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AKTION/1568: Urgent Action - USA (Florida), mutmasslich psychisch Krankem droht Hinrichtung


ai - URGENT ACTION
UA-Nr: UA-230/2013, AI-Index: AMR 51/059/2013, Datum: 21. August 2013 - bs

USA (Florida)
Mutmasslich psychisch Krankem droht Hinrichtung



Herr MARSHALL GORE, 50 Jahre alt

Der 50-jährige Marshall Gore soll am 1. Oktober im US-Bundesstaat Florida hingerichtet werden. Er wurde wegen eines 1988 begangenen Mordes zum Tode verurteilt. Es ist umstritten, ob er an einer geistigen Behinderung oder einer psychischen Erkrankung leidet. Wenn dies zutrifft, würde die US-Verfassung eine Hinrichtung verbieten.

Marshall Gore wurde 1995 wegen des Mordes an Robyn Novick zum Tode verurteilt. Der Leichnam der Frau war am 16. März 1988 in einem ländlichen Gebiet in Miami-Dade County gefunden worden, nachdem man sie vier Tage zuvor als vermisst gemeldet hatte. Das oberste Gericht von Florida (Florida Supreme Court) hob den Schuldspruch 1998 wegen verfahrensrechtlicher Fehler auf Seiten der Staatsanwaltschaft auf. In einem neuen Verfahren wurde Marshall Gore 1999 aber erneut zum Tode verurteilt. Er war bereits 1990 in Columbia County wegen des Mordes an Susan Roark zum Tode verurteilt worden. Die Studentin war im Januar 1988 "verschwunden"; ihr Leichnam wurde zwei Monate später in Florida gefunden. Das oberste Gericht von Florida wies in einer Stellungnahme 2009 darauf hin, dass die Frage der "geistigen Verfassung" von Marshall Gore während der Verfahren in beiden Fällen "immer wieder Thema" gewesen sei.

Am 13. Mai unterzeichnete der Gouverneur von Florida, Rick Scott, den Hinrichtungsbefehl für Marshall Gore für das in Miami-Dade verhängte Todesurteil. Der Anwalt von Marshall Gore, der ihn in dem Verfahren vor dem bundesstaatlichen Gericht vertreten hatte, erklärte gegenüber dem Gouverneur, dass sein Mandant nach der US-Verfassung mutmaßlich nicht hingerichtet werden könne, weil er "irrational" sei und man "mit ihm nicht vernünftig Argumente austauschen" könne. Die Hinrichtung einer Personen, die nicht über die geistige Fähigkeit verfügt, die Gründe und die Konsequenz der Todesstrafe zu verstehen, stellt einen Verstoß gegen die US-Verfassung dar. Entsprechend den rechtlichen Vorschriften in Florida ernannte der Gouverneur des US-Bundestaates ein aus drei PsychiaterInnen bestehendes Gremium, um die geistigen Fähigkeiten des Gefangenen zu beurteilen. Während der Begutachtung teilte Marshall Gore ihnen mit, dass es nach seiner Auffassung eine Verschwörung von BehördenvertreterInnen in Florida gebe, die Organe von Hingerichteten zu sammeln. Ein Senator des Bundesstaates stehe bereits an, um die Augäpfel von Marshall Gore für seinen Sohn zu erhalten. Die PsychiaterInnen kamen zu dem Schluss, dass Marshall Gore eine psychische Erkrankung vortäusche, um der Hinrichtung zu entgehen. Es handelt sich um dieselben PsychiaterInnen, die vor kurzem bei einem anderen Todeskandidaten, John Ferguson, geurteilt hatten, dass seine psychische Beeinträchtigung nicht schwer genug sei, um gegen eine Hinrichtung zu sprechen. John Ferguson litt seit Jahren an einer paranoiden Schizophrenie. Er wurde am 5. August hingerichtet und litt bis zu seinem Tod unter Wahnvorstellungen (s. UA-195/2013:
http://www.amnesty.de/urgent-action/ua-195-2013-1/john-ferguson-hingerichtet).

