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AKTION/1710: Urgent Action - Syrien, syrischer Kurde schon zwei Jahre verschwunden


ai - URGENT ACTION
UA-Nr: UA-040/2014, AI-Index: MDE 24/010/2014, Datum: 28. Februar 2014 - mr

Syrien
Syrischer Kurde schon zwei Jahre verschwunden



SIVEEN JUMA KINDI, 28-jähriger kurdischer Postangestellter

Der kurdische Postangestellte Siveen Juma Kindi fiel am 13. März 2012 in der nordsyrischen Stadt Qamishly dem Verschwindenlassen zum Opfer. Seither hat man nichts mehr von ihm gehört.

Siveen Juma Kindi war am Tag seines Verschwindens auf dem Weg, die Unterlagen für seinen Wechsel von einer Postfiliale in al-Malikiyah in Nordsyrien nahe der Grenze zum Irak in das ebenfalls im Norden gelegene Qamishly, wo seine Frau wohnt, einzureichen. Laut einem Kontakt vor Ort hatte Siveen Juma Kindi den Morgen mit seiner Frau verbracht und verließ sie gegen Mittag, um zum Postamt zu gehen. Kurz nachdem er das Haus verlassen hatte, versuchten Angehörige ihn auf dem Mobiltelefon zu erreichen, erhielten aber keine Antwort. Sie fragten auf dem Postamt nach, wo ihnen jedoch gesagt wurde, dass er dort nicht angekommen sei.

Inoffiziellen Quellen zufolge wurde Siveen Juma Kindi von Angehörigen des militärischen Geheimdienstes festgenommen, da er am Tag zuvor an einer lokalen Demonstration anlässlich des Jahrestages der Unruhen vom März 2004 in Qamishly teilgenommen hatte. Dieselben Quellen berichten, dass er allem Anschein nach erst eine Woche in Qamishly inhaftiert war, dann in die ebenfalls im Norden gelegene Stadt al-Hasakah und schließlich in das Militärgefängnis Saydnaya in der Nähe von Damaskus gebracht wurde. Doch als Angehörige sich in diesem Gefängnis nach Siveen Juma Kindi erkundigten, wurde ihnen mitgeteilt, er sei dort nicht inhaftiert. Dieselben Quellen befürchten, dass Siveen Juma Kindis anhaltende Haft mit Fotos auf seinem Mobiltelefon zu tun haben könnte. Es sind Bilder von weiteren Protestveranstaltungen, an denen er teilgenommen hatte. Die Familie hat letztmalig im September 2013 herum inoffiziell etwas von Siveen Juma Kindi gehört.

Die syrischen Behörden geben bis heute keine Informationen zur Festnahme und Inhaftierung von Siveen Juma Kindi. Seine Familie hat keine bestätigten Informationen über seinen Verbleib und weiß nicht, wie es ihm geht.


HINTERGRUNDINFORMATIONEN

Der kurdische Bevölkerungsanteil in Syrien liegt bei annähernd zehn Prozent. Die meisten syrischen KurdInnen leben in der Nähe der Stadt Aleppo im Norden des Landes oder in der Region al-Jazeera im Nordosten von Syrien. Amnesty International hat weitere Fälle dokumentiert, in denen kurdische AktivistInnen Opfer des Verschwindenlassens wurden, beispielsweise die Aktivisten Shibal Ibrahim und Juwan Abd Rahman Khaled sowie der Schriftsteller Hussein 'Essou. Weitere Informationen finden Sie in der Eilaktion Syrien: Syrischer Kurde in Foltergefahr: Shibal Ibrahim (UA-020/2012
http://www.amnesty.de/urgent-action/ua-020-2012/syrischer-kurde-foltergefahr)
vom 24. Januar 2012, zu Juwan Abd Rahman Khaled in der Eilaktion UA-277/2013
(http://www.amnesty.de/urgent-action/ua-277-2013/kurde-vermutlich-gefoltert)
und zu Hussein 'Essou in Syrien: Schriftsteller droht Folter, Hussein 'Essou (UA-278/2011
http://www.amnesty.de/urgent-action/ua-278-2011/schriftsteller-droht-folter)
vom 15. September 2011.

Shibal Ibrahim wurde nach einer Generalamnestie durch den syrischen Präsidenten Bashar al-Assad am 29. Mai 2013 aus der Haft entlassen. Wie er berichtete, erfuhr er erst nach seiner Freilassung, dass es sich bei einer Anhörung im September 2012 mit einem Richter des Antiterrorgerichts tatsächlich um ein Gerichtsverfahren gehandelt hatte, nach dem er ohne sein Wissen zu 15 Jahren Haft verurteilt wurde. Der Prozess dauerte ihm zufolge nur wenige Minuten und fand ohne Beisein eines Anwalts statt. Hussein 'Essou und Juwan Abd Rahman Khaled befinden sich unter Bedingungen, die den Tatbestand des Verschwindenlassens erfüllen, weiterhin in Haft. Weiterführende Informationen über die verbreitete Folter und andere Misshandlungen in syrischen Hafteinrichtungen finden Sie in dem englischsprachigen Artikel von März 2012: 'I wanted to die': Syria's torture survivors speak out
(http://www.amnesty.org/en/library/info/MDE24/016/2012/en).

Hunderte sind seit Beginn der Unruhen im Gewahrsam der syrischen Sicherheitskräfte gestorben. Amnesty International hat dieses Vorgehen im August 2011 in einem englischsprachigen Bericht dokumentiert: Deadly detention: Deaths in custody amid popular protest in Syria
(http://www.amnesty.org/en/library/info/MDE24/035/2011/en).


