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AKTION/505: Urgent Action - Ghana - Drohende Zwangsräumung


ai - URGENT ACTION
UA-Nr: UA-251/2010-1, AI-Index: AFR 28/001/2011, Datum: 26. Januar 2011 - ar

GHANA
Drohende Zwangsräumung an den Bahngleisen

Weitere Informationen zu UA-251/2010 (AFR 28/006/2010, 9. Dezember 2010)


TAUSENDE MENSCHEN IN DER HAUPTSTADT ACCRA

Tausende Menschen, die entlang der stillgelegten Eisenbahnschienen in der ghanaischen Hauptstadt Accra leben, sind unmittelbar von rechtswidriger Zwangsräumung bedroht, weil das Bahnsystem wieder in Betrieb genommen werden soll. Die Männer, Frauen und Kinder, die auch "Schienenbewohner" genannt werden, leben und arbeiten in Kiosken und anderen kleinen Verschlägen entlang der Schienen. Sollten sie im Zuge der erneuten Räumungsankündigung vom 21. Januar 2011 unter Zwang aus ihren Behausungen vertrieben werden, drohen ihnen Obdachlosigkeit und Elend.

Am 21. Januar 2011 kamen Angehörige der Verwaltungsbehörde für den Großraum Accra Accra Metropolitan Authority (AMA) und der Eisenbahnentwicklungsbehörde Railway Development Authority in die Gemeinschaften entlang der Schienen und maßen den Abstand zwischen den Verschlägen und den wenig befahrenen Eisenbahnschienen aus. Denjenigen, die weniger als 160 Meter von den Schienen entfernt leben, händigten sie neue Räumungsbefehle aus.

Auf diesen Räumungsbefehlen war kein Datum für die Räumung zu finden. Der Leiter der AMA gab jedoch an, dass die AMA sicherstellen würde, dass die Behausungen und Geschäfte rechtzeitig vor Beginn des Schienenausbaus im Februar abgerissen würden. Am 25. Januar wurde Folgendes auf die betroffenen Häuser gepinselt: "Bis spätestens 25. Januar 2011 von AMA zu entfernen". Die Räumungen sollen im Zuge landesweiter Pläne für eine Neugestaltung des ghanaischen Schienennetzes durchgeführt werden. Die Regierung hat dazu einen Vertrag mit einem chinesischen Unternehmen über umgerechnet knapp 4,5 Milliarden Euro für den Bau und die Erweiterung der Eisenbahninfrastruktur in Ghana abgeschlossen. Dieses Projekt ist außerdem Teil der Regierungsinitiative "Agenda für ein besseres Ghana" (Better Ghana Agenda), die den Lebensstandard im ganzen Land anheben soll.

Viele derjenigen, denen nun die Räumung droht, wissen nicht, wo sie sonst hin sollen, und sind im Fall einer Vertreibung von Obdachlosigkeit und Elend bedroht. Einige der BewohnerInnen leben bereits seit über 17 Jahren an den Eisenbahnschienen von Accra. Die Behörden haben keinen Rechtsschutz oder andere Schutzmaßnahmen vor einer rechtswidrigen Zwangsräumung garantiert. So gab es zuvor keine angemessene Konsultation mit den betroffenen BewohnerInnen. Die Behörden haben keine adäquaten alternativen Unterkünfte bereitgestellt und haben dies auch nach der Räumung nicht vor. Zu all dem wären sie jedoch gemäß internationalen Menschenrechtsabkommen verpflichtet.

Die neuesten Räumungsandrohungen folgten Ankündigungen vom 1. Dezember 2010, als ein Kleintransporter mit Megafon die BewohnerInnen derselben Gegend aufforderte, ihre Behausungen und Geschäfte innerhalb von 14 Tagen zu verlassen, da ansonsten die Unterkünfte abgerissen würden. Diese Räumung fand nicht statt.


HINTERGRUNDINFORMATIONEN

Am 1. Dezember 2010 fuhren Kleintransporter mit Megafonen durch informelle Siedlungen nahe den Eisenbahnschienen im Stadtteil Agbogbloshie in Accra. Über die Megafone wurden die BewohnerInnen aufgefordert, ihre Behausungen und Geschäfte abzubauen und das Gebiet innerhalb von 14 Tagen zu verlassen. Die BewohnerInnen wurden gewarnt, dass alle Einrichtungen, die nicht innerhalb der zwei Wochen abgebaut seien, abgerissen werden würden. Einige Einrichtungen waren zuvor bereits mit Kreuzen und Anweisungen, die Häuser bis zum 11. November 2010 zu verlassen, für den Abriss markiert worden. Am 7. Dezember 2010 gab die Accra Metropolitan Authority auf ihrer Website an, dass der Abriss von Siedlungen entlang der Eisenbahnschienen in Accra Teil eines landesweiten Plans für die Neuentwicklung des Eisenbahnnetzes von Ghana sei. Die Räumungen fanden nicht statt. Das Verkehrsministerium und die staatliche Eisenbahngesellschaft Ghana Railway Corporation hatten bereits zuvor angekündigt, am 15. Oktober 2009 und am 11. November 2010 Siedlungen entlang der Eisenbahnschienen zu demontieren. Diese Abrisse wurden allerdings nicht durchgeführt und die Bewohner leben immer noch dort. Unter rechtswidrigen Zwangsräumungen versteht man Zwangsräumungen, die ohne hinreichende Ankündigung und Konsultation mit den Betroffenen zur Prüfung angemessener Alternativen, ohne rechtliche Schutzmaßnahmen und ohne Zusicherung einer adäquaten alternativen Unterbringung vorgenommen werden.

