ai - URGENT ACTION
UA-Nr: UA-024/2013, AI-Index: AMR 36/003/2013, Datum: 30. Januar 2013 - cw
Haiti
Familien aus Notlagern vertrieben
ETWA 684 FAMILIEN in Port-au-Prince
Hunderte Familien sind aus zwei provisorischen Lagern in der Hauptstadt Port-au-Prince vertrieben worden. In beiden Lagern hatten die BewohnerInnen nicht genügend Zeit erhalten, ihre Habseligkeiten zusammenzusuchen, bevor ihre Unterkünfte zerstört wurden. Am 12. Januar, dem dritten Jahrestag des verheerenden Erdbebens, das 200.000 Menschen das Leben kostete und 2,3 Millionen Menschen obdachlos machte, haben StadtbeamtInnen und Angehörige der Zivilschutzbehörde etwa 600 Familien aus dem Lager Place Sainte-Anne im Stadtgebiet von Port-au-Prince vertrieben. Die Bewohner des Lagers waren erst fünf Tage zuvor von der Zwangsräumung unterrichtet worden. Man versprach ihnen 20.000 Gourdes (etwa 360 Euro) pro Familie. Der NGO Groupe d'Appui aux Refugiés et Repatriés zufolge steht die Zahlung an 250 Familien noch aus. Am Tag der Räumung erhielten die Familien nicht genügend Zeit, um ihre Habseligkeiten zusammenzusuchen, bevor ihre Unterkünfte zerstört wurden.
Am 22. Januar vertrieben PolizeibeamtInnen 84 Familien gewaltsam aus einem anderen, ebenfalls im Stadtbereich von Port-au-Prince liegenden, Lager namens Fanm Koperativ. Begleitet wurden die BeamtInnen von einer Gruppe Männer, die mit Macheten und Hämmern bewaffnet waren. Ein Mann wurde schwer verletzt. Die Zwangsräumung erfolgte ohne Vorankündigung und obwohl ein Friedensrichter anwesend war, wurde keine richterliche Anordnung für die Räumung vorgelegt. Auch hier erhielten die Familien keine Zeit, ihre Habseligkeiten zusammenzusuchen, bevor ihre Zelte und Schutzunterkünfte niedergerissen wurden. Wenige Tage vor der Zwangsräumung hatten BewohnerInnen eine Pressekonferenz einberufen, auf der sie die mangelnde Unterstützung von Seiten der Behörden in ihrer Situation anprangerten. Die BewohnerInnen gehen davon aus, dass es sich bei der Vertreibung um eine Vergeltungsaktion für ihre Proteste handelt. Amnesty International ist höchst besorgt, dass die Zwangsräumungen von Behelfslagern entgegen internationaler Menschenrechtsstandards weiterhin fortgesetzt werden.
Am 12. Januar 2013 jährte sich zum dritten Mal der Tag des verheerenden Erdbebens in Haiti. Drei Jahre später leben immer noch geschätzte 350.000 Menschen in provisorischen Lagern. Seit dem Erdbeben wurden zehntausende Menschen aus ihren Lagern vertrieben. Die Internationale Organisation für Migration berichtete im September 2012, dass fast 80.000 weiteren Menschen, die vorwiegend in auf privatem Boden errichteten Lagern leben, von Zwangsräumungen bedroht sind. Das sind 21% der Gesamtzahl der Menschen, die noch in Übergangslagern leben.
Nach Stand vom 31 August 2012 sind 60.978 Personen ohne ordentliches Verfahren von 152 Grundstücken ohne ordentliches Verfahren vertrieben worden. Diese erneut obdachlos Gewordenen siedeln sich häufig in Gebieten an, die von Naturkatastrophen bedroht sind, oder sie stoßen zu größeren Lagern, denen zwar keine unmittelbare Zwangsräumung droht, in denen es aber keine Grundversorgung gibt.
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veröffentlicht im Schattenblick zum 5. Februar 2013