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AKTION/1288: Urgent Action - Israel / besetzte palästinensische Gebiete, Friedlicher Aktivist inhaftiert


ai - URGENT ACTION
UA-Nr: UA-331/2012, AI-Index: MDE 15/062/2012, Datum: 28. November 2012 - we

Israel / besetzte palästinensische Gebiete
Friedlicher Aktivist inhaftiert



BASSEM TAMIMI
RUSHDI TAMIMI, 31 Jahre
HAMDI FALLAH, 22 Jahre

Der palästinensische Aktivist Bassem Tamimi wurde am 6. November zu vier Monaten Haft verurteilt, weil er an friedlichen Demonstrationen gegen israelische Siedlungen teilgenommen hatte. Amnesty International betrachtet ihn als gewaltlosen politischen Gefangenen. Der Schwager von Bassem Tamimi und ein weiterer palästinensischer Demonstrant wurden während Demonstrationen am 17. und 19. November von israelischen Sicherheitskräften getötet. Sie hatten gegen die Angriffe Israels auf Gaza im Rahmen der kürzlich gestarteten Operation "Wolkensäule" demonstriert.

Am 6. November verurteilte ein israelisches Militärgericht Bassem Tamimi wegen seiner Beteiligung an einer Demonstration am 24. Oktober 2012 zu vier Monaten Gefängnis und einem Bußgeld von 5.000 israelischen Schekel (etwa 1000 Euro). Als Teil einer Absprache zwischen den beiden Parteien im Strafverfahren wurde er zudem zu einer Haftstrafe von drei Monaten verurteilt, die für drei Jahre zur Bewährung ausgesetzt ist. Bassem Tamimi fühlte sich dazu gezwungen, einer Absprache zuzustimmen, weil er durch seinen friedlichen Protest gegen "Militärverordnung 101" verstoßen hatte. Mit dieser Verordnung werden die Rechte auf Meinungs- und Versammlungsfreiheit unrechtmäßig eingeschränkt.

Das Militärgericht in Ofer klagte Bassem Tamimi wegen "Behinderung der Arbeit eines Polizeibeamten" und "Teilnahme an einer nicht genehmigten Demonstration" an. Eine Anklage wegen des "Angriffs auf einen Polizeibeamten" wurde fallengelassen, nachdem die Militärstaatsanwaltschaft auf Grundlage von Videomaterial anerkannt hatte, dass Bassem Tamimi während der Demonstration Gewalt weder angewandt noch befürwortet hat. Eine weitere Anklage, wegen "Handlungen, die die öffentliche Ordnung gefährden", wurde ebenfalls fallengelassen. Er wurde jedoch in einem vorherigen Verfahren, das im Mai 2012 endete, in diesem Anklagepunkt schuldig gesprochen und zu einer Bewährungsstrafe von 17 Monaten verurteilt. Bereits seit drei Jahren werden Bassem Tamimi, einige seiner Familienangehörigen und andere BewohnerInnen des Dorfes al-Nabi Saleh, immer wieder wegen der Organisation friedlicher Proteste gegen den unrechtmäßigen Bau israelischer Siedlungen in al-Nabi Saleh im besetzten Westjordanland strafrechtlich verfolgt.

Rushdi Tamimi, der Schwager von Bassem Tamimi, wurde verletzt, als israelische SoldatInnen am 17. November mit scharfer Munition auf Demonstrierende in al-Nabi Saleh schossen. Er erlag am 19. November im Krankenhaus in Ramallah seinen Verletzungen. PalästinenserInnen in allen Regionen des Westjordanlands protestierten gegen die israelische Militäroperation "Wolkensäule". Israel griff im Rahmen der Operation den Gazastreifen an, um auf diese Weise weitere Raketenangriffe gegen Israel durch bewaffnete palästinensische Gruppen aus dem Gazastreifen zu verhindern. Hamid Fallah wurde am 19. November getötet, als israelische SoldatInnen mit scharfer Munition auf Protestierende in Hebron schossen.


