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ASIEN/586: China - Übergriffe auf Menschenrechtler nehmen zu


Presseerklärung vom 9. Oktober 2014

Deutsch-chinesischer Regierungsdialog in Berlin (10.10.):

Neuer Menschenrechtsreport dokumentiert zunehmende Übergriffe auf Menschenrechtler in China



Die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) hat unmittelbar vor dem 3. Deutsch - chinesischen Regierungsdialog in Berlin einen neuen Menschenrechtsreport veröffentlicht, in dem sie die zunehmende Verfolgung von Menschenrechtlern in China dokumentiert. In dem 56-seitigen Report stellt die GfbV beispielhaft 347 Fälle von Menschenrechtlern in der Volksrepublik dar, die in den Jahren 2013/2014 schikaniert und verfolgt wurden. "Die Bemühungen um mehr Rechtsstaatlichkeit in China sind weitgehend gescheitert", sagte der GfbV-Asienexperte Ulrich Delius am Donnerstag in Göttingen. "Die regierende Kommunistische Partei setzt auf immer mehr Einschüchterung und Härte, um ihre Alleinherrschaft zu sichern. Glänzende Handelsbilanzen und joviale Auftritte der chinesischen Staatsführung im Ausland dürfen nicht darüber hinwegtäuschen, dass sie im eigenen Land mit eiserner Faust regiert. Sowohl Minderheiten- und Sprachenrechtler, als auch Menschenrechtsanwälte und Bürgerrechtler sind in China akut gefährdet."

Die GfbV hat in dem Report das Schicksal von 19 Uiguren, 69 Mongolen, 175 Tibetern und 85 Han-Chinesen dokumentiert, die 2013/2014 aufgrund ihres Menschenrechtsengagements verfolgt wurden. Diese Fälle stehen beispielhaft für hunderte weiterer Schicksale, betont die GfbV. So wurden allein in den Wochen vor dem 25. Jahrestag des Massakers auf dem Platz des Himmlischen Friedens mehr als 100 chinesische Bürgerrechtler eingeschüchtert, unter Hausarrest gestellt oder festgenommen. "Besonders erschreckend ist die Kampagne gegen Menschenrechtsanwälte, denen mit Entzug ihrer Zulassung gedroht wird, wenn sie weiterhin Uiguren, Tibeter oder Falun-Gong-Anhänger vor Gericht verteidigen", berichtete Delius.

Die Methoden, Menschenrechtler mundtot zu machen, reichen nach GfbV-Angaben von systematischer Einschüchterung, Vorladung zu Verhören, willkürlich angeordnetem Hausarrest über "Sippenhaft" für Angehörige, gezielter gesellschaftlicher Isolation, Verlust von Arbeitsplatz, Ausschluss der Kinder von Schulausbildung und Sozialeinrichtungen, verschärfter Zensur, erzwungenem Verschwinden, jahrelanger Inhaftierung ohne Anklage und Gerichtsverfahren, Folter in Haft, unfaire Strafprozesse, Geheimgefängnisse bis hin zur Einweisung in Umerziehungslager oder psychiatrische Einrichtungen.

Das Unrechtsurteil gegen den uigurischen Wirtschaftsprofessor Ilham Tohti, der im September 2014 wegen seiner Kritik an Chinas Nationalitäten-Politik zu lebenslanger Haft verurteilt wurde, zeigt, dass Kritiker mit aller Macht zum Schweigen gebracht werden sollen. Trotz eines offiziellen Folterverbots werden Bürgerrechtler und kritische Uiguren, Tibeter und Mongolen regelmäßig gefoltert. Die Schicksale des im Sommer 2014 freigelassenen Menschenrechtsanwalts Gao Zhisheng sowie des seit fast vier Jahren illegal festgehaltenen mongolischen Bürgerrechtlers Hada machen deutlich, dass Kritiker gezielt auch psychisch und physisch zerstört werden.

Sowohl in Tibet als auch in Xinjiang/Ostturkestan werden Sprachenrechtler, die sich für den Erhalt der traditionellen Sprache und Kultur einsetzen, verfolgt. In beiden Regionen wird versucht, flächendeckend jede öffentliche Kritik an chinesischer Politik mit Einschüchterungen und Verhaftungen zu unterdrücken.

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Quelle:
Presseerklärung Göttingen, den 9. Oktober 2014
Herausgeber: Gesellschaft für bedrohte Völker e. V.
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veröffentlicht im Schattenblick zum 10. Oktober 2014