Der Anwalt, der Marshall Gore vor den US-Bundesgerichten vertrat, brachte vor einem US-Bundesbezirksgericht vor, dass die geistige Kompetenz seines Mandanten dessen Hinrichtung nicht zulasse. Am 18. Juni erklärte ein Richter, es gebe angesichts der verschiedenen "wahnhaften" Stellungnahmen des zum Tode Verurteilten eine "vernünftige Grundlage" für die Ansicht, dass er möglicherweise nicht hingerichtet werden dürfe. Der Richter wies darauf hin, dass Marshall Gore seine Überzeugung zum Ausdruck gebracht hatte, dass seine Hinrichtung festgesetzt worden sei, um "seinen Tod bzw. die Organsammlung als Menschenopfer" darzubringen. Zudem sei Marshall Gore der Auffassung, das Hinrichtungsdatum 24. Juni stelle in der Summe die Zahlenfolge 6-6-6 dar und dass er aufgrund seiner "jungfräulichen Unschuld im Hinblick auf den Mord zur Zielscheibe von Satansanbietern geworden sei, die dieses Datum seit Jahren per Post ankündigen".

Am 24. Juni befand das Bundesbezirksgericht, dass der Fall "eine höchst ungewöhnliche Reihe von Umständen" aufweise, weil Marshall Gore von zwei unterschiedlichen Anwälten vor den Gerichten des Bundesstaates und vor den Bundesgerichten vertreten wurde. Da der Anwalt, der ihn im Verfahren vor dem Gericht des Bundesstaates Florida vertreten hatte, die Frage der geistigen Zurechnungsfähigkeit vor Gericht nicht vorgebracht hatte, kam der Richter des Bundesgerichts zu dem Schluss, dass er diese Frage nicht prüfen könne. Danach übernahm der andere Anwalt die Vertretung von Marshall Gore in den Berufungsverfahren vor den bundesstaatlichen Gerichten. Nachdem bei einem dieser Verfahren im Juni ein von der Verteidigung vorgeladener Experte erklärt hatte, Marshall Gore könne aufgrund seiner geistigen Verfassung nicht hingerichtet werden und zwei der vom Gouverneur eingesetzten PsychiaterInnen dieser Auffassung widersprochen hatten, kam der Richter zu dem Schluss, dass Marshall Gore "versteht, dass er hingerichtet wird, weil er Ms. Novick ermordet hat und dass er durch die Hinrichtung sterben wird". Am 13. August bestätigte das oberste Gericht des US-Bundesstaates Florida diese Entscheidung.


HINTERGRUNDINFORMATIONEN AUF ENGLISCH

In 1986, in Ford v Wainwright, the US Supreme Court affirmed that the execution of the insane violated the US Constitution's Eighth Amendment ban on "cruel and unusual punishments". However, the Ford majority neither defined competence for execution (although Justice Powell's suggestion that the test should be whether the prisoner was aware of his or her impending execution and the reason for it was generally adopted by states), nor did a majority of the Court

mandate specific procedures that must be followed by the individual states to determine whether an inmate was legally insane. The result was different standards in different states and minimal protection for seriously mentally ill inmates (see USA: The execution of mentally ill offenders, January 2006,
http://www.amnesty.org/en/library/info/AMR51/003/2006/en).

In June 2007, in Panetti v. Quarterman, the Supreme Court moved to clarify the Ford ruling which it acknowledged had "not set forth a precise standard for competency". The Panetti majority said that "A prisoner's awareness of the State's rationale for an execution is not the same as a rational understanding of it". In 2012, in a Florida case, the US Court of Appeals for the 11th Circuit wrote: "The bottom line of the Panetti decision is that there is not yet a well-defined bottom line in this area of the law. Instead of attempting to answer more specifically the question of what is required for a rational understanding of death by execution and the reason for it, the Supreme Court preferred to leave 'a question of this complexity' to be addressed in a fuller manner and on a better record by the district court and the court of appeals in that [Texas death row] case. The decision not to decide more is, unfortunately, the last word from the Supreme Court on the 'question of this complexity'".


