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AKTION/484: Urgent Action - Hinrichtung der Ehefrau eines iranischen Fußballspielers im Iran


ai - URGENT ACTION
UA-Nr: UA-243/2010-1, AI-Index: MDE 13/108/2010, 3. Dezember 2010 - fp

URGENT ACTION - HINRICHTUNG - IRAN

Weitere Informationen zu UA-243/2010 (MDE 13/105/2010, 23. November 2010) Frau KHADIJEH (SHAHLA) JAHED


Khadijeh Jahed, die Ehefrau eines iranischen Fußballspielers, ist am 1. Dezember im Evin-Gefängnis hingerichtet worden. Man verurteilte sie zum Tode, weil sie die Erstfrau des Fußballers ermordet haben soll.

Khadijeh Jahed, bekannt auch unter dem Namen Shahla, wurde im Morgengrauen des 1. Dezembers im Hof des Evin-Gefängnisses gehängt. Die Familie der Erstfrau ihres Ehemannes hatte sie nicht begnadigt. Einem Bericht der Nachrichtenagentur Iranian Students' News Agency zufolge hat der Bruder des Opfers den Hocker unter Shahla Jaheds Füßen weggestoßen. In Iran haben des Mordes überführte Menschen nicht das Recht, einen Antrag auf Begnadigung oder Umwandlung des Todesurteils zu stellen. Dieser Umstand stellt einen Verstoß gegen Artikel 6 Absatz 4 des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte dar, zu dessen Einhaltung Iran als Vertragsstaat verpflichtet ist. Die Familie eines Mordopfers kann darauf bestehen, dass der Täter oder die Täterin hingerichtet wird. Sie kann sich aber mit einer finanziellen Entschädigung (diyeh) einverstanden erklären und die verurteilte Person begnadigen. Abdolsamad Khorramshahi, der Anwalt von Shahla Jahed, war bei der Hinrichtung anwesend und sagte gegenüber der iranischen Menschenrechtsinitiative International Campaign for Human Rights in Iran: "Ich kann es einfach nicht glauben. Es belastet mich. Shahla hat einfach nur geweint, sie hat nichts gesagt. Ich ging zu ihr und sagte ihr, sie solle sprechen, aber sie weinte nur. Die Familie des Opfers gab ihre Zustimmung erst in letzter Minute. Alle Leute, die da waren, baten die Familie, Shahla zu vergeben, aber leider lehnten sie ab. Nasser Mohammad-Khani war auch da. Er hat kein Wort gesagt."

Shahla Jahed war schuldig gesprochen worden, Laleh Saharkhizan, die Erstfrau ihres Mannes Nasser Mohammad-Khani am 9. Oktober 2002 erstochen zu haben. Sie war eine zeitlich befristete Ehe mit Nasser Mohammad-Khani, einem ehemaligen Stürmer der iranischen Fußballnationalmannschaft, eingegangen. Nach iranischem Recht können Frauen und Männer eine dauerhafte oder aber zeitlich befristete Ehe eingehen. Entschließen sie sich zu einer Ehe auf Zeit, können sie gegen Zahlung einer vereinbarten Geldsumme an die Frau den Zeitrahmen selbst bestimmen. Nach Ablauf der Frist erlischt die Ehe. Männer dürfen mit bis zu vier Frauen dauerhaft verheiratet sein und darüber hinaus mit einer unbegrenzten Zahl von Frauen eine zeitlich befristete Ehe eingehen. Frauen hingegen ist es untersagt, zeitgleich mit mehr als einem Mann verheiratet zu sein. Shahla Jahed war im Juni 2004 von der Abteilung 1154 des Gerichts von Teheran zum Tode verurteilt worden. Nach elf Monaten Untersuchungshaft legte Shahla Jahed ein "Geständnis" ab, das sie jedoch vor Gericht mit den Worten wiederrief: "Sie alle wissen um die Bedingungen, unter denen ich mein Geständnis abgelegt habe", was vermuten lässt, dass ihr Geständnis erzwungen wurde; das geschieht im Iran häufig. Die Frau wurde zusätzlich zu drei Jahren Freiheitsentzug verurteilt. Nasser Mohammad-Khani, der sich zum Tatzeitpunkt im Ausland aufgehalten hatte, wurde zunächst der Mittäterschaft an dem Mord verdächtigt und über mehrere Monate hinweg in Haft gehalten. Nachdem jedoch Shahla Jahed den Mord "gestanden" hatte, kam er wieder frei.

Die Abteilung 15 des Obersten Gerichtshofs hielt das Todesurteil gegen Shahla Jahed aufrecht. Ihr Rechtsanwalt beantragte mit Verweis auf fehlerhafte Ermittlungen eine Überprüfung des Hinrichtungsbefehls. Im November 2005 ordnete die damalige Oberste Justizautorität einen Hinrichtungsaufschub an, um eine erneute Prüfung des Sachverhalts zu ermöglichen. Doch im September 2006 wurde das Todesurteil bestätigt. Die Oberste Justizautorität hob diesen Richterspruch Anfang 2008 mit Verweis auf "verfahrensrechtliche Fehler" auf und verlangte nochmalige Ermittlungen. Im Februar 2009 bestätigten die Richter der Abteilung 1147 des Gerichts in Teheran erneut das gegen Shahla Jahed verhängte Todesurteil. Die Frau wandte sich in einem Schreiben vom 13. September 2010 an Ayatollah Sadegh Larijani und bat um eine abschließende Entscheidung in ihrem Fall. Am 6. November 2010 war ihr Todesurteil "zur Vollstreckung" weitergeleitet worden. Am 16. November berichtete eine Zeitung, dass die Hinrichtung von Khadijeh Jahed für den 1. Dezember 2010 anberaumt sei. Am 30. November sagte ihr Rechtsanwalt, er habe eine offizielle Mitteilung erhalten, der zufolge seine Mandantin am folgenden Tag hingerichtet werden sollte.

Shahla Jahed verbrachte über acht Jahre im Gefängnis. Amnesty International hat sich seit dem Jahr 2005 für die Aufhebung ihres Todesurteils eingesetzt (siehe UA-283/2005 und UA-243/2010).

Vielen Dank allen, die mit Appellschreiben versucht haben, die Hinrichtung zu verhindern.


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Quelle:
ai - URGENT ACTION
UA-Nr: UA-243/2010-1, AI-Index: MDE 13/108/2010, 3. Dezember 2010 - fp
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veröffentlicht im Schattenblick zum 8. Dezember 2010