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EUROPA/389: Skandalöses Fehlverhaften des Internationalen Gerichtshofes


Presseerklärung vom 11. April 2007

Skandalöses Fehlverhaften des "International Court of Justice" / Internationalen Gerichtshofes (IGH) bestätigt!


Die Gesellschaft für bedrohte Völker International (GfbV) sieht ihre scharfe Kritik am Urteil des Internationalen Gerichtshofes (IGH) in Den Haag bestätigt, das das Belgrader Regime als Urheber der Massenvernichtung in ganz Bosnien-Herzegowina freigesprochen und "nur" das Massaker von Srebrenica als Völkermord bezeichnet hat. Diese Entscheidung des Gerichtshofes hatte der Präsident der GfbV International, Tilman Zülch, bereits am Tag der Urteilsverkündung Ende Februar als "skandalöses Fehlurteil" kritisiert.

Die "New York Times" hat nun offenbart, dass der "International Court of Justice" (IGH) sich vor und während des Prozesses geweigert hatte, von Belgrad geheim gehaltene Dokumente anzufordern, zu denen das Haager Kriegsverbrecher-Tribunal durchaus Zugang erhalten hatte. Allerdings hatte dieses während des vorangegangenen Prozesses gegen Milosevic den zuständigen serbischen Behörden zugestanden, diese Archive und Dokumente nicht öffentlich zu machen, heißt es in dem Beitrag vom Ostermontag.

Verschiedene prominente Rechtsanwälte, von der "New York Times" in den Haag und Belgrad interviewt, erklärten: "Das Urteil des Prozesses hätte wahrscheinlich anders ausgesehen, wenn der IGH seine Pflichten erfüllt hätte." Diane Orentlicher, Juraprofessorin an der "Amerikanischen Universität" in Washington, kommentierten "Warum hat der IGH die vollen Dokumente nicht angefordert? Die Tatsache, dass wesentliche Stellen geschwärzt waren, impliziert, dass diese Passagen den Unterschied gemacht hätten." Jedenfalls haben alle 15 Richter die so zensierten Archive nicht eingesehen. Der Vize-Präsident des IGH Awn Shawkat al-Khasawneh aus Jordanien schrieb, es sei bedauerlich, dass sein Gerichtshof nicht gehandelt habe. Dabei sei es eine vernünftige Erwartung, dass diese Dokumente Licht auf die "zentralen Frage" geworfen hätten.

So wurden z.B. 1993 mehr als 1800 Offiziere und weitere nicht benannte Dienstgrade der jugoslawischen Armee (JNA) von Belgrad in der bosnischen Armee eingesetzt, bezahlt, befördert oder in den Ruhestand geschickt, so dass letztere, wenn auch nominell getrennt, in Wirklichkeit seit 1992 ein Anhängsel der Armee Serbiens bildete. Montenegros früherer Ministerpräsident Momir Bulatovic schrieb in seinem kürzlich in englischer Sprache erschienenen Buch "Unspoken Defense", dass 1994 mehr als 4000 in Bosnien kämpfende serbische Soldaten von Serbien bezahlt wurden. Der ebenfalls dissidente Richter Ahmed Mahiou aus Algerien erklärte, dass das Fehlverhalten seiner IGH-Kollegen, das Material nicht anzufordern, mit der Absicht, nicht in die Souveränität Serbiens eingreifen zu wollen. Phon van den Biesen, Rechtsanwalt des bosnischen Teams, meinte schließlich, die vollständige Auslieferung der Dokumente hätte wohl erwiesen, dass die bosnisch-serbischen Streitkräfte von Belgrad kontrollierte Agenten Serbiens waren.

"Eine an rechtsstaatlichen Maßstäben orientierte solide Rechtsfindung des IGH hätte offenbart, dass der Genozid an den Bosniern und die Kriegsführung gegen deren kümmerlich bewaffnete Einheiten von Belgrad zentral gesteuert wurden", meinte Zülch. Dabei mitgewirkt hätten das serbische Innen- und Verteidigungsministerium, der Belgrader Geheimdienst sowie serbische Rüstungsunternehmen. Eingesetzt worden seien paramilitärische Verbände und Kader der jugoslawischen Armee. So sei es kein Wunder, dass sich die beiden Hauptkriegsverbrecher Radovan Karadzic und Ratko Mladic bis heute, unterstützt von serbischem Militär und serbischen Behörden, versteckt hielten. Die Opfer der Verbrechen des Milosevic-Regimes waren zu 90 % muslimische Bosnier, die als ethnische und religiöse Gemeinschaft ganz oder teilweise vernichtet werden sollten.

Zülch erinnerte an die Qualen der Opfer in mindestens 100 serbischen Konzentrations- und Internierungslagern, in denen etwa 30.000 Häftlinge ermordet wurden, an die planmäßige Vergewaltigung von mindestens 30.000 Frauen, die zum Teil über Monate in Vergewaltigungslagern festgehalten wurden, an die systematische Verhaftung und Ermordung von Angehörigen der akademischen und politischen Eliten, an die fast vier Jahre andauernde Einkesselung, Aushungerung und Beschießung der insgesamt rund 500.000 Bosnier in den so genannten UN-Schutzzonen von Bihac, Sarajevo, Gorazde, Srebrenica und Zepa, an die Vertreibung und Flucht von etwa 2,5 Millionen Bosniern und die planmäßige Zerstörung Hunderter Dörfer und Stadtteile, von 1.300 Moscheen und etwa 500 katholischen Kirchen.


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Quelle:
Presseerklärung Göttingen / Berlin vom 11. April 2007
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veröffentlicht im Schattenblick zum 12. April 2007