HINTERGRUNDINFORMATIONEN

Bassem Tamimi ist 44 Jahre alt, verheiratet und Vater von vier kleinen Kindern. Er hat wiederholt bekräftigt, dass er gewaltfrei vorgeht beim Einsatz für die BewohnerInnen im Kampf gegen den völkerrechtswidrigen Bau von Siedlungen in besetzten Gebieten. Ein Militärgericht hatte Bassem Tamimi im Mai 2012 wegen seiner Rolle bei der Organisation von regelmäßig stattfindenden friedlichen Protesten gegen israelische Siedlungen im Westjordanland zu 13 Monaten Haft verurteilt. Zur Zeit der Verurteilung hatte er die Haftstrafe bereits verbüßt. Das Militärgericht verurteilte ihn zudem zu einer 17-monatigen Bewährungsstrafe. Während seiner Zeit in Haft betrachtete Amnesty International ihn als gewaltlosen politischen Gefangenen und forderte seine sofortige und bedingungslose Freilassung. Amnesty International hatte zuvor dokumentiert, dass Bassem Tamimi 1993 von israelischen Sicherheitskräften gefoltert worden war. Nach seiner Freilassung am 9. November 1993 schüttelten ihn VernehmungsbeamtInnen so heftig, dass er eine Hirnblutung (Subduralhämatom) erlitt, für sechs Tage ins Koma fiel und lebensrettenden Operationen unterzogen werden musste. Am 6. Dezember 1993 wurde er dann ohne Anklage freigelassen.

Das israelische Militär beschränkt die Rechte auf Meinungs- und Versammlungsfreiheit der PalästinenserInnen in den besetzten palästinensischen Gebieten bereits seit langer Zeit. Das israelische Militärgesetz, das im besetzten Westjordanland gilt, führt zu weitreichenden und willkürlichen Einschränkungen der Rechte auf Meinungs- und Versammlungsfreiheit - nicht genehmigte friedliche Demonstrationen von PalästinenserInnen gelten seither als Straftaten. Laut der "Militärverordnung 101" erfordert jede Versammlung von zehn oder mehr PalästinenserInnen zu einem "politischen Zweck oder einem solchen, der als politisch interpretiert werden könnte" eine Genehmigung durch einen israelischen Militärbefehlshaber. Bei einem Verstoß gegen die Verordnung drohen bis zu zehn Jahre Haft.


SCHREIBEN SIE BITTE

E-MAILS, FAXE UND LUFTPOSTBRIEFE MIT FOLGENDEN FORDERUNGEN

  • Ich möchte meine Sorge darüber zum Ausdruck bringen, dass Bassem Tamimi ein gewaltloser politischer Gefangener ist, der sich nur deshalb in Haft befindet, weil er sein Recht auf Meinungsfreiheit friedlich ausgeübt hat. Lassen Sie ihn unverzüglich und bedingungslos frei.
  • Sorgen Sie bitte dafür, dass die Rechte auf Meinungs- und Versammlungsfreiheit in den besetzten palästinensischen Gebieten geschützt werden. Heben Sie dazu bitte die "Militärverordnung 101" auf, da durch sie diese Rechte unrechtmäßig beschränkt werden.
  • Führen Sie bitte außerdem unverzüglich eine unabhängige Untersuchung der Tötung von Rushdi Tamimi und Hamdi Fallah im Westjordanland durch.

APPELLE AN

STAATSPRÄSIDENT
Shimon Peres
The Office of the President, 3 Hanassi Street
Jerusalem 92188, ISRAEL
(Anrede: Your Honour / Sehr geehrter Herr Staatspräsident)
Fax: (00 972) 2 561 1033 oder (00972) 2 566 4838
E-Mail: public@president.gov.il oder president@president.gov.il

STELLVERTRETENDER MINISTERPRÄSIDENT UND VERTEIDIGUNGSMINISTER
Ehud Barak
Ministry of Defence
37 Kaplan Street, Hakirya
Tel Aviv 61909, ISRAEL
(Anrede: Dear Minister / Sehr geehrter Herr Minister) Fax: (00 972) 3 69 16940 oder (00 972) 3 69 17915


KOPIEN AN

MINISTER FÜR ÖFFENTLICHE SICHERHEIT
Yitzhak Aharonovitch
Minister of Public Security
Kiryat Hamemshala
Jerusalem 91181
ISRAEL
(Anrede: Dear Minister / Sehr geehrter Herr Minister)
Fax: (00 972) 2 584 7872
E-Mail: sar@mops.gov.il

BOTSCHAFT DES STAATES ISRAEL
S.E. Herrn Jaakov Hadas-Handelsman
Auguste-Viktoria-Straße 74-76, 14193 Berlin
Fax: (030) 8904 5555
E-Mail: botschaft@israel.de


Bitte schreiben Sie Ihre Appelle möglichst sofort. Schreiben Sie in gutem Hebräisch, Englisch oder auf Deutsch. Da Informationen in Urgent Actions schnell an Aktualität verlieren können, bitten wir Sie, nach dem 9. Januar 2013 keine Appelle mehr zu verschicken.


