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AKTION/1314: Urgent Action - Russische Föderation, Drohende Abschiebung


ai - URGENT ACTION
UA-Nr: UA-361/2012, AI-Index: EUR 46/052/2012, Datum: 17. Dezember 2012 - jw

Russische Föderation
Drohende Abschiebung



Herr YUSUP KASYMAKHUNOV

Der Usbeke Yusup Kasymakhunov ist am 14. Dezember im Raum Moskau "verschwunden". Er ist möglicherweise vom usbekischen Geheimdienst entführt und nach Usbekistan gebracht worden, wo ihm Folter und andere Misshandlungen drohen.

Yusup Kasymakhunov war am 10. Dezember aus der Haft in Murmansk im Norden Russlands entlassen worden. Er traf sich daraufhin mit russischen MenschenrechtsaktivistInnen, die mit ihm nach Moskau fuhren. Dort stellte er einen Antrag auf befristetes Asyl in Russland, um nicht nach Usbekistan ausgeliefert zu werden. Danach begab er sich in eine Ortschaft im Raum Moskau, wo man ein Apartment für ihn gemietet hatte.

Zwei Tage später bemerkte er, dass ihm ständig zwei Autos folgten. Wenn er sich zuhause aufhielt, parkten die Autos im Hof seines Apartmentgebäudes. Er setzte sich sofort mit seinen UnterstützerInnen in Verbindung, die das Büro der russischen Vertretung am Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte kontaktierten. Sie beantragten dort die Einleitung aller nötigen Schritte, um eine Entführung zu verhindern. Aus Angst, entführt zu werden, blieb Yusup Kasymakhunov den ganzen nächsten Tag zuhause. Am 14. Dezember war ab ca. 23 Uhr sein Mobiltelefon nicht mehr erreichbar. MenschenrechtsaktivistInnen, die sich mit seinem Fall beschäftigten, fuhren sofort zu seinem Apartment, aber trafen ihn dort nicht an. Die Tür war verschlossen, und es gab keine sichtbaren Anzeichen von ungewöhnlichen Vorkommnissen. Nur sein Mantel und einige Dokumente fehlten. Die Polizei wurde informiert, begann aber offenbar nicht sofort mit den Ermittlungen.

Eine Nachbarin sagte den UnterstützerInnen von Yusup Kasymakhunov am 15. Dezember, dass er sie am Tag zuvor gegen 13:20 Uhr angerufen und nach Haushaltsgeräten gefragt hatte. Sie hatte ihm vorgeschlagen, zu ihrem Apartmentgebäude zu kommen, wo sie ihn treffen und ihm die Geräte übergeben wollte. Sie verabredeten, dass er anrufen sollte, bevor er sich auf den Weg machte, dieser Anruf kam jedoch nicht mehr. Später fanden seine UnterstützerInnen heraus, dass die Autos, die ihm gefolgt waren, seit dem Mittag des 14. Dezember nicht mehr vor seinem Apartmentgebäude gesehen worden waren. MenschenrechtsverteidigerInnen halten es für möglich, dass Yusup Kasymakhunov aus seiner Wohnung entführt und auf einen Passagierflug nach Usbekistan gebracht wurde und sich nun entweder in Taschkent oder in Andischan in einem Untersuchungsgefängnis befindet. Yusup Kaymakhunov drohen Haft ohne Kontakt zur Außenwelt, Folter und andere Misshandlungen sowie ein unfaires Verfahren und die anschließende Inhaftierung unter grausamen, unmenschlichen und erniedrigenden Bedingungen.


HINTERGRUNDINFORMATIONEN

Im Jahr 2004 warf man Yusup Kaymakhunov in Russland Beteiligung an der verbotenen islamistischen Organisation Hizb-ut-Tahrir vor und verurteilte ihn zu einer Haftstrafe von sieben Jahren und vier Monaten. Im Juni 2011, einen Tag bevor seine Strafe abgelaufen wäre, verlängerte ein russisches Gericht die Haft aufgrund eines von Usbekistan gestellten Auslieferungsantrags. Im April 2012 wurde Yusup Kaymakhunov darüber informiert, dass das Büro der russischen Generalstaatsanwaltschaft entschieden hatte, ihn auszuliefern. Er legte beim Obersten Gerichtshof in Russland Rechtsmittel gegen die Entscheidung ein und sein Fall ging an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte. Am 18. Juli entschied der Oberste Gerichtshof in Russland entgegen einiger seiner eigenen Entscheidungen für die Auslieferung. Zur gleichen Zeit entschied der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte, dass Yusup Kaymakhunov nicht ausgeliefert werden dürfe, bis die Prüfung des Falls in Straßburg abgeschlossen sei. Seit der Unabhängigkeit Usbekistans von der Sowjetunion im Jahre 1991 beobachtet Amnesty International aufmerksam die Menschenrechtslage des Landes. Die Organisation sorgt sich insbesondere darüber, dass die usbekischen Behörden im Namen der nationalen Sicherheit und der Terrorismusbekämpfung aktiv die Auslieferung mutmaßlicher Mitglieder islamischer Bewegungen oder in Usbekistan verbotener radikalislamischer Parteien wie Hizb-ut-Tahrir aus Nachbarländern zu erreichen versucht. Die Recherchen von Amnesty International haben ergeben, dass die meisten dieser an Usbekistan ausgelieferten Personen ohne Kontakt zur Außenwelt festgehalten werden, wodurch eine erhöhte Gefahr der Folter und anderweitiger Misshandlung besteht.


