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AKTION/842: Urgent Action - Ägypten - Drohende Abschiebung


ai - URGENT ACTION
UA-Nr: UA-321/2011, AI-Index: MDE 12/055/2011, Datum: 2. November 2011 - ns

Ägypten
Drohende Abschiebung


118 ERITREISCHE STAATSANGEHÖRIGE

Einer Gruppe von 118 eritreischen Asylsuchenden in Ägypten droht die Abschiebung in ihr Heimatland. Dort bestünde für die Betroffenen die akute Gefahr, gefoltert und willkürlich inhaftiert zu werden. Nachdem die 118 Eritreer in der Stadt Aswan und der Umgebung im Süden Ägyptens festgenommen worden waren, brachte man sie vor Kurzem in ein Gefangenenlager in Shallal südlich von Aswan. Berichten zufolge wurden die Gefangenen von Sicherheitskräften unter anderem auf die Beine und den Kopf geschlagen, damit sie Dokumente der diplomatischen VerteterInnen aus Eritrea zur Abwicklung ihrer Abschiebung unterzeichnen. Die Beteiligung der eritreischen RegierungsvertreterInnen an der Dokumentation der Gefangenen erhöht das Risiko, dass die Asylsuchenden im Falle einer Abschiebung in Gefahr sind.

Amnesty International vertritt die Auffassung, dass die Männer nach einer Abschiebung in ihr Heimatland Eritrea gefoltert oder misshandelt werden und ohne die Erhebung einer Anklage oder der Gewährung eines Gerichtsverfahrens unter unzumutbaren Bedingungen gefangen gehalten werden. Es ist bekannt, dass Flüchtlinge und Asylsuchende aus Eritrea nach der Rückführung in ihr Heimatland ohne Kontakt zur Außenwelt in Haft gehalten und während dieser Zeit gefoltert worden sind, insbesondere diejenigen, die sich dem Militärdienst entziehen wollten. Viele der in Shallal Gefangenen sind dem Vernehmen nach junge Eritreer im Wehrdienstalter, die das Land verlassen hatten, um nicht eingezogen zu werden.

Laut den von Amnesty International dokumentierten Fällen wurden während der letzten Jahre keinem der eritreischen Asylsuchenden Zugang zur Vertretung des UN-Hochkommissars (UNHCR) in Kairo gewährt, obwohl dies gefordert wurde. Amnesty International ist angesichts der steigenden Anzahl an Berichten sowohl über Abschiebungen von eritreischen StaatsbürgerInnen in den vergangenen Wochen als auch über die drohende Abschiebung weiterer derzeit inhaftierter EritreerInnen sehr besorgt.


HINTERGRUNDINFORMATIONEN

Ägypten ist Vertragsstaat sowohl des UN-Abkommens über die Rechtsstellung von Flüchtlingen aus dem Jahr 1951 als auch der OAU-Konvention von 1969 über bestimmte Aspekte von Flüchtlingsproblemen in Afrika. Beide Verträge verpflichten Ägypten, Flüchtlingen internationalen Schutz zu gewähren und sie nicht abzuschieben oder zurückzuführen. Laut einer Absichtserklärung zwischen Ägypten und dem UNHCR aus dem Jahr 1954 sind die ägyptischen Behörden zudem verpflichtet, Asylsuchenden Zugang zum UNHCR zu ermöglichen und dessen Entscheidungen über den Flüchtlingsstatus von Personen zu respektieren.

Angesichts der Menschenrechtsverletzungen, die seit Jahren in Eritrea begangen werden, hat der UNHCR im Lauf der Zeit Richtlinien erlassen, die so gut wie alle Rückführungen von im Ausland um Asyl suchenden eritreischen Staatsangehörigen untersagen. Auch die Rückführung von aus Eritrea stammenden Personen, deren Anträge auf internationalen Schutz abgewiesen worden sind, ist nicht zulässig. Diese Richtlinien gelten noch immer.