SCHREIBEN SIE BITTE

E-MAILS ODER LUFTPOSTBRIEFE MIT FOLGENDEN FORDERUNGEN

  • Ich möchte die Schwere der Verbrechen, die zum Todesurteil gegen Marshall Gore führten, in keiner Weise verharmlosen.
  • Ich lehne die Todesstrafe jedoch in allen Fällen ab, möchte in diesem Fall aber besonders darauf hinweisen, dass die Frage der geistigen Verfassung bzw. einer möglichen psychischen Erkrankung von Marshall Gore nicht hinreichend geklärt ist. Die Hinrichtung einer Personen, die nicht über die geistige Fähigkeit verfügt, die Gründe und die Konsequenz der Todesstrafe zu verstehen, stellt einen Verstoß gegen die US-Verfassung dar.
  • Ich fordere Sie daher eindringlich auf, das gegen Marshall Gore verhängte Todesurteil umzuwandeln.

APPELLE AN

GOUVERNEUR DES BUNDESSTAATES
FLORIDA
Governor Rick Scott
Office of the Governor, The Capitol
400 S. Monroe St. Tallahassee
FL 32399-0001, USA
E-Mail: Rick.scott@eog.myflorida.com

KOPIEN AN
BOTSCHAFT DER VEREINIGTEN STAATEN
VON AMERIKA
Herr James Desmond Melville Jr
Geschäftsträger a. i., Gesandter-Botschaftsrat
Pariser Platz 2, 10117 Berlin
Fax: 030-83 05 10 50
E-Mail: über
http://germany.usembassy.de/email/feedback.htm


Bitte schreiben Sie Ihre Appelle möglichst sofort, so dass sie noch vor dem 2. Oktober 2013 eintreffen. Schreiben Sie in gutem Englisch oder auf Deutsch.


PLEASE WRITE IMMEDIATELY
  • Noting the serious crimes of which Marshall Gore was convicted and the suffering caused by violent crime.
  • Opposing his execution, and noting the questions about his mental competence for execution.
  • Urging the Governor to commute his death sentence.

FORTSETZUNG HINTERGRUNDINFORMATIONEN AUF ENGLISCH

In the Panetti ruling, the Supreme Court had acknowledged that "a concept like rational understanding is difficult to define". In other words, there will always be errors and inconsistencies. There is only one solution - abolition. Pending that outcome in the legislature or by judicial order, the power of executive clemency should be used. According to Marshall Gore's appeal to the Florida Supreme Court, the defence expert at the state competency hearing in July said that in his opinion, although Gore knew that he was going to be executed, he did not have a rational understanding of the reason for that punishment. The expert also pointed to a number of prison records in Marshall Gore's case over the past decade that indicated delusional or other distorted thinking, and that he had been prescribed antipsychotic medication in the past. He disagreed with the state experts that Marshall Gore was malingering. Over a century ago, the US Supreme Court said that the USA's constitutional ban on "cruel and unusual punishments" had a "progressive" character and "may acquire wider meaning as public opinion becomes enlightened by humane justice". In recent decades country after country has abolished the death penalty, and today 140 countries are abolitionist in law or practice. In contrast, there have been 1,343 executions in the USA since the US Supreme Court approved new capital statutes in 1976. Florida accounts for 78 of these executions. There have been 23 executions this year, four of them in Florida.

Four US states have legislated to abolish the death penalty in the past four years - New Mexico (2009), Illinois (2011), Connecticut (2012) and Maryland (2013), and 18 US states are now abolitionist. The annual number of death sentences in the USA has declined since its peak in the 1990s. Florida remains one of the states bucking this trend. In 2012, there were 22 death sentences passed in Florida, more than in any year since 1998 and more than 25 per cent of all new death sentences nationally. Legislation recently enacted in Florida threatens to increase the pace of executions in the state (see http://www.amnesty.org/en/library/info/AMR51/038/2013/en). Amnesty International opposes the death penalty in call cases and all countries, unconditionally.

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Quelle:
ai - URGENT ACTION
UA-Nr: UA-230/2013, AI-Index: AMR 51/059/2013, Datum: 21. August 2013 - bs
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veröffentlicht im Schattenblick zum 24. August 2013