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RUSSLAND/063: Ein Jahr Vertreibung und Straflosigkeit nach Südkaukasuskrieg


Pressemitteilung vom 7. August 2009

Ein Jahr Vertreibung und Straflosigkeit nach Südkaukasuskrieg

Ein Jahr nach dem Südkaukasuskrieg noch immer 24.000 Vertriebene, die auf humanitäre Hilfe angewiesen sind
Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit auf beiden Seiten nicht geahndet

BERLIN, 07.08.2009 - Ein Jahr nach dem damaligen Beginn des Krieges zwischen Georgien und der Russischen Föderation in Südossetien sieht die Lage für die Zivilbevölkerung düster aus. Tausende ehemalige Bewohner der Region müssen fernab ihrer Heimat leben, ohne realistische Aussicht auf Rückkehr. Die meisten derjenigen, die bereits zurückkehren konnten, sehen einer unsicheren und ungewissen Zukunft entgegen, das zeigt der heute veröffentlichte Bericht von Amnesty International. "Die Behörden auf beiden Seiten sind dafür verantwortlich, dass alle, die gezwungen waren ihre Heimat zu verlassen und zu fliehen, in Würde und Sicherheit zurückkehren können, um selbst den Verlauf ihres Lebens zu bestimmen", so Judith Hoffmann, Expertin von Amnesty International Deutschland.

Der Bericht von Amnesty International beleuchtet die Situation ein Jahr nach dem in der Nacht vom 07. auf den 08.08.2008 ausgebrochenen Krieg in Südossetien. Immer noch ist die Region von starken Spannungen und einer sehr ungewissen Sicherheitslage gezeichnet. Die Flüchtlinge, die zurückkehren konnten, versuchen ihr Leben wieder aufzubauen. Nach wie vor wurde niemand für die Verstöße gegen internationales Recht, die während des Konflikts begangen wurden, zur Rechenschaft gezogen.

Eine der größten Herausforderungen heute bleibt die instabile Sicherheitslage in der ehemaligen Konfliktzone, die streckenweise regelrecht entvölkert wurde. Rund 192.000 Menschen wurden im Krieg letztes Jahr vertrieben. Von den rund 38.500, die in die Russische Föderation flohen, konnten alle bis auf etwa 4.000 Personen nach Südossetien zurückkehren. Auf der anderen Seite bleiben von den ursprünglich rund 138.000 georgischen Flüchtlingen etwa 20.000 vertrieben. Von diesen 20.000 Georgiern, die aus Südossetien flohen, sind rund 18.500 von einer langfristigen Vertreibung bedroht.

Die meisten der georgischen Flüchtlinge wurden in Georgien in insgesamt 36 neuen Siedlungen untergebracht und mit dem Wichtigsten versorgt, die größten Probleme der Menschen bleiben aber der erschwerte Zugang zu Schulen und medizinischer Betreuung, sowie am allerwichtigsten zu Arbeit, wodurch sie von humanitärer Hilfe abhängig bleiben.

Frühere Nachforschungen von Amnesty International, die direkt nach dem Krieg letzten Jahres durchgeführt wurden, haben konkrete Hinweise ergeben, dass während des Konflikts Kriegsverbrechen und mögliche Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen wurden. Dutzende Zivilisten in Südossetien wurden beim Einmarsch der georgischen Truppen getötet, Wohnhäuser und zivile Einrichtungen zerstört. Nachdem die georgischen Truppen von der russischen Armee zurückgedrängt worden waren, plünderten und zerstörten südossetische Milizen Dörfer mit georgischer Mehrheit; russische Streitkräfte ließen die Milizen gewähren. Auch gibt es Berichte über russische Streitkräfte, die ihre Angriffe direkt gegen Zivilisten richteten. Streubomben kamen auf beiden Seiten zum Einsatz.

"Bis heute wurde niemand, weder auf russischer noch auf georgischer Seite, wegen der Verstöße gegen internationales und nationales Recht während des Konflikts zur Rechenschaft gezogen. Ohne die Wahrheit ans Licht zu bringen und Verantwortung zu übernehmen, kann es keine Versöhnung und keinen anhaltenden Frieden geben", so Judith Hoffman abschließend.

Den Bericht "Civilians in the Aftermath of War - The Georgia-Russia Conflict one Year on" steht als Download zur Verfügung unter:
http://www.amnesty.de/files/AI_Report_Georgia_Russia.pdf


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Quelle:
ai-Pressemitteilung vom 7. August 2009
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veröffentlicht im Schattenblick zum 8. August 2009