SCHREIBEN SIE BITTE

FAXE, E-MAILS UND LUFTPOSTBRIEFE MIT FOLGENDEN FORDERUNGEN

  • Ich möchte Sie nachdrücklich auffordern, unverzüglich den Verbleib des seit zwei Jahren verschwundenen Kurden Siveen Juma Kindi bekannt zu geben.
  • Gewähren Sie ihm umgehend Zugang zu seiner Familie und einem Rechtsbeistand seiner Wahl.
  • Stellen Sie bitte sicher, dass Siveen Juma Kindi vor Folter und anderen Misshandlungen geschützt wird und Zugang zu jeglicher medizinischer Versorgung erhält, die er benötigen könnte.

APPELLE AN

STAATSPRÄSIDENT
Bashar al-Assad
(Anrede: Your Excellency / Exzellenz)
Fax: (00 963) 11 332 3410 (kombinierter Telefon-/Faxanschluss, bitte sagen Sie "Fax") Briefe werden derzeit nicht verlässlich zugestellt.
Bitte nur Faxe schicken!

INNENMINISTER
Major General Mohamad Ibrahim al-Shaar
(Anrede: Your Excellency / Exzellenz)
Fax: (00 963) 11 311 0554 (kombinierter Telefon-/Faxanschluss, bitte sagen Sie "Fax") Briefe werden derzeit nicht verlässlich zugestellt.
Bitte nur Faxe schicken!

STÄNDIGER VERTRETER DER ARABISCHEN REPUBLIK SYRIEN BEI DEN VEREINTEN NATIONEN
Bashar Ja'afari
Ambassador Extraordinary and Plenipotentiary,
820 Second Avenue, 15th Floor
New York, NY 10017, USA
(Anrede: Your Excellency / Exzellenz)
Fax: (00 1 212) 983 4439
E-Mail: exesec.syria@gmail.com oder syrianmission@verizonmail.com


KOPIEN AN

BOTSCHAFT DER ARABISCHEN REPUBLIK SYRIEN
Rauchstr. 25
10787 Berlin
Fax: 030-5017 7311
E-Mail: info@syrianembassy.de
press@syrianembassy.de
secretary@syrianembassy.de

BOTSCHAFT DER RUSSISCHEN FÖDERATION
S. E. Herrn Vladimir M. Grinin
Unter den Linden 63-65
10117 Berlin
Fax: 030-2299 397
E-Mail: info@Russische-Botschaft.de


Bitte schreiben Sie Ihre Appelle möglichst sofort. Schreiben Sie in gutem Arabisch, Englisch, Französisch oder auf Deutsch. Da Informationen in Urgent Actions schnell an Aktualität verlieren können, bitten wir Sie, nach dem 11. April 2014 keine Appelle mehr zu verschicken.


PLEASE WRITE IMMEDIATELY
  • Calling on the Syrian authorities to immediately disclose Siveen Juma Kindi's fate and whereabouts.
  • Urging them to ensure that he is allowed immediate contact with his family and lawyers of his choice.
  • Urging them to ensure that he is protected from torture and other ill-treatment and has access to any medical attention he may require.

HINTERGRUNDINFORMATIONEN - FORTSETZUNG

Die Mehrzahl der von Amnesty International dokumentierten Menschenrechtsverletzungen wurde von den syrischen Streitkräften und Milizen der als Shabiha bekannten regierungstreuen Gruppierungen begangen. Doch auch bewaffnete Oppositionskräfte, darunter einige, die al-Qaida, und einige, die der Freien Syrischen Armee angehören, haben sich Menschenrechtsverstößen, darunter auch Kriegsverbrechen, schuldig gemacht; in den vergangenen Monaten sind diese Straftaten eskaliert. Bewaffnete Oppositionsgruppen haben zunehmend Massentötungen begangen. Sie begehen sie an Angehörigen der verschiedenen Streit- und Sicherheitskräfte der Regierung, regierungsnahen Milizen, vermeintlichen InformantInnen und KollaborateurInnen, an Angehörigen rivalisierender bewaffneter Oppositionsgruppen und an Angehörigen von Minderheiten wie SchiitInnen und AlewitInnen, denen sie vorwerfen, auf Seiten von Präsident Assad zu stehen. Die wahllosen Angriffe der bewaffneten Oppositionsgruppen fordern auch zahlreiche zivile Opfer. Zudem setzen die Oppositionsgruppen Kinder in den Auseinandersetzungen ein, foltern Gefangene oder misshandeln sie auf andere Weise, veröffentlichen Drohungen gegen religiöse Gruppierungen, führen Angriffe gegen Minderheiten, die sie als regierungstreu wahrnehmen, verschleppen Menschen und nehmen Geiseln.

Lesen Sie hierzu die Eilaktion
http://www.amnesty.de/urgent-action/ua-298-2013/oppositionsgruppen-halten-geiseln
und die englischsprachigen Berichte Syria: Rule of fear: ISIS abuses in detention in Northern Syria, vom 19. Dezember 2013 (Index: MDE 24/063/2013
http://www.amnesty.org/en/library/info/MDE24/063/2013/en)
und Syria: Summary killings and other abuses by armed opposition groups vom 14. März 2013 (Index: MDE 24/008/2013,
http://www.amnesty.org/en/library/info/MDE24/008/2013/en).
Weitere Informationen finden Sie in dem Artikel
http://www.amnesty.de/2014/1/20/syrien-friedenskonferenz-muss-aushungern-der-belagerten-zivilbevoelkerung-stoppen

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Quelle:
ai - URGENT ACTION
UA-Nr: UA-040/2014, AI-Index: MDE 24/010/2014, Datum: 28. Februar 2014 - mr
Amnesty International, Sektion der Bundesrepublik Deutschland e.V.
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Internet: www.amnesty.de/ua; www.amnesty.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 5. März 2014