In der Vergangenheit sind immer wieder nach Eritrea abgeschobene Flüchtlinge und Asylsuchende festgenommen, ohne Kontakt zur Außenwelt in Haft gehalten und gefoltert worden. In dem Land befinden sich mehrere tausend Menschen von der Außenwelt abgeschnitten ohne Anklage oder Gerichtsverfahren in geheimer und zeitlich unbefristeter Haft. Sie sind festgenommen worden, weil die Behörden sie der Opposition zur Regierung verdächtigen, weil sie evangelikalen oder anderen verbotenen Glaubensgemeinschaften angehören, sich dem Militärdienst entzogen oder außer Landes zu fliehen versucht hatten. Die eritreischen Behörden betrachten den Vorgang der Asylantragstellung als Landesverrat, weshalb aus dem Ausland abgeschobene eritreische Asylsuchende bei ihrer Rückkehr mit willkürlichen Inhaftierungen rechnen müssen.


EMPFOHLENE AKTIONEN SCHREIBEN SIE BITTE FAXE, E-MAILS UND LUFTPOSTBRIEFE MIT FOLGENDEN FORDERUNGEN

- Bitte stellen Sie sicher, dass die derzeit im Lager Shallal gefangen gehaltenen Asylsuchenden nicht abgeschoben werden.

- Ich appelliere an Sie, Ägyptens internationalen Verpflichtungen aus der Genfer Flüchtlingskonvention von 1951 und dem Übereinkommen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe zu wahren und die Abschiebung von Flüchtlingen oder Asylsuchenden mit sofortiger Wirkung einzustellen.

- Bitte sorgen Sie auch dafür, dass sämtliche Asylsuchende unverzüglich Kontakt zum Büro des UN-Hochkommissars für Flüchtlinge in Ägypten aufnehmen können, um dort ihren Anspruch auf Asyl prüfen zu lassen.

- Außerdem fordere ich Sie auf, dafür zu sorgen, dass RegierungsvertreterInnen des Herkunftslandes keinen Kontakt zu den Asylsuchenden aufnehmen dürfen, solang eine Entscheidung über ihren Antrag auf internationalen Schutz aussteht.

- Stellen Sie bitte außerdem sicher, dass inhaftierte Flüchtlinge und Asylsuchende umgehend die Rechtmäßigkeit ihres Freiheitsentzugs anfechten können und von Rückführung gefährdete Personen Rechtsmittel gegen die drohende Abschiebung einlegen können.


APPELLE AN

INNENMINISTER
H.E. Mansour Abdel Kerim Moustafa Essawy
Ministry of Interior
25 El Sheikh Rihan Street
Bab al-Louk, Cairo, ÄGYPTEN
(korrekte Anrede: Dear Minister / Sehr geehrter Herr Minister)
Fax: (00 20) 22 796 0682
E-Mail: moi@idsc.gov.eg

GENERALSTAATSANWALT
Abd El-Megeed Mahmoud
Dar al-Qadha al-'Ali
Ramses Street, Cairo, ÄGYPTEN
(korrekte Anrede: Dear Counsellor / Sehr geehrter Herr Generalstaatsanwalt)
Fax: (00 20) 22 577 4716


KOPIEN AN

LEITERIN DER BEHÖRDE FÜR MENSCHENRECHTE IM
AUßENMINISTERIUM
Laila Bahaa Eldin
Human Rights and International Humanitarian and Social Affairs
Ministry of Foreign Affairs
Corniche al-Nil, Cairo, ÄGYPTEN
Fax: (00 20) 22 574 9713

BOTSCHAFT DER ARABISCHEN REPUBLIK ÄGYPTEN
S.E. Herrn Ramzy Ezz Eldin Ramzy
Stauffenbergstraße 6 - 7, 10785 Berlin
Fax: 030-477 1049
E-Mail: embassy@egyptian-embassy.de


Bitte schreiben Sie Ihre Appelle möglichst sofort. Schreiben Sie in gutem Arabisch, Englisch, Tigrinisch oder auf Deutsch. Da Informationen in Urgent Actions schnell an Aktualität verlieren können, bitten wir Sie, nach dem 14. Dezember 2011 keine Appelle mehr zu verschicken.


