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AKTION/663: Urgent Action - Iran - Menschenrechtlerin inhaftiert


ai - URGENT ACTION
UA-Nr: UA-144/2011, AI-Index: MDE 13/049/2011, Datum: 19. Mai 2011 - ar/mr

Iran
Menschenrechtlerin inhaftiert


MARYAM BAHREMAN, Frauenrechtlerin

Die Frauenrechtlerin Maryam Bahreman wurde am 11. Mai 2011 von Sicherheitskräften festgenommen, die vermutlich für das Geheimdienstministerium arbeiten. Die Beamt_innen durchsuchten drei Stunden lang ihre Wohnung und nahmen bei Maryam Bahremans Festnahme auch persönliche Habseligkeiten aus ihrer Wohnung mit. Maryam Bahreman drohen Folter und andere Misshandlungen. Amnesty International betrachtet sie als gewaltlose politische Gefangene, die nur deshalb in Haft ist, weil sie friedlich von ihren Rechten auf Vereinigungs- und Meinungsfreiheit Gebrauch gemacht hat. Maryam Bahreman ist Mitglied der "Eine Million Unterschriften"-Kampagne in Schiraz, auch bekannt als die Kampagne für Gleichberechtigung. Sie ist zudem ehemalige Generalsekretärin der Frauenorganisation Pars (Sazman-e Zanan Pars), die 2007 aufgelöst wurde. Im Februar/März 2011 nahm Maryam Bahreman an der 55. Sitzung der UN-Kommission für die Rechtsstellung der Frau in New York teil. Dort hielt sie eine Rede zum Thema "Informations- und Kommunikationstechnologien im Iran aus der Genderperspektive". Kurz vor ihrer Festnahme hatte sie auf ihrem Blog einen selbst verfassten Brief an den Oppositionsführer Mir Hossein Mussawi und seine Frau, die politische Aktivistin Zahra Rahnevard, veröffentlicht, in dem sie deren anhaltenden Hausarrest anprangerte.

Bei Maryam Bahremans Festnahme zeigten die Beamt_innen einen vom Revolutionsgericht in Schiraz ausgestellten Haftbefehl vor, nach dem Maryam Bahreman "gegen die staatliche Sicherheit" gehandelt haben soll. Über Maryam Bahremans Verbleib ist nichts bekannt; es wird davon ausgegangen, dass die Bedingungen ihrer Inhaftierung dem Verschwindenlassen gleichkommen. Ihre Familie hat seit ihrer Festnahme nichts von ihr gehört.

In iranischen Hafteinrichtungen sind Folter und andere Misshandlungen weit verbreitet. Häufig werden diese Methoden dazu eingesetzt, "Geständnisse" zu erzwingen, die oftmals im Fernsehen ausgestrahlt werden und als Beweismaterial vor Gericht zugelassen sind. Dies verstößt gegen das Folterverbot und Artikel 14 des Internationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte, dessen Vertragsstaat der Iran ist.


HINTERGRUNDINFORMATIONEN

Die 2006 gestartete Kampagne "Eine Million Unterschriften", auch als "Kampagne für Gleichberechtigung" bekannt, ist eine basisdemokratische Initiative, die aus einem Netzwerk engagierter Menschen besteht, die sich für ein Ende der Diskriminierung der Frau im iranischen Recht einsetzen. Die Kampagne gibt freiwilligen Helferinnen Schulungen in Rechtsfragen. Diese reisen dann durch das Land und werben für die Kampagne. Sie sprechen mit Frauen bei ihnen zuhause und an öffentlichen Orten über ihre Rechte und die Notwendigkeit rechtlicher Reformen. Die Freiwilligen zielen auch darauf ab, eine Million Unterschriften von iranischen Staatsangehörigen zu sammeln, um mit dieser Petition das Ende der rechtlichen Diskriminierung von Frauen im Iran zu fordern. Zahlreiche AktivistInnen wurden wegen ihres Engagements für die Kampagne für Gleichberechtigung festgenommen oder drangsaliert, manche während sie Unterschriften für die Petition sammelten.