Das Völkerrecht verbietet rechtswidrige Zwangsräumungen, und als Vertragsstaat des Internationalen Paktes über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte ist Ghana somit verpflichtet, die Bevölkerung vor derartigen Zwangsräumungen zu schützen. Räumungen sollten nur als letztes Mittel durchgeführt werden, wenn zuvor alle anderen möglichen Alternativen in angemessener Konsultation mit den betroffenen Gemeinden untersucht worden sind. Darüber hinaus müssen die Behörden sicherstellen, dass niemand durch eine Räumung obdachlos wird. Vor einer Räumung müssen den Betroffenen adäquate Alternativunterkünfte und Entschädigungen für jeglichen Verlust zur Verfügung gestellt werden. Diese Anforderungen gelten für alle Siedlungen, ungeachtet ihrer Besitzverhältnisse, auch für informelle Siedlungen. Selbst wenn Menschen unter rechtlich nicht gesicherten Wohnverhältnissen leben, dürfen die Behörden sie nicht aus ihrem Zuhause vertreiben.

Frühere Abrisse wurden von exzessivem Gewalteinsatz durch Polizei und andere Sicherheitskräfte begleitet. Im September 2010 wurden zwei Menschen getötet und 15 weitere schwer verletzt, nachdem die Polizei und Soldaten scharfe Munition, Plastikgeschosse und Tränengas gegen eine Gruppe von Demonstrierenden eingesetzt hatten. Die Demonstrierenden hatten gegen den Abriss ihrer Geschäfte am Strand Canoe in Tema protestiert. BewohnerInnen des benachbarten Tema New Town wurden bei dem Einsatz ebenfalls verletzt.


EMPFOHLENE AKTIONEN

SCHREIBEN SIE BITTE FAXE, E-MAILS ODER LUFTPOSTBRIEFE MIT FOLGENDEN FORDERUNGEN

- Ich appelliere an Sie, den geplanten Abriss der Siedlungen entlang der Eisenbahnschienen in Accra umgehend einzustellen.

- Ich fordere Sie höflich auf, ein Räumungsmoratorium zu verhängen, bis alle notwendigen Schutzmaßnahmen eingeleitet worden sind, um sicherzustellen, dass die Räumungen gemäß internationalem Recht und regionalen Menschenrechtsstandards durchgeführt werden. Dazu gehört auch die Entwicklung eines Umsiedlungsplans, um den BewohnerInnen adäquate Alternativunterkünfte zur Verfügung zu stellen.


APPELLE AN

LEITER DER VERWALTUNGSBEHÖRDE FÜR DEN GROßRAUM ACCRA
Hon Dr. Alfred Vanderpuije
Accra Metropolitan Authority
P.O. Box GP 385
Accra, GHANA
(korrekte Anrede: Dear Honourable Chief Executive)
Fax: (00 233) 302 667 299
E-Mail: accrametro@ama.gov.gh

LEITER DER EISENBAHNENTWICKLUNGSBEHÖRDE
Daniel Markin
Chairman, Railway Development Authority, Ministry of Transport,
Accra, GHANA (korrekte Anrede: Dear Chairman)
Fax: (00 233) 302 689 654
E-Mail: graildeva@hotmail.com


KOPIEN AN

PRÄSIDENT
John Atta Mills
Office of the President
The Castle, Osu
Accra, GHANA
(korrekte Anrede: Your Excellency)
Fax: (00 233) 302 676 935
E-Mail: castle@idngh.com
BOTSCHAFT DER REPUBLIK GHANA
S.E. Herrn Paul King Aryene
Stavanger Straße 17-19
10439 Berlin
Fax: 030-44674063
E-Mail: chancery@ghanaemberlin.de


Bitte schreiben Sie Ihre Appelle möglichst sofort. Schreiben Sie in gutem Englisch oder auf Deutsch. Da Informationen in Urgent Actions schnell an Aktualität verlieren können, bitten wir Sie, nach dem 12. Februar 2011 keine Appelle mehr zu verschicken.


PLEASE SEND APPEALS IMMEDIATELY

- Calling on the Chairman of the Railway Development Authority and the Chief Executive of Accra Metropolitan Authority to immediately halt the planned demolition of structures along the railway lines in Accra.

- Urging them to adopt a moratorium on all evictions until all necessary safeguards are put in place to ensure that evictions are carried out in accordance with international and regional human rights standards, including the development of a resettlement plan to provide adequate alternative housing to residents.


*


Quelle:
ai - URGENT ACTION
UA-Nr: UA-251/2010-1, AI-Index: AFR 28/001/2011, Datum: 26. Januar 2011 - ar
Amnesty International, Sektion der Bundesrepublik Deutschland e.V.
Greifswalder Str. 4, 10405 Berlin
Telefon: 030/42 02 48-306
Fax: 030/42 02 48 - 330
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Internet: www.amnesty.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 29. Januar 2011