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MELDUNG/052: Nachrichten - Juni/Juli 2012 (ai journal)


amnesty journal 06/07/2012 - Das Magazin für die Menschenrechte

NACHRICHTEN

- Repression im digitalen Zeitalter
- Brasilien - Ende der Straffreiheit
- Diskriminierung von Muslimen in Europa
- Griechenland - Lager für kranke Migranten
- Libyen - Zivile Opfer der NATO



Repression im digitalen Zeitalter

Blockierte Suchmaschinen, horrende Preise für einen Internet-Zugang, Folter von Aktivisten, damit sie ihre Facebook- oder Twitter-Passwörter preisgeben, Gesetze, die Meinungsäußerungen im Netz zensieren: Das sind nur einige der Methoden, die in Ländern wie China oder Syrien, Kuba oder Aserbaidschan Anwendung finden, um Journalisten, Blogger und Aktivisten daran zu hindern, über Menschenrechtsverletzungen zu sprechen.

Laut "Reporter ohne Grenzen" war 2011 das bislang tödlichste Jahr für Online-Aktivisten: In Bahrein, Mexiko, Indien und Syrien bezahlten Blogger, die Informationen ins Netz stellten, ihr Engagement mit dem Leben. Insgesamt wurden im vergangenen Jahr 19 Journalisten getötet. 162 Journalisten, zehn Medien-Assistenten sowie 161 Online-Dissidenten wurden inhaftiert.

Doch die Blogger finden immer wieder neue Wege, um die Internet-Kontrollen zu umgehen und ihren Stimmen Gehör zu verschaffen. "Die Öffnung des digitalen Raums hat Aktivistinnen und Aktivisten ermöglicht, sich gegenseitig in ihrem Kampf für Menschenrechte, Freiheit und Gerechtigkeit zu unterstützen", sagt Widney Brown, Leiterin der Rechtsabteilung von Amnesty International in London. "Staaten attackieren Online-Journalisten, weil ihnen bewusst ist, wie effizient diese mutigen Einzelpersonen sie via Internet herausfordern können. Wir müssen uns dezidiert jedem Versuch von Regierungen entgegenstellen, die Meinungsfreiheit einzuschränken."


Ende der Straffreiheit

BRASILIEN - Mehr als zwei Jahrzehnte lang regierte das Militär in Brasilien und war während dieser Zeit für zahlreiche schwere Menschenrechtsverletzungen verantwortlich. Bis vor kurzem konnten die Täter damit rechnen, nicht zur Verantwortung gezogen zu werden. Ein Amnestie-Gesetz aus dem Jahr 1979 sicherte ihnen Straffreiheit zu und verhinderte die Aufarbeitung vergangener Verbrechen.

Im März dieses Jahres haben nun Bundesstaatsanwälte einen ehemaligen Offizier sowie einen Polizeibeamten wegen der Entführung des Gewerkschaftsführers Aluízio Palhano Pedreira Ferreira angeklagt. Pedreira wurde 1971 von Sicherheitskräften festgenommen und "verschwand" anschließend. Seine Familie hat ihn seither nicht mehr gesehen. Nach einem Urteil, das der Oberste Bundesgerichtshof in Brasilia kürzlich getroffen hat, sind Fälle von Entführungen und "Verschwinden lassen" von der Amnestie-Regelung ausgenommen.

"Nach Jahrzehnten der Straflosigkeit gibt es nun die Hoffnung, dass Brasilien seiner Verantwortung gegenüber dem internationalen Recht nachkommt, wie dies auch andere Länder Lateinamerikas getan haben", erklärte Atila Roque, Direktor von Amnesty International Brasilien. "Es ist vor allem wichtig, dass die Opfer und die Angehörigen, die Folter, Verschwindenlassen und Morde seitens des Militärs erlitten haben, Gerechtigkeit erfahren."


Diskriminierung von Muslimen in Europa

EUROPA - In Europa werden Vorurteile und Ängste gegenüber Muslimen bewusst geschürt und für politische Zwecke instrumentalisiert: Zu dieser Feststellung gelangt Amnesty in einem neuen Bericht. Einige politische Parteien gehen mit stereotypen Aussagen über den Islam auf Stimmenfang. Regierungen sind mehr und mehr bereit, auf die fremdenfeindliche Stimmung in der Bevölkerung mit diskriminierenden Gesetzen zu reagieren.

