FAXE, E-MAILS ODER LUFTPOSTBRIEFE MIT FOLGENDEN FORDERUNGEN
  • Bitte wandeln Sie alle bereits verhängten Todesstrafen in Haftstrafen um.
  • Ich fordere Sie auf, ab sofort keine weiteren Hinrichtungen durchzuführen und ein offizielles Hinrichtungsmoratorium zu erlassen, mit dem Ziel die Todesstrafe ganz abzuschaffen.
  • Informieren Sie im Fall von abgelehnten Gnadengesuchen bitte unverzüglich die Betroffenen selbst, ihre Rechtsbeistände und ihre Familien über die Entscheidung, die Gründe für die Entscheidung, den geplanten Hinrichtungstermin und setzen Sie auch die Öffentlichkeit über bevorstehende Hinrichtungen in Kenntnis.
  • Ich möchte darauf hinweisen, dass eine Wiederaufnahme von Hinrichtungen in Indien nach einer achtjährigen Unterbrechung regionalen und globalen Entwicklungen zur Abschaffung der Todesstrafe zuwiderlaufen würde. Ich bin mir der Schwere von Gewalttaten bewusst und fühle mit den Opfern.
  • Ich möchte Sie aber auch darauf hinweisen, dass die Todesstrafe die schwerste aller Menschenrechtsverletzungen darstellt.

APPELLE AN STAATSPRÄSIDENT

President Pranab Mukherjee Rashtrapati Bhavan,
New Delhi 110 004,
INDIEN
(Anrede: Dear President / Sehr geehrter Herr Präsident)
Fax: (00 91) 11 230 172 90 oder (00 91) 11 230 178 24
E-Mail: (über Formular) http://helpline.rb.nic.in/


KOPIEN AN

PREMIERMINISTER
Dr. Manmohan Singh South Block,
Raisina Hill
New Delhi 110 001,
INDIEN
(Anrede: Dear Prime Minister / Sehr geehrter Herr Premierminister)
Fax: (00 91) 11 230 195 45 oder (00 91) 11 230 168 57
E-Mail: (über Formular)
http://pmindia.gov.in/feedback.php

INNENMINISTER
Sushilkumar Shinde 104,
North Block Central Secretariat
New Delhi 110001,
INDIEN
(Anrede: Dear Minister / Sehr geehrter Herr Minister)
Fax: (00 91) 11 230 942 21
E-Mail: hm@nic.in

BOTSCHAFT DER REPUBLIK INDIEN
I. E. Frau Sujatha Singh
Tiergartenstr. 17
10785 Berlin
Fax: 030-2579 5102
E-Mail: dcm@indianembassy.de


Bitte schreiben Sie Ihre Appelle möglichst sofort. Schreiben Sie in gutem Hindi, Englisch oder auf Deutsch. Da Informationen in Urgent Actions schnell an Aktualität verlieren können, bitten wir Sie, nach dem 7. Januar 2012 keine Appelle mehr zu verschicken.


PLEASE WRITE IMMEDIATELY
  • Calling on Indian authorities to commute all death sentences to terms of imprisonment
  • Calling on India's President to immediately stop plans to carry out further executions and establish an official moratorium on executions with a view to abolishing the death penalty.
  • Where mercy petitions have been rejected, calling on the President and Ministry of Home Affairs to respect the practice of promptly informing the individual, his/her lawyers, his/her family, of the decision, reasons for the decision, and proposed date of execution, as well as the public of any scheduled execution.
  • Pointing out that India's decision to resume executions after an eight-year gap has set the country against regional and global trends towards abolition of the death penalty.
  • Acknowledging the seriousness of violent crimes and expressing sympathy with the victims, but raising concern that the death penalty is the ultimate denial of human rights.

HINTERGRUNDINFORMATIONEN - FORTSETZUNG

Insgesamt haben sich 140 Staaten, das sind über zwei Drittel aller Länder der Welt, in Gesetz oder Praxis gegen die Todesstrafe entschieden. Im Jahr 2011 wurden in nur 21 Staaten Hinrichtungen vollzogen, d. h. in weniger als 10 Prozent der Welt. Von 41 Staaten im asiatisch-pazifischen Raum haben 17 die Todesstrafe vollständig abgeschafft, weitere zehn führen sie in der Praxis nicht mehr durch und Fidschi wendet sie nur noch bei außerordentlichen militärischen Verbrechen an. In den letzten zehn Jahren haben vier asiatisch-pazifische Staaten die Todesstrafe für alle Straftaten abgeschafft: Bhutan und Samoa im Jahr 2004, die Philippinen 2006 und die Cook Inseln 2007.

In der gesamten Region hat ein allgemein bestehendes öffentliches Bewusstsein zu einem höheren Maß an Transparenz und einer stärkeren Auseinandersetzung mit dem Thema Todesstrafe geführt. UN-Institutionen und -Mechanismen haben Mitgliedstaaten wiederholt dazu aufgerufen, ein Hinrichtungsmoratorium zu verhängen mit dem Ziel, die Todesstrafe ganz abzuschaffen. Zuletzt wurde dies in der Verabschiedung von drei Resolutionen der UN-Generalversammlung zur Todesstrafe im Dezember 2007, 2008 und 2010 deutlich. Über eine vierte Resolution zu einem Hinrichtungsmoratorium, deren Entwurf am 19. November 2012 mit erhöhter Unterstützung durch den Dritten Ausschuss der UN-Generalversammlung angenommen worden war, wird im Dezember im Rahmen einer Plenarabstimmung entschieden werden.

In einer allgemeinen Bemerkung des UN-Menschenrechtsausschusses zu Artikel 6 des Internationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte (IPBPR), dessen Vertragsstaat Indien ist, heißt es, dass Artikel 6 sich "allgemein auf die Abschaffung [der Todesstrafe] in einer Weise bezieht, die sehr nahe legt, dass die Abschaffung wünschenswert ist" und dass "alle Maßnahmen zur Abschaffung der Todesstrafe als Fortschritt im Hinblick auf die Wahrung des Rechts auf Leben betrachtet werden sollten". Amnesty International wendet sich in allen Fällen gegen die Todesstrafe, ungeachtet der Art des Verbrechens, der Charakterzüge des/der Angeklagten oder der Art der Hinrichtung.

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Quelle:
ai - URGENT ACTION
UA-Nr: UA-337/2012, AI-Index: ASA 20/040/2012, Datum: 26. November 2012 - we
Amnesty International, Sektion der Bundesrepublik Deutschland e.V.
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Internet: www.amnesty.de/ua; www.amnesty.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 29. November 2012