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ASIEN/435: Sippenhaft für Bürgerrechtler in China muss enden


Presseerklärung vom 29. April 2012

China: Mehr als 3.800 Übergriffe auf Menschenrechtler im Jahr 2011

Sippenhaft für Angehörige des geflohenen blinden Bürgerrechtlers muss enden



Die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) hat die sofortige Freilassung der inhaftierten Familienangehörigen des aus dem Hausarrest geflohenen Bürgerrechtlers Chen Guangcheng in China gefordert. Der Bruder des Menschenrechtlers Chen Guangfu sowie sein Neffe Chen Kegui waren nach seiner Flucht am letzten Freitag und Samstag festgenommen worden. Ungeklärt ist auch das Schicksal seiner Frau und seiner Mutter, die gemeinsam mit dem Dissidenten unter Hausarrest gehalten wurden. "Chinas Sippenhaft gegenüber Bürgerrechtlern verstößt gegen chinesisches Recht und verletzt internationale Menschenrechts-Konventionen", erklärte der GfbV-Asienreferent Ulrich Delius am Sonntag in Göttingen. "Das harsche Vorgehen gegen den blinden Bürgerrechtler und seine Familie ist jedoch kein Einzelfall. So hat es im Jahr 2011 mehr als 3.800 Übergriffe auf Menschenrechtler in China gegeben."

So wurden beispielsweise 37 Menschenrechtler zusammengeschlagen und zum Teil schwer verletzt, als sie am 30. Oktober 2011 versuchten, den unter Hausarrest stehenden Bürgerrechtler Chen Guangcheng in seinem Haus in Linyl (Provinz Shandong) aufzusuchen. Bis auf 200 Meter kamen sie an das hermetisch überwachte und abgesperrte Dorf des Menschenrechtlers heran. Dann wurden sie von einer Gruppe von rund einhundert Schlägern angegriffen. Die herbeigerufene Polizei beschlagnahmte die Mobiltelefone der Bürgerrechtler und nahm einige in Gewahrsam. Menschenrechtler, denen die Flucht gelang, beschwerten sich bei der örtlichen Polizei und bekamen nur zu hören: "Wenn ihr Ärger macht, löschen wir euch aus."

Hausarrest und Verschleppung in geheime und illegale Haftzentren werden systematisch nicht nur gegenüber Menschenrechtsverteidigern, sondern auch gegenüber ihren Familienangehörigen angewandt. So wollen Chinas Behörden Bürgerrechtler massiv einschüchtern und mundtot machen. Auch soll somit verhindert werden, dass Informationen über das Schicksal der Menschenrechtler an Journalisten und Unterstützer im Ausland weitergegeben werden.

So wird Liu Xia, die Ehefrau des inhaftierten Friedensnobelpreisträgers Liu Xiaobo, noch immer unrechtmäßig in Hausarrest festgehalten. Als die Haftstrafe für den mongolischen Menschenrechtler Hada nach fünfzehn Jahren Gefängnis im Dezember 2010 ablief, verhaftete man seine Ehefrau Xinna und seinen Sohn Uiles, um zu verhindern, dass sie öffentlich seine Freilassung forderten. Auch mehrere weitere Familienangehörige wurden unter Hausarrest gestellt. Hada und seine Ehefrau befinden sich noch immer illegal in Haft, sein Sohn kam nach einem Jahr Gefängnis frei und steht seit November 2011 unter Hausarrest.

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Quelle:
Presseerklärung Göttingen, den 29. April 2012
Herausgeber: Gesellschaft für bedrohte Völker e. V.
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veröffentlicht im Schattenblick zum 1. Mai 2012