SCHREIBEN SIE BITTE

FAXE ODER LUFTPOSTBRIEFE MIT FOLGENDEN FORDERUNGEN

  • Ich fordere Sie auf, eine sofortige, unabhängige und zielführende Untersuchung des "Verschwindens" von Yusup Kaymakhunov einzuleiten und seinen Aufenthaltsort bekanntzugeben.
  • Bitte sorgen Sie dafür, dass Yusup Kaymakhunov weder Folter noch anderen Misshandlungen ausgesetzt wird.
  • Ich bitte Sie eindringlich, die nach internationalem Menschenrecht geltenden Verpflichtungen zu erfüllen und keine Person an ein Land auszuliefern, in dem sie möglicherweise schweren Menschenrechtsverletzungen ausgesetzt wäre.

APPELLE AN

VORSITZENDER DES UNTERSUCHUNGSAUSSCHUSSES
Aleksandr I. Bastrykin
Investigation Committee of the Russian Federation
Tekhnicheski pereulok, dom 2
105005 Moscow
RUSSISCHE FÖDERATION
(Anrede: Dear Mr Chairman / Sehr geehrter Herr Vorsitzender)
Fax: (00 7) 499 265 9077 oder (00 7) 499 265 9775

INNENMINISTER VON USBEKISTAN
Bahodir Ahmedovich Matlubov
Ministerstvo vnutrennikh del
ul. Junus Rajabiy 1
Tashkent 100029
UZBEKISTAN
(Anrede: Dear Minister / Sehr geehrter Herr Minister)
Fax: (00 998) 71 233 89 34
Email: mvd@mvd.uz, info@mvd.uz


KOPIEN AN

LEITER DER ABTEILUNG GRENZSCHUTZ DES FSB
Vladimir Egorovich Pronichev
Ul. Bolshaia Lubianka, dom 1/3
107031 Moscow
RUSSISCHE FÖDERATION
(Anrede: Dear Director / Sehr geehrter Herr Direktor)
Fax: (00 7) 495 914 2632
Email: fsb@fsb.ru

BOTSCHAFT DER RUSSISCHEN FÖDERATION
S. E. Herrn Vladimir M. Grinin
Unter den Linden 63-65
10117 Berlin
Fax: 030 2299 397
E-Mail: info@Russische-Botschaft.de


Bitte schreiben Sie Ihre Appelle möglichst sofort. Schreiben Sie in gutem Russisch, Englisch oder auf Deutsch. Da Informationen in Urgent Actions schnell an Aktualität verlieren können, bitten wir Sie, nach dem 28. Januar 2013 keine Appelle mehr zu verschicken.


PLEASE WRITE IMMEDIATELY
  • Urging the Russian authorities to investigate promptly, impartially and effectively the disappearance of Yusup Kasymakhunov and establish his whereabouts;
  • Calling on them to comply with their obligations under international human rights law not to deport or extradite any person to a country where they would be at risk of torture or other ill-treatment;
  • Urging the Uzbekistani authorities to establish Yusup Kasymakhunov whereabouts and ensure that he is not tortured or otherwise ill-treated.

HINTERGRUNDINFORMATIONEN - FORTSETZUNG

Tausende gläubiger Muslime, die in Usbekistan wegen mutmaßlicher Mitgliedschaft in einer verbotenen radikalislamischen Organisation verurteilt wurden, werden unter Bedingungen festgehalten, die grausamer, unmenschlicher und erniedrigender Behandlung gleichkommen. Amnesty International hat eine Serie von jüngsten Vorfällen dokumentiert, bei denen die russischen Behörden mutmaßlich mit zentralasiatischen Geheimdiensten zusammengearbeitet haben, um die Entführung und Entfernung von Personen durchzuführen, deren Auslieferung durch den Erlass einstweiliger Anordnungen des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte gestoppt worden war. Im Juni 2012 erließ der Oberste Gerichtshof der Russischen Föderation eine Verordnung über die Auslieferung an andere Regierungen. Diese unterstreicht die Verpflichtungen Russlands gemäß internationalen Menschenrechtsabkommen, unter anderem das Verbot der Folter, und wies die Gerichte an, Auslieferungsgesuchen nicht nachzukommen, wenn die begründete Sorge besteht, dass die ausgelieferte Person gefoltert, auf andere Weise grausam, unmenschlich oder erniedrigend behandelt oder zu Tode verurteilt werden könnte.

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Quelle:
ai - URGENT ACTION
UA-Nr: UA-361/2012, AI-Index: EUR 46/052/2012, Datum: 17. Dezember 2012 - jw
Amnesty International, Sektion der Bundesrepublik Deutschland e.V.
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veröffentlicht im Schattenblick zum 20. Dezember 2012