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AKTION/776: Urgent Action - VR China - Menschenrechtlerin zu Haftstrafe verurteilt


ai - URGENT ACTION
UA-NR: UA-230/2011-1, AI-Index: ASA 17/042/2011, Datum: 12. September 2011 - mr

VR China
Menschenrechtlerin zu Haftstrafe verurteilt

Weitere Informationen zu UA-230/2011 (ASA 17/038/2011, 27. Juli 2011)


WANG LIHONG, 56-jährige Menschenrechtsverteidigerin

Die Menschenrechtsverteidigerin Wang Lihong ist zu neun Monaten Gefängnis verurteilt worden. Ihr drohen Folter und andere Misshandlungen.

Der Vorsitzende Richter am Volksgericht des Pekinger Bezirks Chaoyang verkündete das Urteil gegen Wang Lihong am Morgen des 9. September. Wang Lihong erklärte umgehend, dass sie der Anklage "Streit und Probleme verursacht zu haben" nicht schuldig sei und Rechtsmittel gegen das Urteil einlegen werde. Ihr Sohn Qi Jinxiang sagte gegenüber den Medien und den UnterstützerInnen seiner Mutter, dass Wang Lihong nicht einen Tag im Gefängnis verbringen dürfe und sofort freigelassen werden müsse.

Wang Lihongs Gerichtsverfahren fand am 12. August statt. Während des Verfahrens wurde die Anklage "Menschen versammelt zu haben, um den Verkehr zu behindern bzw. gegen die Verkehrsordnung zu verstoßen" in "Streit und Probleme verursacht zu haben" umgewandelt. Der Grund hierfür liegt in Wang Lihongs Teilnahme an einem friedlichen Protest im April 2010 zur Unterstützung von drei Internetaktivisten aus Fujian, denen Verunglimpfung zur Last gelegt wurde, weil sie Fragen zu der mutmaßlichen Vertuschung des Todes einer jungen Frau durch die Polizei ins Internet gestellt hatten.

Am 21. März 2011 nahm die Polizei die 56-jährige Wang Lihong zuhause fest. Die Festnahme stand in Zusammenhang mit einer Welle von Inhaftierungen, die durch die Jasmin-Revolution im Nahen Osten und Nordafrika ausgelöst worden war. Die Polizei durchsuchte ihr Haus und beschlagnahmte ihren Computer. Am 21. April teilte die Bezirkspolizei von Chaoyang in Peking ihrer Familie mit, sie sei formell festgenommen worden und wäre in der Polizeistation von Chaoyang inhaftiert. Laut Angaben des Anwalts von Wang Lihong begrenzte die Polizei die Zahl der Anwaltsbesuche bei ihr. Die Staatsanwaltschaft genehmigte den AnwältInnen nicht Zugang zu allen Unterlagen des Falls und verstieß damit gegen die rechtlichen Vorschriften, die den ungehinderten Zugang zu den Fallakten und den MandantInnen garantieren.

Wang Lihong leidet unter chronischen Rückenschmerzen. Ihr Gesundheitszustand hat sich in der Haft verschlechtert.


HINTERGRUNDINFORMATIONEN

Wang Lihong ist eine weithin bekannte Menschenrechtsverteidigerin, die häufig KlägerInnen besucht und obdachlose Personen, die auf ein Gerichtsverfahren warten, mit Nahrung und Kleidung versorgt. Sie zieht auch oft bei AktivistInnen ein, die unter polizeilicher Überwachung stehen, um sie emotional zu unterstützen. Sie hat Ehefrauen von inhaftierten Aktivisten beim Kochen und der Kinderbetreuung geholfen und war ihnen oft auch dabei behilflich, finanzielle Zuwendungen und Rechtshilfe für ihre Männer zu erhalten. "Ihre Unterstützung", so die Meinung von AktivistInnen, die sich für die Freilassung von Wang Lihong einsetzen, "kommt immer zur rechten Zeit und ist von großem praktischen Nutzen". Nach der Haftentlassung von Chen Guangcheng, als er rechtswidrig unter Hausarrest stand und offenbar geschlagen wurde, reiste sie in das Dorf, in dem er wohnt. Wang Lihong schrieb ferner 23 Briefe an die Regierung von Fujian, in denen sie die Freilassung von drei InternetaktivistInnen forderte, die festgenommen worden waren, weil sie im Internet Fragen zu der Rolle der Polizei in einem mutmaßlichen Vertuschungsfall aufgeworfen hatten, in dem es um den Tod einer jungen Frau ging.

