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ASIEN/298: Afghanistan - Unrechtsurteil gegen Stipendiaten der Hamburger Stiftung bestätigt


Presseerklärung vom 9. März 2009

Afghanistan: Oberster Gerichtshof bestätigt Unrechtsurteil gegen Stipendiaten der Hamburger Stiftung für politisch Verfolgte


Der Oberste Gerichtshof von Afghanistan hat das Unrechtsurteil gegen den Journalistikstudenten und Stipendiaten der Hamburger Stiftung für Verfolgte, Sayed Parvez Kaambakhsh, zu 20 Jahren Haft überraschend bestätigt. Der Bruder des Angeklagten sei erst jetzt aus zuverlässiger Quelle über den Richterspruch informiert worden, der in Abwesenheit des Angeklagten und seines Anwalts gefällt wurde, teilte die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) am Montag in Göttingen mit. Die Menschenrechtsorganisation appellierte mit dringendem Schreiben (*) an Verteidigungsminister Franz-Josef Jung, sich für die sofortige Freilassung des 24-Jährigen einzusetzen. Jung wird am Dienstag in Afghanistan erwartet.

"Parvez' Fall ist ein Prüfstein für die Durchsetzung von Rechtsstaatlichkeit und Demokratie in Afghanistan, für die sich auch Deutschland engagiert", heißt es in dem Schreiben der GfbV an Jung, "bitte bewegen Sie die Staatspräsident Hamid Karzai dazu, ein Zeichen zu setzen gegen den Machtanspruch der angeblich traditionellen Führungsschicht sowie der Islamisten. Karzai hat mehrfach zugesagt, den Fall Parvez fair zu behandeln. Er muss ihn jetzt begnadigen." Da Karzai aufgrund der geplanten Wahlen in Afghanistan im August 2009 Rücksicht auf Partner in der Nordallianz nehmen müsse, könne nur starker internationaler Druck ihn dazu bewegen, sagte der GfbV-Afghanistan-Experte Tillmann Schmalzried.

Parvez war wegen angeblicher "Gotteslästerung" am 27. Oktober 2007 vom afghanischen Geheimdienst festgenommen, gefoltert und am 23. Januar 2008 zum Tode verurteilt worden. Nach internationalen Protesten wurde die Strafe in 20 Jahre Haft umgewandelt. In dem Unrechtsverfahren wurden Entlastungszeugen nicht zugelassen, das Strafmaß - willkürlich festgelegt, sämtliche Fristen der Gerichtsordnung gebrochen, und Berufungsgericht und Oberster Gerichtshof berücksichtigten den Widerruf des einzigen, durch Folter gepressten angeblichen Augenzeugen nicht.

Mit der Verurteilung von Parvez sollte sein Bruder, der kritische Journalist Sayed Yaqub Ibrahimi zum Schweigen gebracht werden. Trotz Todesdrohungen hatte dieser immer wieder Berichte über Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Waffen- und Drogenhandel afghanischer Kriegsfürsten veröffentlicht.

Die beiden Brüder gehören zu den Gästen der Hamburger Stiftung für politisch Verfolgte. Frankreich und Spanien gewährten Parvez bereits politisches Asyl, sollte er aus dem Gefängnis entlassen werden.


Anmerkung:
(*) Die GfbV hat die Büros von Verteidigungsminister Jung in Berlin und Bonn gebeten, ihren Appell an den Minister weiterzuleiten.


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Quelle:
Presseerklärung Göttingen, den 9. März 2009
Herausgeber: Gesellschaft für bedrohte Völker e. V.
Postfach 20 24, D-37010 Göttingen,
Tel.: 0551/49906-25, Fax: 0551/58028
E-Mail: presse@gfbv.de
Internet: www.gfbv.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 11. März 2009