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AKTION/895: Urgent Action - Syrien - Journalist frei, verbleib seines Bruders ungewiss


ai - URGENT ACTION
UA-Nr: UA-252/2011-2, AI-Index: MDE 24/008/2012, Datum: 25. Januar 2012 - gs

Syrien
Journalist frei, verbleib seines Bruders ungewiss

Weitere Informationen zu UA-252/2011 (MDE 24/043/2011, 22. August 2011, und MDE 24/078/2011, 22. November 2011)


Herr 'ADEL WALID KHARSA, 25-jähriger Journalist
sein Bruder' 'IMAD WALID KHARSA

Der Journalist 'Adel Walid Kharsa, den die syrischen Sicherheitskräfte am 31. Oktober 2011 in der Stadt Hama festgenommen hatten, ist am 9. Januar nach mehr als zwei Monaten Haft ohne Kontakt zur Außenwelt frei gelassen worden. Sein Bruder 'Imad Walid Kharsa scheint dagegen dem Verschwindenlassen zum Opfer gefallen zu sein. Er ist nach wie vor in Gefahr, gefoltert oder misshandelt zu werden.

Nach Angaben seiner Familie war 'Adel Walid Kharsa in Hama festgenommen und später nach Damaskus in die als Abteilung 285 bekannte Hafteinrichtung des Staatssicherheitsdienstes verlegt worden. Dort hatte der Journalist nach einer früheren Festnahme vom 17. August 2011 schon einmal zwei Monate verbracht. Nach Amnesty International zugegangenen Informationen ist 'Adel Walid Kharsa vor seiner Freilassung einem Richter vorgeführt worden, durfte jedoch weder im Vorfeld noch zu der Anhörung selbst einen Rechtsbeistand zu Rate ziehen. Seiner Familie ist nicht bekannt, welche Anschuldigungen gegen 'Adel Walid Kharsa vorgebracht worden waren. Allem Anschein nach sind jedoch sämtliche Anklagen fallen gelassen worden. Wie Amnesty International erfahren hat, ist 'Adel Walid Kharsa nach eigenen Angaben gefoltert bzw. anderweitig misshandelt worden. Seine Haftbedingungen hat er als "entsetzlich" bezeichnet. Auch nach seiner Freilassung leidet der Journalist unter gesundheitlichen Problemen wie etwa einer Hauterkrankung, die auf seine Zeit in Haft zurückzuführen ist.

Über Schicksal und Verbleib von 'Imad Walid Kharsa, der am 24. August 2011 in Hama festgenommen worden war, hat seine Familie seither keine offizielle Benachrichtigung erhalten. Informationen aus inoffiziellen Quellen lassen die Familie allerdings vermuten, dass auch er nach seiner Festnahme zumindest einige Zeit in Abteilung 285 festgehalten worden ist. Der momentane Haftort von 'Imad Walid Kharsa ist nicht bekannt. Er scheint dem Verschwindenlassen zum Opfer gefallen zu sein. Berichte, denen zufolge 'Imad Walid Kharsa bei seiner Festnahme verletzt worden ist, wie auch die Angaben seines Bruders über die herrschenden Haftbedingungen lassen um die Sicherheit des Gefangenen bangen. Seit März 2011 ist zudem eine äußerst hohe Zahl an Todesfällen in Haft bekannt geworden.


HINTERGRUNDINFORMATIONEN

Nachdem im Februar 2011 in Syrien Demonstrationen für Reformen eingesetzt hatten, die Mitte März in Massenproteste einmündeten, sind die syrischen Behörden auf brutale Weise gegen die daran Teilnehmenden vorgegangen. Amnesty International liegen die Namen von mehr als 4700 Menschen vor, die während oder im Zusammenhang mit den Protesten und damit einhergehenden Unruhen gestorben sind oder getötet wurden. Viele der Opfer sind vermutlich während ihrer Teilnahme an friedlichen Kundgebungen oder der Beisetzung von Menschen gestorben, die bei früheren Protestveranstaltungen von den Sicherheitskräften unter Einsatz scharfer Munition erschossen worden waren. Auch Mitglieder der Sicherheitskräfte sind getötet worden, einige von DeserteurInnen, andere von bewaffneten RegierungsgegnerInnen.

Es wurden mehrere tausend Menschen festgenommen und viele von ihnen an unbekannten Orten, an denen Folter und Misshandlung offenbar an der Tagesordnung sind, ohne Kontakt zur Außenwelt in Haft gehalten. Seit dem 1. April 2011 sollen mehr als 250 Menschen unter sehr suspekten Umständen in der Haft zu Tode gekommen sein (weitere englischsprachige Informationen finden Sie in dem Bericht Deadly detention: Deaths in custody amid popular protest in Syria, 31. August 2011,
http://www.amnesty.org/en/library/info/MDE24/035/2011/en).

