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AKTION/503: Urgent Action - Schweden - 26 Iraker aus Schweden und Dänemark abgeschoben


ai - URGENT ACTION
UA-Nr: UA-006/2011-1, ai-Index: EUR 42/002/2011, Datum: 26. Januar 2011 - gs

Schweden: 26 Iraker_innen aus Schweden und Dänemark abgeschoben


20 IRAKISCHE STAATSANGEHÖRIGE

Am 19. Januar bestätigten die Polizeibehörden Schwedens, in einem gemeinsam mit den dänischen Behörden organisierten Charterflug, 20 irakische Staatsangehörige nach Bagdad abgeschoben zu haben. Weitere sechs IrakerInnen wurden von Dänemark abgeschoben. Amnesty befürchtet, dass das Leben der 26 Menschen ernsthaft in Gefahr sein könnte.

Amnesty International geht davon aus, dass es nicht sicher ist, Menschen in die irakischen Provinzen Ninewa (Mosul), Kirkuk, Diyala, Salah al-Din und Bagdad sowie andere besonders gefährliche Provinzen wie Al Anbar zurückzuschicken. Alle Personen, denen die Abschiebung in eine dieser Provinzen droht, sollten den Flüchtlingsstatus oder subsidiären Schutz erhalten, ungeachtet dessen, ob sie aus diesen Gegenden stammen oder nicht. In diesen Regionen des Irak bestehen stichhaltige Gründe für internationalen Schutz, da durch Gewalt oder andere Ereignisse, welche die öffentliche Ordnung in hohem Maße stören, für viele Menschen weiterhin Gefahr für Leben, körperliche Unversehrtheit und Freiheit der Person besteht.

Die Behörden in Schweden, Dänemark, den Niederlanden, Norwegen und Großbritannien halten an einer Politik der zwangsweisen Rückführung von irakischen Staatsangehörigen in ihr Herkunftsland fest, wenn ihre Asylanträge abgelehnt worden sind. Ungeachtet anders lautender Richtlinien des UNHCR vertreten die Behörden der genannten Staaten die Position, die Lage in Irak sei "hinreichend sicher" und erlaube somit die Rückführung von Menschen dorthin. Der UNHCR hat sich wiederholt gegen Rückführungen irakischer Staatsangehöriger aus europäischen Staaten ausgesprochen.

UNHCR-MitarbeiterInnnen haben nach vorliegenden Meldungen mit mehreren Irakerinnen Gespräche geführt, die am 19. Januar aus Schweden und Dänemark nach Bagdad abgeschoben wurden. Anschließend haben sie erneut vor Abschiebungen in den Irak gewarnt. Amnesty International wird die Frage der Abschiebungen aus europäischen Staaten in den Irak weiter verfolgen. Im vorliegenden Fall konnten die Abschiebungen zwar nicht verhindert werden. Amnesty hat jedoch die berechtigte Hoffnung, dass zukünftige Aktionen der TeilnehmerInnen am Eilaktionsnetz entscheidend dazu beitragen werden, weitere Abschiebungen zu stoppen.

Weitere Aktionen sind derzeit nicht erforderlich. Vielen Dank allen, die mit Appellen versucht haben, die Abschiebung zu verhindern.


HINTERGRUNDINFORMATIONEN

Schweden und Dänemark sind nach nationalem und internationalem Recht, der Genfer Flüchtlingskonvention von 1951, dem Übereinkommen gegen Folter und der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte verpflichtet, niemanden in ein Land abzuschieben, in dem ihnen Folter oder andere schwere Menschenrechtsverletzungen drohen, wie willkürliche Bedrohungen für Leben, körperliche Integrität und Freiheit.

Im April 2010 veröffentlichte Amnesty International einen Bericht, der die Risiken für Menschen aufzeigt, die gegen ihren Willen in den Irak zurückkehren müssen und die besonders gefährdet sind, Opfer von Gewalt zu werden.
(Iraq: Civilians under Fire, MDE 14/002/2010 auf www.amnesty.org)

Mindestens fünf europäische Länder - Norwegen, Schweden, Dänemark, Großbritannien und die Niederlande - haben Hunderte irakische Staatsangehörige abgeschoben, deren Asylanträge seit 2009 abgelehnt worden waren. Allein im September 2010 wurden über 150 Personen von diesen Ländern in den Irak zurückgebracht. Die meisten dieser Abschiebungen wurden entgegen der Richtlinien des UNHCR vom April 2009 durchgeführt, obwohl die Richtlinien später mehrmals bekräftigt wurden, zuletzt im September 2010. Darin werden besonders gefährliche Regionen im Irak benannt, darunter die Provinzen Ninewa (Mosul), Kirkuk, Salah al-Din, Diyala und Bagdad. Niemand sollte den Richtlinien zufolge in eine dieser Provinzen abgeschoben werden. Der UNHCR empfahl außerdem, dass keine Abschiebungen in andere Regionen des Irak durchgeführt werden sollen, es sei denn, zuvor hat eine individuelle Prüfung stattgefunden, die darauf hinweist, dass eine Rückkehr der betroffenen Person sicher ist.

Immer noch werden im Irak jeden Monat hunderte Zivilpersonen getötet und verstümmelt, trotz der seit 2008 insgesamt zurückgehenden Zahl der Getöteten. Bewaffnete Gruppen, Milizen, Sicherheitskräfte und Angehörige bestimmter ethnischer Gruppen begehen im Irak Menschenrechtsverletzungen. Die kürzlich von der Internet-Plattform Wikileaks veröffentlichten geheimen Dokumente des US-Militärs zur Situation im Irak zeigen erneut, dass Zivilpersonen die Hauptopfer der andauernden Gewalt im Land sind.

Tatsächlich sind die Zahlen irakischer Flüchtlinge, die in Europa Asyl suchen, im Vergleich zu den derzeitigen Flüchtlingszahlen in den Nachbarstaaten des Irak gering. Syrien nimmt mit Abstand die meisten Flüchtlinge aus dem Irak auf, darauf folgen Jordanien und andere Nahoststaaten. Amnesty International befürchtet, dass die zunehmenden Abschiebungen aus Schweden und anderen europäischen Staaten ein sehr schlechtes Vorbild für die Nahoststaaten sind, die durch den Zustrom von Flüchtlingen aus dem Irak an ihre Grenzen stoßen. Außerdem könnte dies zu einer weltweiten Verschlechterung des Schutzes von Flüchtlingen beitragen.

Detaillierte Informationen zu den von Amnesty International geäußerten Sorgen über Abschiebungen in den Irak finden Sie in der am 10. November 2010 veröffentlichten Stellungnahme
(European states must stop forced returns to Iraq, EUR 01/028/2010, auf www.amnesty.org)


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Quelle:
ai - URGENT ACTION
UA-Nr: UA-006/2011-1, ai-Index: EUR 42/002/2011, Datum: 26. Januar 2011 - gs
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veröffentlicht im Schattenblick zum 29. Januar 2011