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ASIEN/627: Indonesien - Umsiedlungsprogramme schüren Gewalt


Gesellschaft für bedrohte Völker e. V. - Presseerklärung vom 10. Juni 2015

Streit in Indonesiens Regierung über Transmigrationsprogramm

Gesellschaft für bedrohte Völker warnt: Umsiedlungen schüren Gewalt und Menschenrechtsverletzungen


Die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) hat eine sofortige Einstellung des umstrittenen Transmigrationsprogrammes in Indonesien gefordert, da es Menschenrechtsverletzungen und Gewalt in dem Vielvölkerstaat schürt. Nachdrücklich appellierte die Menschenrechtsorganisation an den indonesischen Staatspräsident Joko Widodo, trotz kritischer Stimmen in der eigenen Regierung an seinem Plan festzuhalten, keine neuen Umsiedlungen mehr vorzunehmen. "Dieses Großprojekt ist ein gigantischer Landraub, der die indigene Bevölkerung im Osten Indonesiens zur Minderheit in ihrer eigenen Region macht und regelmäßig zu ethnischen Spannungen führt", erklärte der GfbV-Asienreferent Ulrich Delius am Mittwoch in Göttingen. Im Rahmen des Transmigrationsprogrammes sind in den vergangenen 50 Jahren mindestens 8,8 Millionen Menschen aus dichter bevölkerten Zentren im Westen Indonesiens nach Westpapua, den Molukken und auf andere Inseln umgesiedelt worden.

In der indonesischen Regierung ist ein heftiger Streit über die Fortführung des Programmes ausgebrochen. Während Staatspräsident Widodo die Einstellung der Umsiedlungen ankündigte und den Gouverneur in Papua anwies, keine weiteren Umsiedlungen mehr vorzunehmen, widersprach ihm der Minister für Transmigration Marwan Jafar und bezeichnete das Großprojekt als Erfolgsmodell. So sei die in Westpapua gelegene Region Merauke mit der Ansiedlung von 275.000 Armen und Landlosen aus dem Westen Indonesiens zu einer erfolgreichen Agrar-Region geworden, meinte der Minister. Der Gouverneur der Provinz Papua, Lukas Enembe, und Vertreter der indigenen Bevölkerung Westpapuas hielten dem Minister wiederum entgegen, in Papua lebten heute schon mehr Einwanderer als Ureinwohner und die indigene Bevölkerung werde benachteiligt.

Laut offiziellen Erhebungen stellen die zumeist christlichen Papua aufgrund der Transmigration heute nur noch 49 Prozent der rund 2,8 Millionen Bewohner Westpapuas. Einwanderer aus dem Westen Indonesiens kontrollieren die Wirtschaft in vielen Städten und Dörfern. Ihre Ansiedlung hat nicht nur die indigene Papua-Bevölkerung an den Rand gedrängt, sondern auch ihr Land genommen und weite Flächen des Regenwaldes für gigantische Landwirtschaftsprojekte gerodet. "Die Transmigration hat den Raubbau an Natur und Mensch gefördert und massive Spannungen zwischen den Zuwanderern und der alteingesessenen Bevölkerung geschürt. Es ist ein Rezept zum Desaster für einen Vielvölkerstaat wie Indonesien", kritisierte Delius. "Die Einstellung des Programms wäre ein wichtiger Schritt hin zu einem langfristigen Frieden in dem nach mehr Selbstbestimmung strebenden Westpapua."

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Quelle:
Presseerklärung Göttingen, den 10. Juni 2015
Herausgeber: Gesellschaft für bedrohte Völker e. V.
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veröffentlicht im Schattenblick zum 11. Juni 2015

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