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AKTION/1310: Urgent Action - Irak, Todesurteile nach erzwungenen "Geständnissen"


ai - URGENT ACTION
UA-Nr: UA-354/2012, AI-Index: MDE 14/017/2012, Datum: 12. Dezember 2012 - mr

Irak
Todesurteile nach erzwungenen "Geständnissen"



Herr NABHAN 'ADEL HAMDI
Herr MU'AD MUHAMMAD 'ABED
Herr 'AMER AHMAD KASSAR
Herr SHAKIR MAHMOUD 'ANAD

Vier irakische Männer wurden am 3. Dezember zum Tode verurteilt, nachdem die von ihnen erzwungenen "Geständnisse" im Fernsehen gesendet worden waren. Die "Geständnisse" waren aufgenommen worden, als sie sich ohne Kontakt zur Außenwelt in Untersuchungshaft befanden.

Nabhan 'Adel Hamdi, Mu'ad Muhammad 'Abed 'Amer Ahmad Kassar und ein vierter Mann, von dem inzwischen bekannt geworden ist, dass es sich um Shakir Mahmoud 'Anad handelt, wurden am 3. Dezember im Zusammenhang mit terroristischen Anklagen nach einem unfairen Verfahren vor dem Strafgericht in Anbar in der westirakischen Provinz Anbar zum Tode verurteilt. Ihr Fall wird nun vom höchsten irakischen Gericht, dem Kassationsgericht, geprüft. Sollte dieses Gericht die Urteile aufrechterhalten und der Präsident sie ratifizieren, droht den vier Männern unmittelbar die Hinrichtung.

Die vier zwischen Ende zwanzig und Anfang dreißig Jahre alten Männer wurden zwischen Ende März und Anfang April 2012 festgenommen. Berichten zufolge wurden sie gefoltert, während sie mehrere Wochen ohne Kontakt zur Außenwelt im Amt für Verbrechensbekämpfung in Ramadi, der Hauptstadt der Provinz Anbar, festgehalten wurden. Ihre "Geständnisse" wurden dann am 24. und 25. April auf einem lokalen Fernsehsender ausgestrahlt. Als man sie dem Gericht vorführte, gaben sie gegenüber dem Strafgericht Anbar an, dass sie unter Folter gezwungen worden waren, Beihilfe zu einem Mord zu "gestehen". Zeugenaussagen von Mithäftlingen und Fotografien einiger der Verletzungen der Männer, die Amnesty International gesehen hat, erhärten die Foltervorwürfe. Die medizinische Untersuchung von Mu'ad Muhammad 'Abed brachte Verbrennungen und andere Verletzungen zutage, die von Folter herrühren. Bislang ist nicht bekannt, dass eine Untersuchung der Foltervorwürfe erfolgt. Nabhan 'Adel Hamdis Vater und zwei seiner Onkel wurden am 5. Dezember festgenommen und werden zurzeit im Amt für Verbrechensbekämpfung festgehalten. Ihnen droht dort ebenfalls Folter (siehe UA-351/2012).


HINTERGRUNDINFORMATIONEN

Nabhan 'Adel Hamdi, ein ehemaliger Armeeangehöriger, wurde am 20. März 2012 in der Baumschule eines Familienangehörigen in Ramadi 100 km westlich der Hauptstadt Bagdad festgenommen. Am 22. März gegen Mittag wurde Mu'ad Muhammad 'Abed in der Mawarid-Grundschule in Fallujah, wo er als Lehrer arbeitet, festgenommen. Am 28. März wurde Shakir Mahmoud 'Anad in Ramadi festgenommen. Der Auszubildende 'Amer Ahmad Kassar wurde am 3. April bei sich zuhause in Ramadi festgenommen. Am 24. April strahlte der Fernsehkanal al-Anbar erstmals eine Sendung aus, in der die drei oben genannten Männer sowie vier weitere Häftlinge der Mitgliedschaft in einer bewaffneten Gruppe und der Beteiligung an terroristischen Straftaten beschuldigt wurden. Während der Sendung wurden Interviews gezeigt, in denen die Häftlinge Aussagen machten, mit denen sie sich selbst belasteten. Familienangehörige, die die Sendung verfolgt hatten, sagten Amnesty International, dass es schien, als haben die Inhaftierten die selbstbelastenden Erklärungen unter Zwang abgegeben.

Im Irak geben Angeklagte häufig an, dass ihre "Geständnisse" während der Verhöre in Untersuchungshaft ohne Kontakt zur Außenwelt durch Folter erzwungen wurden. Artikel 37 (1)c der irakischen Verfassung und die internationalen Verpflichtungen des Landes, darunter die Antifolterkonvention der UN, untersagen die Verwendung von erzwungenen Aussagen.

