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AFRIKA/361: "Sauberer Krieg" in Nord-Mali?


Presseerklärung vom 23. Januar 2013

"Sauberer Krieg" in Nord-Mali?

Menschenrechtsbeobachter der Vereinten Nationen sollen Vorwürfe untersuchen



Die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) hat die unverzügliche Entsendung von Menschenrechtsbeobachtern der Vereinten Nationen nach Zentral- und Nord-Mali gefordert. Sie sollen Vorwürfe untersuchen, in jüngst von radikalen Islamisten zurückeroberten Städten seien Menschenrechtsverletzungen von der malischen Armee verübt worden, erklärte die GfbV am Mittwoch in Göttingen. "Ohne den Einsatz unabhängiger Beobachter wird niemand erfahren, was in den Städten Konna, Sévaré, Diabaly, Niono und Douentza tatsächlich passiert ist", sagte der GfbV-Afrikareferent Ulrich Delius. "Doch es muss dringend geklärt werden, denn diese Gerüchte von Übergriffen malischer Soldaten sind Gift für das Zusammenleben der verschiedenen ethnischen Gemeinschaften und lösen eine neue Flüchtlingswelle aus." Tuareg, Songhai und Araber fliehen seit Beginn der Militärintervention aus Angst vor Racheakten malischer Soldaten aus den Städten Nord-Malis.

Sowohl internationale Menschenrechtsorganisationen, als auch der Verband der in Nord-Mali lebenden Araber "Al Carama" und Tuareg-Vertreter haben in den letzten drei Tagen über mutmaßliche Menschenrechtsverletzungen malischer Soldaten berichtet. Malische und französische Menschenrechtler beklagten das Verschwinden von Personen in der Stadt Niono. Tuareg berichteten von fünf ermordeten Zivilisten, unter ihnen ein Tuareg-Marabout sowie sein Onkel. Die Marabouts sind Geistliche oder Wahrsager, die sehr hohes Ansehen in der Tuareg-Gesellschaft genießen. In Sévaré sollen Menschen exekutiert oder in Brunnen geworfen worden sein. Die Leichen seien verbrannt worden, wird berichtet..

"Bislang wird der Krieg in sorgsam von Journalisten und Menschenrechtlern abgeriegelten Regionen geführt", kritisierte Delius. "In den Medien vermittelt Frankreichs Armee das Bild eines "sauberen Krieges", mit "chirurgischen Eingriffen" (Bombardements), die "Millimeter genau" geführt werden. Dass dies nicht die ganze Realität eines Krieges ist, dürfte auch die Presseabteilung der französischen Armee wissen." Trotzdem ließ sie erst anderthalb Tage nach der Rückeroberung Journalisten in die Stadt Diabaly. Augenzeugen berichteten, dass dort zuvor bei Kämpfen mindestens 50 Islamisten starben. Doch als Medienvertreter in die Stadt gelassen wurden, gab es keine Spuren mehr der Auseinandersetzungen.

Auch Abgeordnete aus dem Kreistag der im Nordosten Malis gelegenen Region Kidal warnen vor wachsenden ethnischen Spannungen und einem Auseinanderbrechen der malischen Gesellschaft. Sie sind darüber alarmiert, dass ganze ethnische Gemeinschaften pauschal zum Sündenbock erklärt werden. So nehme die Angst unter den Menschen immer mehr zu.

"Wir Menschenrechtler sind besonders besorgt über den wachsenden Einfluss der beiden Milizen "Ganda Izo" und "Ganda Koi", erklärte Delius. In ihnen sind mehrere tausend Malier zusammengeschlossen, die Nord-Mali mit Waffengewalt zurückerobern wollen. "Das ist normalerweise die Aufgabe der Armee. Niemand kontrolliert diese Milizen, von denen schon bald massive Übergriffe auf vermeintliche Unterstützer der Islamisten ausgehen könnten."

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Quelle:
Presseerklärung Göttingen, den 23. Januar 2013
Herausgeber: Gesellschaft für bedrohte Völker e. V.
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veröffentlicht im Schattenblick zum 24. Januar 2013