Mindestens sieben Mitglieder der Kampagne befinden sich zurzeit aufgrund ihrer Aktivitäten zum Schutz der Menschenrechte und ihres Einsatzes für die Gleichberechtigung der Geschlechter im Gefängnis. Zuletzt musste Mahboubeh Karami am 15. Mai eine dreijährige Gefängnisstrafe im Evin-Gefängnis in Teheran antreten. Die Strafe wurde wegen ihres Einsatzes für die Rechte der Frauen gegen sie verhängt. Alieh Aghdam-Doust verbüßt eine dreijährige Gefängnisstrafe im Evin-Gefängnis, weil sie im Juni 2006 an einer Demonstration gegen die Frauen diskriminierenden Gesetze im Iran teilgenommen hat. Fatemeh Masjedi hat im Januar 2011 im Langaroud-Gefängnis in der Stadt Qom südwestlich von Teheran eine sechsmonatige Gefängnisstrafe antreten müssen. Sie wurde schuldig befunden, "Propaganda gegen das System und für eine feministische Gruppe [die Kampagne] verbreitet zu haben, indem sie Unterschriften für eine Petition gesammelt hat, in der die Änderung der iranischen Gesetze gefordert wird, die Frauen diskriminieren, sowie aufgrund der Veröffentlichung von Materialien für eine feministische Gruppe, die gegen die iranische Regierung ist." Auch Maryam Bidgoli droht in derselben Angelegenheit eine Gefängnisstrafe. Die Kurdin Zeynab Beyezidi, Mitglied der Menschenrechtsorganisation (HROK) verbüßt eine viereinhalb Jahre lange Gefängnisstrafe im Zanjan-Gefängnis im Nordwesten des Landes in Verbindung mit ihrer Mitgliedschaft in der Menschenrechtsorganisation HROK und der Kampagne für Gleichberechtigung. Ronak Safazadeh, ebenfalls aktiv in der Kampagne und Angehörige der kurdischen Minderheit im Iran, verbüßt derzeit eine sechsjährige Gefängnisstrafe. Gegen sie erging ein Urteil wegen Mitgliedschaft in der bewaffneten kurdischen Gruppe PJAK. Hinsichtlich dieser Beschuldigung erklärte ihr Rechtsbeistand: "Die Aktivitäten meiner Klientin beschränkten sich auf Aktivitäten in der Frauenorganisation Azar Mehr. Ihre Aktivitäten in der PJAK haben allein damit zu tun gehabt. Meine Mandantin wollte untersuchen' warum sich Frauen trotz schwieriger Bedingungen der PJAK anschließen'". Die in der Kampagne aktive Studentin und Frauenrechtlerin Behareh Hedayat, die aufgrund dieser Aktivitäten eine neuneinhalbjährige Gefängnisstrafe verbüßte, wurde im April 2011 wegen einer Erklärung, die sie im Gefängnis geschrieben hatte, zu weiteren sechs Monaten Haft verurteilt. Auch das Kampagnenmitglied Hengameh Shahidi verbüßt eine sechsjährige Gefängnisstrafe im Evin-Gefängnis. In dem Gerichtsverfahren der politisch engagierten Journalistin zählte auch das Sammeln von Unterschriften zu den Anklagepunkten.

In Artikel 19 der iranischen Verfassung ist die Gleichstellung aller iranischen StaatsbürgerInnen festgeschrieben. Artikel 21 fordert die Wahrung der Rechte von Frauen und Artikel 26 gestattet das "Bilden von Parteien, Gesellschaften, politischen oder beruflichen Vereinigungen . vorausgesetzt, sie verstoßen nicht gegen die Prinzipien der Unabhängigkeit, Freiheit und nationalen Einheit, gegen die Kriterien des Islam oder die Grundlagen der Islamischen Republik." Mitglieder der Kampagne "Eine Million Unterschriften" haben stets darauf hingewiesen, dass ihre Aktivitäten voll und ganz im Einklang mit iranischem Recht stehen.