PLEASE WRITE IMMEDIATELY

- Urging the Egyptian authorities not to forcibly return the group of asylum-seekers currently detained in Shallal.

- Calling on the Egyptian authorities to respect Egypt's international obligations under the 1951 Convention Relating to the Status of Refugees and the UN Convention against Torture and Other Cruel, Inhuman or Degrading Treatment or Punishment and immediately stop all forcible returns of refugees and asylum-seekers.

- Urging the Egyptian authorities to ensure that all those who want to claim asylum are given immediate access to UNHCR in Egypt to assess their asylum claims.

- Urging the Egyptian authorities not to give access to asylum-seekers to representatives of the government of their country of origin, pending the determination of their international protection claims.

- Urging the Egyptian authorities to ensure any refugee and asylum-seeker in detention is given prompt access to a procedure by which they can challenge the lawfulness of their detention and their removal in the case of those at risk of being forcibly returned.


HINTERGRUNDINFORMATIONEN - FORTSETZUNG

In Eritrea gilt für Männer und Frauen zwischen 18 und 40 Jahren allgemeine Wehrpflicht. Bis zu ihrem 50. Lebensjahr gelten sie überdies als ReservistInnen. Die Dauer des zunächst auf 18 Monate angelegten Militärdienstes ist de facto unbegrenzt. Er beginnt im Allgemeinen mit einem sechsmonatigen Einsatz bei den Streitkräften, gefolgt von einem zwölfmonatigen Dienst in Einrichtungen des Militärs oder der Regierung. Nach Ablauf dieser Zeit folgt jedoch häufig eine zeitlich unbefristete Verlängerung des Wehrdienstes. Wehrpflichtige werden oftmals gegen ihren Willen zu Arbeiten an staatlichen Projekten herangezogen, beispielsweise im Bereich des Straßenbaus, der öffentlichen Verwaltung oder als Arbeitskräfte für Unternehmen, die sich im Besitz ranghoher Militärs oder führender Parteifunktionäre befinden. Eingezogene Wehrpflichtige erhalten nur ein minimales Gehalt, das nicht einmal ausreicht, um die Grundbedürfnisse ihrer Familien zu befriedigen. Derzeit ist ein Großteil der Bevölkerung Eritreas im Erwachsenenalter zu Arbeiten im staatlichen Sektor verpflichtet. Kriegsdienstverweigerer aus Gewissensgründen sind vom Militärdienst nicht ausgenommen, ein Dienst außerhalb des Militärs ist nicht vorgesehen. Wer sich dem Wehrdienst entzieht, wird in der Regel in Haft genommen und gefoltert. Zu den Foltermethoden zählen Schläge und das Aufhängen des Betroffenen an Bäumen oder anderen Objekten in schmerzhafter Körperposition. Die Haftbedingungen in Eritrea sind extrem schlecht und kommen oftmals grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung gleich. In den vergangenen Jahren sind Asylsuchende aus Eritrea und anderen Staaten nach Ägypten gelangt, entweder über die sudanesisch-ägyptische Grenze oder auf dem Seeweg südlich der Stadt Hurghada. Andere sind vom UNHCR im Sudan als Flüchtlinge anerkannt worden, verlassen das Land aber wieder, weil sie fürchten, von dort gegen ihren Willen nach Eritrea zurückgeführt zu werden.


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Quelle:
ai - URGENT ACTION
UA-Nr: UA-321/2011, AI-Index: MDE 12/055/2011, Datum: 2. November 2011 - ns
Amnesty International, Sektion der Bundesrepublik Deutschland e.V.
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veröffentlicht im Schattenblick zum 5. November 2011