Amnesty International hat am 5. Mai 2011 im Internet eine Aktion zugunsten von Wang Lihong gestartet (siehe:
http://www.amnesty.org./en/news-and-updates/china%E2%80%99s-jasmine-activists-2011-05-05).

In China selbst setzen sich zahlreiche Menschen für die Freilassung der Aktivistin ein. Wang Lihong wurde mit folgender Äußerung zitiert: "Wenn ich im Angesicht des Leidens und des Bösen schweige, dann bin ich selbst das nächste Böse, das ausgelöscht werden muss".


EMPFOHLENE AKTIONEN

SCHREIBEN SIE BITTE FAXE ODER LUFTPOSTBRIEFE MIT FOLGENDEN FORDERUNGEN

- Ich appelliere an Sie, Wang Lihong unverzüglich und bedingungslos freizulassen.

- Sorgen Sie bitte dafür, dass Wang Lihong Kontakt zu ihrer Familie und einem Rechtsbeistand ihrer Wahl aufnehmen kann sowie Zugang zu nötiger medizinischer Versorgung erhält.

- Stellen Sie ebenfalls sicher, dass Wang Lihong in Haft weder gefoltert noch misshandelt wird.

- Ich erwarte, dass die notwendigen Maßnahmen ergriffen werden, um die in der chinesischen Verfassung und im Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte verbrieften Rechte auf freie Meinungsäußerung, Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit zu wahren. China ist bereits Unterzeichnerstaat des Pakts und hat angekündigt, ihn auch ratifizieren zu wollen.


APPELLE AN

DIREKTOR DER BEHÖRDE FÜR ÖFFENTLICHE SICHERHEIT IN PEKING
Fu Zhenghua Juzhang
Beijingshi Gong'anju
9 Dongdajie, Qianmen
Dongchengqu
Beijingshi 100740
VOLKSREPUBLIK CHINA
(korrekte Anrede: Dear Director / Sehr geehrter Herr Direktor)
Fax: (00 86) 10 652 429 27

VORSITZENDER DES HOHEN VOLKSGERICHTS VON PEKING
CHI Qiang Yuanzhang
Beijingshi Gaoji Renmin Fayuan
10 Jianguomennan Dajie
Chaoyangqu
Beijingshi 100022
VOLKSREPUBLIK CHINA
(korrekte Anrede: Dear President / Sehr geehrter Herr Vorsitzender)
Fax: (00 86) 10 65290390
E-Mail: bjgy_mygt@chinacourt.org


KOPIEN AN

MINISTERPRÄSIDENT
WEN Jiabao Guojia Zongli
The State Council General Office
2 Fuyoujie
Xichengqu
Beijingshi 100017
VOLKSREPUBLIK CHINA
(korrekte Anrede: Dear Premier / Sehr geehrter Herr Ministerpräsident)
Fax: (00 86) 10 659 611 09
(c/o Ministry of Foreign Affairs)

BOTSCHAFT DER VOLKSREPUBLIK CHINA
S.E. Herrn Hongbo Wu
Märkisches Ufer 54
10179 Berlin
Fax: 030-27 58 82 21
E-Mail: de@mofcom.gov.cn


Bitte schreiben Sie Ihre Appelle möglichst sofort. Schreiben Sie in gutem Chinesisch, Englisch oder auf Deutsch. Da Informationen in Urgent Actions schnell an Aktualität verlieren können, bitten wir Sie, nach dem 24. Oktober 2011 keine Appelle mehr zu verschicken.


PLEASE WRITE IMMEDIATELY

- Release Wang Lihong immediately and unconditionally.

- Ensure that Wang Lihong has access to her family, legal representation of her choosing and any medical attention she may require.

- Guarantee that Wang Lihong will not be tortured or otherwise ill-treated.

- Take effective measures to guarantee freedom of expression, association and assembly, in line with China's constitution and the International Covenant on Civil and Political Rights, which China has signed and declared an intention to ratify.


*


Quelle:
ai - URGENT ACTION
UA-NR: UA-230/2011-1, AI-Index: ASA 17/042/2011, Datum: 12. September 2011 - mr
Amnesty International, Sektion der Bundesrepublik Deutschland e.V.
Greifswalder Str. 4, 10405 Berlin
Telefon: 030/42 02 48-306
Fax: 030/42 02 48 - 330
E-Mail: presse@amnesty.de
Internet: www.amnesty.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 15. September 2011