Artikel 2 und 3 des Internationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte, dessen Vertragsstaat der Iran ist, untersagt die Diskriminierung aufgrund des Geschlechts. Artikel 9 verbietet willkürliche Festnahme und Inhaftierung und Artikel 14 garantiert Beschuldigten das Recht auf ein faires Gerichtsverfahren, dazu gehört auch der Zugang zu einem Rechtsbeistand. Die Artikel 19, 21 und 22 sichern allen Menschen die Rechte auf freie Meinungsäußerung, Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit zu.


EMPFOHLENE AKTIONEN

SCHREIBEN SIE BITTE E-MAILS ODER LUFTPOSTBRIEFE MIT FOLGENDEN FORDERUNGEN

- Ich appelliere an Sie, Maryam Bahreman unverzüglich und bedingungslos freizulassen, genauso wie alle anderen inhaftierten Mitglieder der "Eine Million Unterschriften"-Kampagne, die nur deshalb festgehalten werden, weil sie friedlich von ihren Rechten auf Meinungs-, Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit Gebrauch gemacht haben.

- Informieren Sie die Familie von Maryam Bahreman über ihren Aufenthaltsort und sorgen Sie dafür, dass Maryam Bahreman umgehend Zugang zu ihrer Familie, einer rechtlichen Vertretung ihrer Wahl und jeglicher benötigter medizinischer Versorgung erhält.

- Stellen Sie bitte sicher, dass Maryam Bahreman vor Folter und anderen Misshandlungen geschützt wird.


APPELLE AN

OBERSTE JUSTIZAUTORITÄT DER PROVINZ FARS
Mr Zabihollah Khodaiyan
Piroozi Street, Shiraz, Fars Province, IRAN
(korrekte Anrede: Dear Sir / Sehr geehrter Herr Khodaiyan)
E-Mail: khodaiyan@dadfars.ir

GEHEIMDIENSTMINISTER
Heydar Moslehi
Ministry of Information
Second Negarestan Street
Pasdaran Avenue, Tehran, IRAN
(korrekte Anrede: Your Excellency / Sehr geehrter Herr Minister)


KOPIEN AN

LEITER DER IRANISCHEN BEHÖRDE FÜR MENSCHENRECHTE
Mohammad Javad Larijani
High Council for Human Rights
[C/o] Office of the Head of the Judiciary
Pasteur St., Vali Asr Ave., south of Serah-e Jomhouri, Tehran 1316814737, IRAN

BOTSCHAFT DER ISLAMISCHEN REPUBLIK IRAN
S.E. Herrn Alireza Sheikh Attar
Podbielskiallee 65-67, 14195 Berlin
Fax: 030-8435 3535
E-Mail: iran.botschaft@t-online.de oder info@iranbotschaft.de


Bitte schreiben Sie Ihre Appelle möglichst sofort. Schreiben Sie in gutem Persisch, Arabisch, Englisch, Französisch oder auf Deutsch. Da Informationen in Urgent Actions schnell an Aktualität verlieren können, bitten wir Sie, nach dem 29. Juni 2011 keine Appelle mehr zu verschicken.


PLEASE WRITE IMMEDIATELY

- Calling on the Iranian authorities to release Maryam Bahreman immediately and unconditionally, and all other imprisoned members of the One Million Signature Campaign held solely for the peaceful exercise of their rights to freedom of expression, assembly and association.

- Urging them to disclose her whereabouts to her family, and grant her immediate access to her family, a lawyer of her choice and any medical treatment she may require.

- Calling on them to ensure that she is protected from torture or other ill-treatment.


*


Quelle:
ai - URGENT ACTION
UA-Nr: UA-144/2011, AI-Index: MDE 13/049/2011, Datum: 19. Mai 2011 - ar/mr
Amnesty International, Sektion der Bundesrepublik Deutschland e.V.
Greifswalder Str. 4, 10405 Berlin
Telefon: 030/42 02 48-306
Fax: 030/42 02 48 - 330
E-Mail: presse@amnesty.de
Internet: www.amnesty.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 25. Mai 2011