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AFRIKA/381: Nigeria - Straflosigkeit beenden und Gewalt stoppen


Presseerklärung vom 15. Mai 2013

Nigeria erklärt Ausnahmezustand im Nordosten des Landes:
Straflosigkeit stoppen - Mehr als 14.000 Tote seit 1999 - Gewalt geht nicht nur von Boko Haram aus



Nach Verhängung des Ausnahmezustandes im Nordosten von Nigeria hat die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) am Mittwoch dort mehr Initiativen zur Beendigung der Straflosigkeit gefordert. "Mehr als 14.000 Menschen starben seit 1999 im Zentrum und Norden Nigerias durch religiös, ethnisch und politisch motivierte Gewalt. Doch kaum 200 Verantwortliche wurden bislang vor Gericht zur Rechenschaft gezogen", kritisierte der GfbV-Afrikareferent Ulrich Delius. "Die Verhängung des Ausnahmezustands wird allein nicht ausreichen, die Gewalt zu stoppen. Dringend muss dafür gesorgt werden, dass Nigerias Justiz die Täter auch verurteilt. Die katastrophalen Zustände in den Gefängnissen müssen enden, so dass Verbrecher auch ordnungsgemäß inhaftiert werden können." Schon im Dezember 2011 war in Teilen von vier Bundesstaaten in Nordnigeria der Ausnahmezustand verhängt worden. Doch die Gewalt hatte daraufhin nicht abgenommen.

Staatspräsident Jonathan Goodluck hatte am Dienstag den Ausnahmezustand in den Staaten Adamawa, Borno und Yobe verhängt, um Terrorangriffe der Boko-Haram-Sekte einzudämmen. Boko Haram greift vor allem Christen und kirchliche Einrichtungen an, ermordet aber auch liberale Muslime. Sie will damit Nigeria destabilisieren und den Sturz der Regierung herbeiführen.

"Der Terror von Boko Haram ist schrecklich, aber die Gewalt geht nicht nur von dieser Gruppe aus", berichtete Delius. Die Sekte wird für die Ermordung von bis zu 2.000 Menschen seit 2010 verantwortlich gemacht. Viele Opfer fordern aber auch gewaltsame Auseinandersetzungen zwischen Christen und Muslimen im Zentrum und Osten des Landes. Erst am vergangenen Freitag kamen 20 Menschen während einer Beerdigung in der Stadt Wukari im Staat Taraba im Osten des Landes zu Tode. Muslime fühlten sich von einem Begräbniszug von Christen herausgefordert und griffen die Trauernden an. Hintergrund des Konflikts ist ein seit langem anhaltender Landstreit.

Auch weiter westlich in Zentralnigeria eskaliert die Gewalt zwischen Fulani-Nomaden und sesshaften Bauern vom Volk der Tiv. Seit Anfang Mai 2013 starben 170 christliche Tiv bei Übergriffen muslimischer Fulani in den Bundesstaaten Benue und Kaduna. Am vergangenen Sonntag und Dienstag wurden bei Angriffen von Fulani auf Dörfer in den Bundesstaaten Kaduna und Benue 23 Menschen getötet. Die Fulani brannten zahlreiche Häuser der Tiv nieder. Bei einem weiteren Angriff von Fulani auf Bauern in Agatu im Bundesstaat Benue wurden am vergangenen Samstag 47 Menschen bei einer Begräbnisfeier getötet. Hintergrund der Streitigkeiten sind weniger religiöse Differenzen, als vielmehr der Streit um die Kontrolle von Weidegründen und Land vor dem Hintergrund des fortschreitenden Klimawandels und immer geringerer Ressourcen. Die Fulani werfen den Behörden vor, Weidegrund niemals erhalten zu haben, der ihnen vor 53 Jahren vom Staat versprochen worden war.

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Quelle:
Presseerklärung Göttingen, den 15. Mai 2013
Herausgeber: Gesellschaft für bedrohte Völker e. V.
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veröffentlicht im Schattenblick zum 17. Mai 2013