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AKTION/635: Urgent Action - Italien - Wieder mindestens drei Roma-Siedlungen geräumt


ai - URGENT ACTION
UA-Nr: UA-121/2011, AI-Index: EUR 30/009/2011, Datum: 21. April 2011 - mr

Italien
Wieder mindestens drei Roma-Siedlungen geräumt


ROMA in Rom

Die BewohnerInnen von mindestens drei nicht genehmigten Roma-Siedlungen in Rom sind vertrieben worden. Die Vertreibungen setzen die Welle von Zwangsräumungen in der italienischen Hauptstadt fort. Laut Angaben italienischer NGOs sind seit Anfang April mindestens 30 Siedlungen geräumt worden. Es besteht die Sorge, dass den BewohnerInnen anderer Roma-Siedlungen der Stadt ebenfalls unmittelbar die Zwangsräumung droht.

Am 18. April wurden die in der Siedlung in der Via Severini lebenden Roma von Angehörigen der Polizei vertrieben. Zu einem späteren Zeitpunkt des selben Tages erfolgte die Räumung der in dem verlassenen Fabrikgebäude Mira Lanza wohnenden Roma. Am Morgen des 20. April fand mit der Räumung der Siedlung in der Via de Flauto eine dritte Zwangsräumung statt. Diese Räumungen bilden Teil einer Welle von Räumungen nicht genehmigter Siedlungen in Rom, im Zuge derer seit Anfang April bereits von mehr als 30 Räumungen berichtet wird. Am 6. April erklärte der Bürgermeister von Rom, Gianni Alemanno, mit Bezug auf die Räumungen, sie seien unaufschiebbar, wenn verhindert werden soll, dass die kürzlich aus Tunesien gekommenen MigrantInnen ohne regulären Aufenthaltsstatus Zuflucht in nicht genehmigten Siedlungen fänden.

Laut Berichten italienischer NGOs fanden die Räumungen ohne vorherige Benachrichtigung und Konsultation der Betroffenen statt. Lediglich den Frauen und Kindern wurde eine vorläufige Unterkunft im Aufnahmezentrum für Asylsuchende (Centro di Accoglienza per richiedenti asilo - CARA) in Castelnuevo di Porto angeboten. Dieses Angebot wurde von fast allen Betroffenen abgelehnt, da sie sich nicht von ihren Familien trennen wollten.

In jüngster Zeit sind in Rom bereits kleinere, nicht genehmigte Siedlungen geräumt worden, doch die nun geräumten drei Siedlungen gehören zu den größten der Stadt. Schätzungen zufolge wurden etwa 700 Menschen, darunter auch schwangere Frauen und viele Kinder, durch die drei Räumungen obdachlos. Der Mangel an Sicherheit und die unangemessenen Lebensumstände in provisorischen Lagern können durch Zwangsräumungen nicht gelöst werden, sie führen nur zu noch schlechteren Wohn- und Lebensbedingungen dieser Gemeinschaften.


HINTERGRUNDINFORMATIONEN

Amnesty International ist besorgt, dass die Räumungen unter Verstoß gegen die einschlägigen internationalen Abkommen und Standards erfolgt sind. Internationale Menschenrechtsabkommen untersagen rechtswidrige Zwangsräumungen. Zwangsräumungen dürfen lediglich als letztes Mittel eingesetzt werden, wenn alle möglichen Alternativen ausgeschöpft wurden. Ehe eine Zwangsräumung durchgeführt wird, muss ein angemessener Rechts- und Verfahrensschutz bestehen, dazu gehören die Ankündigung der geplanten Räumung, der Zugang zu wirksamen Rechtsmitteln sowie die Bereitstellung von Entschädigungen. All denjenigen, die sich nicht selbst helfen können, muss unter Beachtung internationaler Standards eine angemessene alternative Unterkunft zur Verfügung gestellt werden.

Mit dem Dekret vom 21. Mai 2008 erteilte Ministerpräsident Berlusconi den Präfekten (Prefetti, ständige Regierungsvertreter in einem Gebiet) für ein Jahr Ausnahmebefugnisse, um den "Nomadennotfall" zu lösen. Dabei bediente er sich eines Gesetzes von 1992, das eigentlich im Fall von Naturkatastrophen Sonderbefugnisse einräumen sollte. Das Dekret, nachträglich ergänzt durch das Dekret vom 28. Mai 2009, erlaubte es den Präfekten, eine Reihe von Gesetzen außer Acht zu lassen. Die Befugnisse können unabhängig von Nationalität gegenüber allen ausgeübt werden, die als "Nomaden" angesehen werden. Roma scheinen jedoch in besonderem Maße betroffen zu sein.