PLEASE WRITE IMMEDIATELY
  • Expressing concern that Bassem Tamimi is a prisoner of conscience, detained solely for the peaceful exercise of his right to freedom of expression, and calling for his immediate and unconditional release.
  • Calling for the right to freedom of expression and assembly to be protected in the Occupied Palestinian Territories by rescinding "Military Order 101" which unlawfully restricts these rights.
  • Urging the Israeli authorities to carry out prompt and independent investigations into the killing of Rushdi Tamimi and Hamdi Fallah in the West Bank.

HINTERGRUNDINFORMATIONEN - FORTSETZUNG

Die israelischen Militärs sind bereits mehrfach mit übermäßiger Gewalt gegen palästinensische Demonstrierende im Westjordanland vorgegangen, die gegen die Ausweitung der Siedlungen und den Bau eines Zauns bzw. einer Mauer auf palästinensischem Gebiet protestierten. In Dörfern wie Bil'in, Ni'lin, al-Nabi Saleh und Kafr Qaddom werden Protestierende immer wieder durch israelische Streitkräfte verletzt. Der Demonstrant Mustafa Tamimi wurde am 9. Dezember 2011 von einer Tränengasgranate im Gesicht getroffen, die aus kurzer Entfernung aus einem israelischen Militärfahrzeug in al-Nabi Saleh auf ihn geworfen wurde. Er starb am darauffolgenden Tag.

Al-Nabi Saleh ist häufig Thema bei Demonstrationen gegen die Landnahme durch israelische Siedlungen. Der Grund und Boden des Dorfes, einschließlich einer Quelle sind von den benachbarten israelischen SiedlerInnen in Halamish eingenommen worden. Die israelischen Siedlungen im besetzten Westjordanland, einschließlich Ostjerusalem, verstoßen gegen das Völkerrecht und das israelische Vorgehen, Zivilpersonen auf besetztem Land anzusiedeln, ist gemäß den Statuten des Internationalen Strafgerichtshofs ein Kriegsverbrechen. Israel hat im Westjordanland etwa 150 Siedlungen angelegt. An dem Tag der Verurteilung von Bassem Tamimi wegen seiner Proteste gegen die Siedlungen kündigte Israel neue Ausschreibungen für den Bau von 1213 Häusern in schon bestehenden Siedlungen im besetzten Ostjerusalem an.

Während der israelischen Militäroperation "Wolkensäule" vom 14. bis 21. November gingen Tausende palästinensische Demonstrierende auf die Straßen, um gegen den Militärschlag Israels gegen Gaza zu protestieren. Rund 160 PalästinenserInnen darunter etwa 103 Zivilpersonen wurden während der acht Tage dauernden Operation getötet. Sechs Israelis, darunter vier Zivilpersonen wurden durch einen Raketenangriff von Seiten bewaffneter palästinensischer Gruppen in Gaza getötet. Die israelischen Sicherheitskräfte gingen allem Anschein nach mit exzessiver Gewalt gegen Demonstrierende vor, töteten dabei zwei und verletzten Dutzende weitere Demonstrierende. Am 17. November wurde der 31-jährige Vater eines Kindes, Rushdi Tamimi, in al-Nabi Saleh mit scharfer Munition in den unteren Rücken geschossen. Auf einem Video ist zu sehen, wie ihn israelische SoldatInnen umringen und seine Familie ihn daher erst mit Verzögerung in einen Krankenwagen bringen kann. Er erlag am 19. November im Krankenhaus von Ramallah seinen Verletzungen. Am 19. November töteten israelische Sicherheitskräfte auch den 22-jährigen Hamdi Fallah in Halhul nördlich von Hebron. Laut Angaben der israelischen Menschenrechtsorganisation B'tselem war Hamdi Fallah mit vier Kugeln scharfer Munition in Brust, Arm und Bein geschossen worden.

Einen englischsprachigen Artikel und ein Video finden Sie hier:
http://www.amnesty.org/en/news/palestinian-activist-jailed-west-bank-protest-must-be-freed-2012-11-07

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Quelle:
ai - URGENT ACTION
UA-Nr: UA-331/2012, AI-Index: MDE 15/062/2012, Datum: 28. November 2012 - we
Amnesty International, Sektion der Bundesrepublik Deutschland e.V.
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veröffentlicht im Schattenblick zum 1. Dezember 2012