Der Bericht "Selbstbestimmung statt Vorurteile" beleuchtet die Situation in Belgien, Frankreich, den Niederlanden, Spanien und der Schweiz. Er zeigt anhand zahlreicher Beispiele, wie Muslime wegen ihrer Religionszugehörigkeit diskriminiert werden, vor allem wenn sie diese durch bestimmte Kleidungsstücke oder religiöse bzw. kulturelle Symbole zum Ausdruck bringen. Die Diskriminierung betrifft vor allem ihre Chancen auf dem Arbeitsmarkt und den Zugang zum Bildungswesen sowie die Errichtung von Gebetsräumen und Moscheen.

Solche Praktiken widersprechen der Antidiskriminierungsgesetzgebung der Europäischen Union, die Abweichungen vom Gleichbehandlungsgrundsatz in der Arbeitswelt nur dann zulässt, wenn der besondere Charakter einer bestimmten Beschäftigung, die Sicherheit oder der Gesundheitsschutz dies erfordern.


Lager für kranke Migranten

GRIECHENLAND - Die griechische Regierung will illegale Einwanderer auf unbegrenzte Zeit festsetzen, wenn von ihnen eine Gefahr für die öffentliche Gesundheit ausgeht. Kranke Migranten sollen demnach in eigens für sie eingerichteten Krankenhausstationen behandelt werden. Der Plan liegt derzeit dem Parlament zur Prüfung vor. Unter den Risikogruppen seien Einwanderer, die "an einer Infektionskrankheit leiden oder anfällige Personen wie Fixer sowie jene, deren Lebensbedingungen nicht elementare Hygienestandards erfüllen", heißt es in dem Gesetzentwurf.

Die Flüchtlinge sollen für verpflichtende Gesundheitschecks und zur Behandlung ansteckender Krankheiten in Gewahrsam genommen werden können. Zudem wollen die Behörden 30 Militärstandorte in Auffanglager für Einwanderer umwandeln. In Griechenland leben mehr als eine Million Einwanderer bei einer Gesamtbevölkerung von etwa 11,5 Millionen Menschen.

Amnesty International kritisierte die Pläne als "äußerst besorgniserregend" und appellierte an die Regierung in Athen, auf die geplante Festnahme von Personen ohne Aufenthaltsgenehmigung mit ansteckenden Krankheiten zu verzichten.


Zivile Opfer der NATO

LIBYEN - Ein Jahr nach den ersten Luftangriffen der Nato auf Libyen dokumentiert Amnesty in einem neuen Bericht 55 Fälle, in denen Zivilpersonen getötet wurden. Anfang 2012 war eine Amnesty-Delegation in Libyen, um mit Überlebenden, Angehörigen und Augenzeugen zu sprechen und Orte zu besichtigen, die durch die Nato-Luftangriffe zerstört wurden. Das Ergebnis: Opfer und Angehörige werden noch immer im Dunkeln darüber gelassen, was geschehen ist und wer verantwortlich ist.

Die meisten durch die Nato verursachten zivilen Todesopfer - darunter 16 Kinder und 14 Frauen - wurden in Privathäusern getötet. Keines der Häuser wurde nach Erkenntnissen von Amnesty für militärische Zwecke genutzt. Bis heute hat die Nato die Fälle weder untersucht noch Kontakt zu Überlebenden oder Familienangehörigen der Opfer aufgenommen.

"Die Nato übernimmt nicht die nötige Verantwortung. Die Opfer und ihre Familien fühlen sich vergessen. Nato-Offizielle hatten mehrfach Bemühungen um Aufklärung der Umstände beteuert. Doch bisher gab es nur ein paar vage Äußerungen des Bedauerns", sagt Carsten Jürgensen, Mitglied der Amnesty-Delegation in Libyen.

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Quelle:
amnesty journal, Juni/Juli 2012, S. 12+14
Herausgeber: amnesty international
Sektion der Bundesrepublik Deutschland e.V., 53108 Bonn
Telefon: 0228/98 37 30, E-Mail: info@amnesty.de
Redaktionsanschrift: Amnesty International, Redaktion amnesty journal,
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Internet: www.amnesty.de
 
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veröffentlicht im Schattenblick zum 4. Juli 2012