Selbstbezichtigungsaussagen von Untersuchungshäftlingen werden unter Verstoß gegen das Unschuldsprinzip nach wie vor im irakischen Fernsehen ausgestrahlt. Irakische Verhörer haben sogar "Geständnisse" über Vorfälle erzwungen, die es nie gegeben hat. So wurden zum Beispiel im Mai 2005 vier Palästinenser von irakischen Sicherheitskräften inhaftiert und gefoltert. Sie wurden im Fernsehsender al-'Iraqiyya vorgeführt und gezeigt, wie sie die Verantwortung für ein Bombenattentat übernahmen. Im Juli 2005 beschrieben die Männer ihren Verteidigern, wie sie systematische Folter erdulden mussten und gaben an, dass sie mit Kabeln geschlagen worden waren, man ihnen Elektroschocks an Händen, Handgelenken, Fingern, Fußgelenken und Füßen verabreichte, sie mit Zigaretten im Gesicht verbrannte und sie in einen unter Wasser gesetzten Raum eingesperrt waren, der unter Strom gesetzt wurde. Die Männer unterzeichneten "Geständnisse", in denen sie die Verantwortung für weitere fünf Bombenanschläge an anderen Orten Bagdads übernahmen. Als der Anwalt diese fünf Bombenanschläge untersuchte, erhielt er Dokumente, die zeigten, dass diese Bombenanschläge tatsächlich nie stattgefunden hatten. Nach ihrer Freilassung verließen die Männer den Irak.


SCHREIBEN SIE BITTE

E-MAILS, FAXE ODER LUFTPOSTBRIEFE MIT FOLGENDEN FORDERUNGEN

  • Ich fordere Sie auf, die Todesurteile gegen Nabhan 'Adel Hamdi, Mu'ad Muhammad 'Abed 'Amer Ahmad Kassar und Shakir Mahmoud 'Anad nicht zu vollstrecken.
  • Es besorgt mich sehr, dass die Männer kein faires Gerichtsverfahren hatten. Bitte achten sie die internationalen Standards für faire Verfahren in allen weiteren Prozessen gegen die Männer.
  • Leiten Sie durch ein unabhängiges Gremium eine Untersuchung der Vorwürfe ein, die Gefangenen seien gefoltert und in anderer Weise misshandelt worden, und stellen Sie die Verantwortlichen vor Gericht.
  • Erlassen Sie bitte umgehend ein Hinrichtungsmoratorium mit dem Ziel, die Todesstrafe ganz abzuschaffen und alle bestehenden Todesurteile umgehend umzuwandeln.

APPELLE AN

MINISTERPRÄSIDENT
His Excellency Nuri Kamil al-Maliki
Office of the Prime Minister
Convention Centre (Qasr al-Ma'aridh)
Baghdad, IRAK (Anrede: Your Excellency / Exzellenz)
E-Mail: info@pmo.iq

JUSTIZMINISTER
Hassan al-Shammari
Convention Centre (Qasr al-Ma'aridh)
Baghdad, IRAK (Anrede: Your Excellency / Exzellenz)
E-Mail über http://www.moj.gov.iq/complaints.php
MINISTER FÜR MENSCHENRECHTE
His Excellency Mohammad Shayaa al-Sudani
Convention Centre (Qasr al-Ma'aridh)
Baghdad, IRAK
(Anrede: Your Excellency / Exzellenz)
E-Mail: shakawa@humanrights.gov.iq


KOPIEN AN

BOTSCHAFT DER REPUBLIK IRAK
S. E. Herrn Hussain Mahmood Fadhlalla Alkhateeb
Pacelliallee 19 - 21, 14195 Berlin
Fax: 030-8148 8222
E-Mail: info@iraqiembassy-berlin.de


Bitte schreiben Sie Ihre Appelle möglichst sofort. Schreiben Sie in gutem Arabisch, Englisch oder auf Deutsch. Da Informationen in Urgent Actions schnell an Aktualität verlieren können, bitten wir Sie, nach dem 23. Januar 2013 keine Appelle mehr zu verschicken.


PLEASE WRITE IMMEDIATELY
  • Calling on the Iraqi authorities to ensure that the death sentences against Nabhan 'Adel Hamdi, Mu'ad Muhammad 'Abed, 'Amer Ahmad Kassar and Shakir Mahmoud 'Anad are not carried out.
  • Expressing concerns that the men did not receive a fair trial and calling for international standards for fair trial to be respected in any further legal proceedings in their case.
  • Calling for their allegations of torture to be investigated promptly and thoroughly by an independent body and for anyone found responsible for abuses to be brought to justice.
  • Urging the authorities to declare an official moratorium on executions with a view to abolishing the death penalty, and to commute without delay all death sentences.

HINTERGRUNDINFORMATIONEN - FORTSETZUNG

Die Todesstrafe ist im Irak weitverbreitet. Hunderte Menschen sind zum Tode verurteilt und hingerichtet worden, seit die Todesstrafe 2004 von der irakischen Regierung wieder eingeführt wurde. Die Regierung stellt sehr wenige Informationen wie Statistiken, über die Hinrichtungen bereit. Dies verstößt gegen internationale Standards über Transparenz. Insgesamt sind im Irak in diesem Jahr schon mindestens 129 Menschen, darunter auch drei Frauen, hingerichtet worden. Amnesty International ist grundsätzlich und ausnahmslos gegen die Todesstrafe. Sie verstößt gegen das Recht auf Leben, das in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte zugesichert wird, und ist die grausamste, unmenschlichste und erniedrigendste Strafe überhaupt.

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Quelle:
ai - URGENT ACTION
UA-Nr: UA-354/2012, AI-Index: MDE 14/017/2012, Datum: 12. Dezember 2012 - mr
Amnesty International, Sektion der Bundesrepublik Deutschland e.V.
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Zinnowitzer Straße 8, 10115 Berlin
Telefon: 030/42 02 48-306, Fax: 030/42 02 48 - 330
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Internet: www.amnesty.de/ua; www.amnesty.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 19. Dezember 2012