In Syrien sind neben zahlreichen Sicherheits- und Geheimdienstbehörden auch mehrere undurchsichtige Gruppierungen aktiv, deren Mitglieder oft bewaffnet sind, aber nicht zwangsläufig Uniformen tragen. Diese Gruppen agieren offenkundig in Absprache mit staatlichen AmtsträgerInnen, zumindest aber mit deren Billigung. Darüber hinaus hat Amnesty International von Berichten Kenntnis erhalten, denen zufolge bewaffnete EinzeltäterInnen Menschen, denen sie Nähe zu den staatlichen Institutionen und Unterstützung der Regierung unterstellen, bedrohen, tätlich angreifen und sogar töten. Amnesty International hat seit März 2011 zahlreiche Verbrechen gegen die Menschlichkeit und andere Menschenrechtsverletzungen der syrischen Sicherheitskräfte dokumentiert. Die Organisation hat den UN-Sicherheitsrat wiederholt aufgerufen, die Lage in Syrien der Staatsanwaltschaft des Internationalen Strafgerichtshofs zu unterbreiten, ein umfassendes Waffenembargo gegen Syrien zu verhängen und das Vermögen von Präsident Bashar al-Assad und weiteren Personen einzufrieren, die schwere Menschenrechtsverletzungen angeordnet oder begangen haben.


EMPFOHLENE AKTIONEN

SCHREIBEN SIE BITTE FAXE ODER LUFTPOSTBRIEFE MIT FOLGENDEN FORDERUNGEN

- Ich möchte meine Sorge darüber zum Ausdruck bringen, dass 'Imad Walid Kharsa ohne Kontakt zur Außenwelt unter Bedingungen in Haft gehalten wird, die dem Verschwindenlassen gleichkommen. Bitte teilen Sie seiner Familie unverzüglich den Haftort des Gefangenen, die Gründe für seine Festname und seinen rechtlichen Status mit.

- Stellen Sie bitte sicher, dass 'Imad Walid Kharsa wirksam vor Folter und Misshandlungen geschützt wird, unverzüglich zu seiner Familie und Rechtsbeiständen seines Vertrauens Kontakt aufnehmen kann sowie Zugang zu notwendiger medizinischer Versorgung erhält.

- Lassen Sie 'Imad Walid Kharsa umgehend frei, sofern er nicht einer international anerkannten Straftat angeklagt und in Übereinstimmung mit internationalen Standards für faire Prozesse vor Gericht gestellt wird.


APPELLE AN

STAATSPRÄSIDENT
Bashar al-Assad
Presidential Palace
Al-Rashid Street, Damascus
SYRIEN
(korrekte Anrede: Your Excellency/Exzellenz)
Fax: (00 963) 11 332 3410

INNENNMINISTER
His Excellency Major General Mohamad Ibrahim al-Shaar
Minister of Interior
'Abd al-Rahman Shahbandar Street
Damascus, SYRIEN
(korrekte Anrede: Your Excellency/Exzellenz)
Fax: (00 963) 11 311 0554

AUßENMINISTER
Walid al-Mu'allim
Ministry of Foreign Affairs
Al-Rashid Street, Damascus, SYRIEN
Fax: (00 963) 11 214-6251, -6252 oder -6253


KOPIEN AN

BOTSCHAFT DER ARABISCHEN REPUBLIK SYRIEN
S.E. Herrn Radwan Loutfi
Rauchstr. 25
10787 Berlin
Fax: 030-5017 7311
E-Mail: info@syrianembassy.de oder
press@syrianembassy.de, secretary@syrianembassy.de


Bitte schreiben Sie Ihre Appelle möglichst sofort. Schreiben Sie in gutem Arabisch, Englisch, Französisch oder auf Deutsch. Da Informationen in Urgent Actions schnell an Aktualität verlieren können, bitten wir Sie, nach dem 14. März 2012 keine Appelle mehr zu verschicken.


PLEASE WRITE IMMEDIATELY

- Expressing concern that 'Imad Walid Kharsa is being held incommunicado in conditions that amount to enforced disappearance, and urging the Syrian authorities to immediately inform his family as to his whereabouts, the reason for his arrest and his legal status.

- Urging the authorities to ensure that he is protected from torture and other ill-treatment, given immediate access to his family and lawyer of his choice, and provided with all necessary medical attention.

- Calling on the authorities to release him immediately, if he is not to be charged with an internationally regognizable criminal offence and tried according to international fair trial standards.


*


Quelle:
ai - URGENT ACTION
UA-Nr: UA-252/2011-2, AI-Index: MDE 24/008/2012, Datum: 25. Januar 2012 - gs
Amnesty International, Sektion der Bundesrepublik Deutschland e.V.
Postfach - 53108 Bonn
Heerstr. 178, 53111 Bonn
Telefon:+ 49 228 98373-0, Fax: +49 228 630036
E-Mail: ua-de@amnesty.de; info@amnesty.de
Internet: www.amnesty.de/ua; www.amnesty.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 31. Januar 2012