Der sogenannte "Nomadenplan" ist ein kontroverser Wohnungsplan, der den Weg für die Zwangsräumung von Tausenden Roma und die Umsiedlung der meisten - aber eben nicht aller - in neue oder vergrößerte Lager in den Außenbezirken der großen Städte ebnet. Die Umsetzung dieses Plans treibt die Betroffenen noch tiefer in den Teufelskreis rechtswidriger Zwangsräumungen und zerstört jede Hoffnung auf Integration und soziale Inklusion. Nähere Informationen zum Thema finden Sie auf Englisch unter: Italy: stop forced evictions and provide adequate alternative housing for Roma families in Rome
(http://www.amnesty.org/en/library/info/EUR30/004/2011/en).
Diese Eilaktion ist Teil der weltweiten Kampagne "Wohnen. In Würde" und der europäischen Antidiskriminierungskampagne von Amnesty International.


EMPFOHLENE AKTIONEN

SCHREIBEN SIE BITTE E-MAILS, FAXE ODER LUFTPOSTBRIEFE MIT FOLGENDEN FORDERUNGEN

- Stoppen Sie bitte umgehend alle rechtswidrigen Zwangsräumungen von Roma-Siedlungen in Rom und stellen Sie sicher, dass Zwangsräumungen nur dann durchgeführt werden, wenn zuvor alle Alternativen ausgeschöpft wurden und die Räumung in Übereinstimmung mit den bestehenden Garantien regionaler und internationaler Menschenrechtsstandards durchgeführt wird, dazu gehört die umfassende vorherige Konsultation der betroffenen Menschen und die Bereitstellung alternativer Unterkünfte für alle Betroffenen, ohne dass dabei Familien getrennt werden.

- Stellen Sie Abhilfemaßnahmen bereit, dazu gehören angemessene Alternativunterkünfte für all diejenigen, die durch eine Zwangsräumung bereits vertrieben wurden.

- Stoppen Sie den "Nomadenplan" umgehend und leiten Sie Schritte ein, um den Plan in Konsultation mit den Betroffenen zu überarbeiten, damit sichergestellt wird, dass ein überarbeiteter Plan angemessene Wohnlösungen beinhaltet, die den internationalen Menschenrechtsabkommen entsprechen, statt die Segregation fortzusetzen.


APPELLE AN

PRÄFEKT VON ROM
Prefetto Giuseppe Pecoraro
Via IV Novembre, 119/A
00187 Roma, ITALIEN
(korrekte Anrede: Egregio sig. Prefetto/ Sehr geehrter Präfekt)
Fax: (00 39) 06 6729 4555
E-Mail: prefettura.roma@interno.it


KOPIEN AN

INNENMINISTER
Roberto Maroni, Palazzo Viminale
Via Agostino Depretis, 7, 00184 Roma, ITALIEN
Fax: (00 39) 06 4654 9832
E-Mail: caposegreteria.ministro@interno.it

BÜRGERMEISTER VON ROM
Sindaco Gianni Alemanno
Via del Campidoglio, 1
00187 Roma
ITALIEN
(korrekte Anrede: Egregio Sindaco)
Fax: (00 39) 06 6710 3590
E-Mail: sindaco@comune.roma.it

BOTSCHAFT DER ITALIENISCHEN REPUBLIK
S.E. Herrn Michele Valensise
Hiroshimastr. 1-7
10785 Berlin
Fax: 030-2544 0116


E-Mail: segreteria.berlino@esteri.it oder consolato.berlino@esteri.it Bitte schreiben Sie Ihre Appelle möglichst sofort. Schreiben Sie in gutem Italienisch, Englisch oder auf Deutsch. Da Informationen in Urgent Actions schnell an Aktualität verlieren können, bitten wir Sie, nach dem 6. Mai 2011 keine Appelle mehr zu verschicken.


PLEASE WRITE IMMEDIATELY

- Immediately stop all forced evictions of Roma settlements in Rome, and ensure that evictions are carried out only as a last resort, and in full compliance with the guarantees required under regional and international human rights standards, including genuine consultation and the provision of adequate alternative housing to all those affected, without need to separate families.

- Provide remedial measures, including adequate alternative housing, to those who have been affected by forced evictions.

- Immediately put the "Nomad Plan" on hold and take steps to review it in consultation with those affected, to ensure that a revised plan provides adequate housing solutions for all those affected in line with international human rights law and not perpetuating segregation.


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Quelle:
ai - URGENT ACTION
UA-Nr: UA-121/2011, AI-Index: EUR 30/009/2011, Datum: 21. April 2011 - mr
Amnesty International, Sektion der Bundesrepublik Deutschland e.V.
Greifswalder Str. 4, 10405 Berlin
Telefon: 030/42 02 48-306
Fax: 030/42 02 48 - 330
E-Mail: presse@amnesty.de
Internet: www.amnesty.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 29. April 2011